Seuche schreibt … – Teil 10

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Von der Schwierigkeit, mit Menschen zu reden, die keinen Bezug zu Musik haben

Mich beschleicht das Gefühl, meine Kolumne erreicht mittlerweile einen größeren Radius an Lesern als meine Musik Hörer. Zumindest werde ich in letzter Zeit, es standen und stehen ja wieder Konzerte an, ausgesprochen häufig auf mein wirres Geschreibsel angesprochen. Dazu eine lustige Anekdote: Auf einem Festival setzte ich mich kürzlich ungefragt zu einer der Bands und versuchte sie, ja, so bin ich, in ein Gespräch zu verwickeln. Klappte auch super und schon kurze Zeit später war man sich recht sympathisch. Im Verlauf des Abends und nach einigen Bieren nahm man mich dann allerdings im Vertrauen beiseite und erklärte mir, doch große Vorbehalte gehabt zu haben, sich mit mir zu unterhalten, denn, und da musste ich lachen, man befürchtete, auf diese oder jene Weise unleidlich in meiner Kolumne zu landen. So weit ist es also nach zehn Episoden gekommen, von denen ich noch nicht einmal das Gefühl habe, bisher auch nur ansatzweise angemessen auf den Tisch gehauen zu haben.

Warum schreibe ich das? Zum einen brauche ich eine möglichst stichworthaltige Einleitung, zum anderen hau ich gern Anekdoten raus. Fast noch lieber, als über Bands herzuziehen. Und meine Fresse, es werden tagtäglich mehr! Zitateraten? „Zu viele Scheißbands, zu viel Hype!“ Dafür sieht mein Glashaus allerdings auch aus wie Nagasaki ´45.

Nein, ich versuche nur einigermaßen unterhaltsam auf ein Thema zu stolpern, welches mir letztens bei einem Treffen mit dem Chefredakteur dieser Seite in den Sinn kam. Ich weiß nicht, ob ich es bereits in einer meiner Kolumne angerissen habe oder es lediglich in einer meiner paar Mail-Verkehre laut dachte. Aber je älter ich werde, umso größere Schwierigkeiten bereitet es mir, große Offenheit oder Vielfalt in Sachen Gesprächsthemen zu bieten. Das heißt konkret, sobald keine Chance besteht, irgendwie auf und vor allem Musik zu kommen, bin ich nahezu aufgeschmissen.

Entweder interessiert mich das Gelaber auf Random-Partys irgendwelcher Leute einfach nicht oder ich kann nichts dazu beitragen. Karriere, Kinder, Eigenheim war jetzt nie so mein Ding, scheint aber Mitte 30 der Renner zu sein. Es ist, ich habe nicht einmal ein Problem damit, eine stetig wachsende Egalhaltung allem gegenüber und letzten Endes Stagnation und Tunnelblick. Ich höre sehr viel Musik, ich mache Musik und ich interessiere mich gottverdammich auch nur für Musik. Gut, und Filme. Wobei ich fast behaupten möchte, dass dies zwei Themen der gleichen Art sind. Wer mir auf die Frage, was er höre mit „Ich höre eigentlich alles“ antwortet und damit beweist, dass er eigentlich gar nichts hört, hat in den allermeisten Fällen auch zum Thema Film nichts beizutragen.

Das soll nicht bedeuten, dass ich parallel dazu eine gesteigerte Abneigung gegen Smalltalk entwickle, ganz im Gegenteil. Nichts macht mir eine größere Freude, als (bierselig) lapidarste Waschweibergeschichten zu sammeln und weiterzugeben. Tratsch halt. Es muss eben nur um Musik gehen. Warum liest man sonst bitte Künstler-Biographien?

