“Look up here, I’m in heaven. I’ve got scars that can’t be seen. I’ve got drama, can’t be stolen. Everybody knows me now. Look up here, man, I’m in danger I’ve got nothing left to lose.”
Man hätte sie erahnen können, die Leiden David Bowies, hätte man nur gewollt. Doch als „Lazarus“, Bowies letzte Single, Ende Dezember erschien, verschwendete niemand einen Gedanken daran, dass es sich bei der melancholischen Nummer mit dem verstörenden Musikvideo um ein Abschiedsgeschenk, ein Requiem, das letzte Aufbäumen eines Titanen handeln sollte. Warum auch? Selten war der selbsternannte dünne weiße Fürst so persönlich, so direkt, so unmittelbar wie hier. Die Geschichten Dritter erzählte Bowie gerne. Autobiographisches hingegen blieb, wenn vorhanden, meist versteckt hinter abstrakten Wortkaskaden. Er war der große Unnahbare, der smarte Maskenmann, ja, eines der letzten großen Mysterien der populären Musik – doch seine fleischliche Hülle leider nicht unsterblich. Zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag lässt er uns allein zurück.
Unzählige Trauer- und Kondolenzbekundungen in den sozialen Netzwerken legten an jenem schicksalhaften elften Januar 2016 Zeugnis von Bowies enormem, genreübergreifendem Einfluss auf die Musikwelt ab. „Es fühlte sich sehr surreal an, heute morgen in einer Welt aufzuwachen, in der es David Bowie nicht mehr länger gibt“, postete Steven Wilson und verlieh damit einem Gefühl der Verlorenheit in einer nunmehr künstlerisch viel ärmeren Welt Ausdruck, das Millionen Bowie-Fans weltweit – nicht wenige davon sonst in der Metal-, Punk-, Gothic- oder Industrial-Szene beheimatet – in ähnlicher Form empfunden haben dürften.
Bowie war eben weit mehr als „Let’s Dance“ und „Under Pressure“, als „Space Oddity“ und „Heroes“. Bowie war ein Idol der Unverstandenen und Außenseiter, der mit sich und der Gesellschaft Hadernden, ein Gott der Gottlosen. Als Ziggy Stardust – ein androgynes Zwitterwesen vom Mars – leitete er die sexuelle Befreiung der Rock- und Popmusik ein. Acts wie Alice Cooper oder Kiss, Mötley Crüe oder HIM – ohne Bowie undenkbar. Kaum vier Jahre nach der Geburt Ziggys dann die Häutung: Der Thin White Duke erscheint auf der Bildfläche. In weißem Hemd und schwarzer Weste, mit sauber gegeelten Haaren und unterkühltem Charisma avanciert die Kunstfigur bald zur Blaupause für die aufkeimende Wave/Gothic-Bewegung. Marilyn Manson, The Cure, Alien Sex Fiend, Nine Inch Nails, Placebo … die Liste der Beeinflussten ist lang.
Ein bisschen Bowie hat jeder von uns im Plattenschrank – wenn auch nur indirekt. Er hinterlässt eine Musikwelt, die ohne ihn zweifellos eine andere gewesen wäre. Was uns von ihm bleibt sind 28 meist hervorragende Studioalben, von denen kaum eines jemals wie das andere klang. „Noch auf seinem Sterbebett hat er gearbeitet wie ein Löwe“, diktierte Regisseur Ivo van Hove, mit dem Bowie jüngst sein erstes eigenes Musical „Lazarus“ verwirklichte, der Presse. Doch nun ruhe, du Rastloser. Flieg heim, du Wesen der dritten Art. Millionen sehen auf zu dir.
„Ashes to ashes, funk to funky“