Ich meide öffentliche Zusammenkünfte beziehungsweise fühle mich außerordentlich unwohl, wenn ich weiß, ich werde niemanden haben, mit dem ich mich unterhalten kann. Das ist sicher mehr als normal, bereitet aber eben Schwierigkeiten, wenn man gefühlt genau nur ein einziges Gesprächsthema hat. Deshalb fühle ich mich auf Metal-Veranstaltungen zum Beispiel verhältnismäßig wohl. Um also die Einleitung zu rechtfertigen, darum bin ich, wenn ich mal rausgehe, eher auf Konzerten anzutreffen bezettwe komme auch gut damit klar, mich auf den eigenen Konzerten mit Fans zu unterhalten. Man könnte sagen, da ist man in seinem Element.

Videodreh in Wien. Seuche & der elende Hermes Phettberg.
Videodreh in Wien. Seuche & der elende Hermes Phettberg.

Andere Geschichte, vor ein paar Wochen war ich in Sachen Videodreh in Wien und bin Freitagabend noch aus, obwohl alle meine Kontakte entweder auf Tour oder anderweitig beschäftigt waren. Lange nicht passiert, aber da steht man mit einem Bier in einer Metal-Kneipe, kennt keine Sau und macht was? Man sabbelt stumpf jemanden an. Kann klappen, kann auch peinlich werden. Ging aber gut und einige Bierchen später war dann auch alles ganz amüsant. Unvorstellbar, wenn ich… ha!, und das ist der Punkt, ich habe nicht mal eine Ahnung, wie man seine Zeit verbringt, wenn es nichts mit Beschallung und Musik-Fachsimplerei zu tun hat.

Musik ist einfach alles. Musik geht auch immer. Zum Aufwachen, zum Schlafen. Alleine, mit Freunden. Frohlockend, zu Tode betrübt. Laut, leise, nüchtern, betrunken, auf Party, zuhause, auf dem Klo. Liste unvollständig. Selbst wenn alles im Arsch ist, nichts mehr geht, Musik ist da. Was macht eine „Ich höre alles“-Person in all diesen Momenten? Ich weiß es nicht! Ich könnte aus dem Stehgreif für jede noch so vertrackte Gefühlslage mindestens fünf Alben nennen, die genau in diesen Momenten passen. Ich wüsste auf der anderen Seite aber nichts mit einer Person anzufangen, die mir lediglich Unverständnis entgegenbringt, wenn ich versuche zu erklären, was es bei mir auslöst, wenn ich Katatonias „Gateways Of Beravement“ höre. Wenn eine gewisse notwendige Grundbegeisterung für Musik vorhanden ist, kann ich mich sogar angeregt mit Hip-Hoppern unterhalten.

Gut, dann wäre da noch Musik und Frauen. Eine der größten Lügen zum Thema von Bedeutung von Musik wäre ja, dass die sogenannte Liebe noch über der Musik stehe. Um euch an meiner Allwissenheit teilhaben zu lassen, was Frauen und Musik betrifft: Schallendes Gelächter! Wenn es schon Probleme bereiten kann, wenn A nur Dimmu Borgir und B eigentlich nur Xasthur mag, dann möchte ich zu gerne Mäuschen spielen, wenn A gerade L’Âme Immortelle reinschmeißt, obwohl B just in der Plattensammlung nach etwas sucht, was nicht so überproduziert ist wie Ulvers „Nattens Madrigal“. Prost, so was geht sicher über das gegenseitige Einverständnis von fickificki gut, sicher aber nicht über Jahre. Oder ich bin einfach ignorant. Ich könnte jetzt noch einen draufsetzen und sagen, dass man sich mit Frauen ohnehin nicht über Musik unterhalten kann, aber meine überbordende Begeisterung an Sarkasmus würde in der heutigen Zeit vermutlich als Sexismus ausgelegt. Also locker bleiben, ich scherzte nur!

Tja ja… Wenn es doch dabei bleiben würde. Man wird ja immer noch älter und ich registriere, dass es mir noch um einiges leichter fällt, mit Menschen zu reden, die wie ich auch Musik machen. Und dabei geht es weniger um das Thema als vielmehr um das „Verstehen“. Es ist nun einmal rational kaum zu erklären, warum man das Ganze macht, warum man sich all den Stress antut, die Proberei, die ich hasse, die Gurkerei zu Gigs, die mich nervt, die Warterei auf den eigenen Gig, die mich auffrisst. Für den einen Moment, diesen verkackten, aber alles erfüllenden kurzen Moment. Dazu irgendwann mal mehr. Du kannst jetzt verständnisvoll nicken und vorgeben, es zu verstehen, verstehen wird es aber nur, wer es immer wieder mitmacht, das ganze Theater. Sich mit besten Freunden, die gleichzeitig Bandmitglieder sind, fast in Gänze zu zerstreiten, wegen Musik. Überhaupt dieses ganze Künstler/Musiker-Dasein, die ganze Zerrissenheit. Ja, auch das Gejammer! Ich rede gerne mit Fans nach Konzerten, habe auch Freunde, die einfach „nur Musik hören“. Es gibt aber Dinge, über die ich nur mit bestimmten Menschen reden kann.

So, Feierabend mal wieder!
//Seuche


SeucheSeuche. Jahrgang ’80, Biertrinker, Punker, 24/7-Musik-Konsument, loses Mundwerk, „hat Maiden ’92 live gesehen“. Fronter bei FÄULNIS, Basser bei BLACKSHORE. Für Metal1.info schreibt er an dieser Stelle in unregelmäßigen Abständen über Musik, die Szene und was ihm sonst so durch den Kopf geht – wie er es selbst auf den Punkt bringt „bissig, zynisch und eben nicht auf Eierkuchen aus“.

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Publiziert am von Seuche

7 Kommentare zu “Seuche schreibt … – Teil 10

  1. @Moritz – leider ist aber auch festzustellen, dass immer mehr „etablierte“ Bands einen mit halbgarem Müll zuwerfen, sei es um im Gespräch zu bleiben, ein wenig Kohle zu verdienen oder auf Druck des Labels. Insofern macht es letztlich nicht viel aus, wenn ein paar „Softwaretechniker“ dazu kommen. Wer weiß, vielleicht ist ja auch die eine oder andere gute Idee dabei. Wichtig ist, dass es überhaupt Leute gibt, die Musik machen und mit den modernen Möglichkeiten in jedem Reihenhaus möglich ist. Bandproben haben ihren Charme, habe das selber kennengelernt. Aber während die einen nur jammen wollen, sind die anderen akribisch bei der Sache.
    Bei Rock und Metal entscheidet zum Glück das Können, der Gig, die Emotion, nicht die Radiotauglichkeit. Insofern wird die natürliche Auslese hier immer stattfinden. Und wenn nicht, helft ihr dabei :-)
    @ Seuche – Danke für deine Gedanken, denen man wahrlich nicht immer zustimmen muss.
    Aber sie sind pointiert und gefallen mir als Anregung zum Nachdenken. Leider findet man viel zu wenige Leute mit denen man „nur“ über Musik labern kann. Entweder wird es schnell elitär oder absolutistisch oder einfach belanglos. Über die Emotionen die Musik, ein Lied oder nur ein Riff auslösen kann ….selten.

    @ Seuche, Redaktion, immer weiter so. Bin seit Jahren treuer Leser und metal1.info ist immer meine 1.Adresse. Muss was mit Qualität zu tun haben:-)

    1. Vielen Dank zunächst für das Vertrauen in unsere Arbeit – sowas liest man natürlich immer gerne :) Dem Rest habe ich wenig entgegenzusetzen. :)

  2. Zu viele Bands !?! Zu viele Bands !?!? Wenn ich das immer höre !! 2004 war Fäulnis auch eine dieser viel-zu-vielen, und überflüssig. Aber siehe da, 10 Jahre später ein gutes Album. Also lass den „viel-zu-vielen-Scheißbands“ mal etwas Zeit. Ist doch gut wenn es so viele Bands gibt. Lass 10% von denen in zehn Jahren noch bestehen.
    Vielleicht hauen die dann auch ein gutes Album alà „Snuff II Hiroshim“ raus.
    Ansonsten finde ich immer recht Interessant was dir durch den Kopf geht und deine Wortwahl zu bestimmten Situationen….fickificki – Geil!

    1. Ach, Du argumentierst viel zu vernünftig. Natürlich hast Du recht, aber wer würde so etwas lesen wollen, hm? Ich oller Griesgram schreibe hier einmal im Monat runter, was mich beschäftigt oder nervt, das muss man trotz meiner gefestigten Meinung nicht immer wortwörtlich auf die Goldwaage legen. Allerdings lag hier der Fokus auf „zuviel Hype“ und wie Ines Beitrag könnte ich dem Thema auch eine eigene Kolumne widmen. Kurz, es ging mir, wohlgemerkt in einem rein überleitenden Nebensatz darum, dass in der heutigen Zeit, wo es nun einmal sehr viele Bands gibt, jeder Scheiß künstlich (von Labels) hochgehyped wird, um ja für genug Nachfrage zu sorgen. Ich stimme Dir zu, es kann garnicht genug Bands geben, wenn da auch mal was gutes bei rum kommt. Aber es muss nicht jeder Scheiß als die Neuerfindung der Musik verkauft werden. Blabla, auch hier, vielleicht schreibe ich mal drüber.

      1. Ich denke, das Hauptproblem an „zu vielen Bands“ ist, dass der Selektionsprozess heute ein anderer ist als vor 20 Jahren.

        Vor 20 Jahren sind Bands durch die limitierten technischen Möglichkeiten so lange im Proberaum gestanden, bis sie ihren Mist spielen konnten. Die, die wirklich viel Elan hatten, haben sich dann für teures Geld in einem Studio eingemietet, ein Demo aufgenommen und damit bei nem Label beworben.

        Heute kann auf gut Deutsch jeder dahergelaufene Arsch mit etwas Taschengeld eine halbwegs passable Studiosoftware erwerben und mit oder auch ganz ohne Band jedweden Kack aufnehmen, der ihm gerade aus den Fingern rutscht. Das Resultat: Labels, Magazine wie auch Musikinteressierte Internetnutzer werden mit halbgaren Promos/Demos/Alben/Songs zugeschissen, und in dem Wust gehen die Bands, die es wirklich ernst meinen, unter. Klar, die Promomöglichkeiten sind heute andere, und klar ist es schön für die einzelne, egalwietalentierte Band – für die Szene sehe ich darin jedoch nicht ausschließlich einen Vorteil.

  3. Hey Seuche. Wie immer verfolge ich deine Kolumne mit Begeisterung. Und meistens stimme ich mit deiner Meinung und deinen Ansichten sogar überein. Aber….. diesmal nicht. Frauen und keine Ahnung von Metal (Musik). pffffff….. niemals nicht. Es gibt genauso viele Männer die Null Plan haben und nur die Musik hören oder auf Konzerte gehen, weil Metal gerad „In“ ist.
    Musik ist eben nicht gleich Musik.

    Stay heavy \m//

    Ines Rövardotter

    1. Na endlich gibt es hier auch mal ein wenig Kontra! Aber wenn Du regelmäßig meine Kolumne verfolgt hast, Ines, wird Dir nicht entgangen sein, dass ich mich gerne mal sehr überspitzt ausdrücke. Und ich habe bewusst NICHT geschrieben, Frauen haben keine Ahnung von Musik, ich schrieb „dass man sich mit Frauen ohnehin nicht über Musik unterhalten kann“. Und selbst das habe ich nachfolgend noch relativiert. Ist aber ein spannendes Thema, denn ganz wertfrei bin ich der Meinung, dass Frauen durchaus anders an Musik rangehen als Männer. Aber das würde jetzt zu weit führen. Vielleicht schreibe ich ja mal darüber.

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