Nachwuchskünstler*innen in meinem Club, kann ich mir nicht mehr leisten

Im Juni erschien auf Bonedo.de ein sehr lesenswerter Artikel darüber, welche Schwierigkeiten kleine Bands haben, wenn sie in Clubs auftreten wollen. Als Reaktion auf den Text veröffentlichte Felix Grädler auf seiner Homepage einen Artikel aus Sicht eines Clubbetreibers, warum viele Locations keine Underground-Konzerte mehr veranstalten. Mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen wir den Beitrag an dieser Stelle als Teil unserer Serie „Lasst uns über Geld reden“ ebenfalls. Alle Teile der Serie findet ihr hier!

Felix Grädler ist als geschäftsführender Gesellschafter der halle02 Heidelberg im Kultur- und Veranstaltungsbereich tätig. Seit 2014 sitzt er für Bündnis 90/die Grünen im Heidelberger Gemeinderat und engagiert sich besonders für die Themen Kultur- und Kreativwirtschaft, Mobilität, Haushalt und Digitalisierung.


Liebe Musikfreund*innen,

wir wissen, dass die Lage der Musikbranche zurzeit alles andere als rosig ist. Immer wieder wird uns Clubs vorgeworfen, dass wir den Nachwuchs nicht genügend fördern, dass wir nur noch auf Nummer sicher gehen und hauptsächlich etablierte Acts buchen. Doch die Wahrheit ist, dass das Problem viel tiefer liegt und nicht allein durch die Entscheidungen der Clubs verursacht wird.

Das Ungleichgewicht in der Musikbranche

Der Artikel, der zuletzt für viel Aufsehen sorgte, spricht viele wahre Punkte an. Musiker*innen verdienen mit Streaming-Diensten kaum noch Geld, CD-Verkäufe sind fast gänzlich eingebrochen, und Vinyls sind nur ein Nischenmarkt. Dazu kommt, dass Konzerte und Tourneen oft ein finanzielles Risiko darstellen. Doch die Ursache für diese Misere liegt nicht bei uns Clubs, sondern vielmehr bei den großen Konzernen, die den Musikmarkt beherrschen.

Die Rolle der großen Konzerne

Große Platten- und Ticketfirmen sowie Streaming-Plattformen machen enorme Gewinne, während sie gleichzeitig die Künstler*innen nur minimal entlohnen. Diese Konzerne haben die Einnahmenströme im Musikgeschäft monopolisiert und investieren kaum etwas in die Basis zurück – also in die Clubs und die Künstler*innen, die den Kern der Livemusikszene ausmachen. Während wir Clubs versuchen, faire Gagen zu zahlen und ein abwechslungsreiches Programm zu bieten, werden wir von den übermächtigen Akteuren im Musikgeschäft allein gelassen.

Die Herausforderung für Clubs

Für uns bedeutet das, dass wir oft gezwungen sind, wirtschaftlich zu denken. Die Fixkosten für Miete, Personal und Technik sind hoch, und die Margen sind knapp. Wenn wir bei jeder Veranstaltung ein hohes finanzielles Risiko eingehen, können wir am Ende nicht mehr existieren. Deshalb ist es für uns so schwer, Newcomer zu buchen, die noch kein großes Publikum anziehen. Wir sind nicht egoistisch – wir kämpfen schlicht ums Überleben.

Musterkalkulation für eine Veranstaltung

Um die finanzielle Situation besser zu verdeutlichen, möchten wir eine Musterkalkulation für eine typische Veranstaltung bei uns im Club zeigen. Diese basiert auf realistischen Annahmen für eine Veranstaltung mit einem Newcomer-Act bzw. auf eine virtuelle Show wie angegeben in diesem Artikel:

Von den dort 700 € Miete für den Club bleiben dem Club nach Umsatzsteuer 588,26 €

Will ich das Personal des Abends bezahlen:

Personalkosten (nehmen wir mal an es wäre alles nur Mindestlohn und Minijob (32,70 % Abgaben – was es in der Realität natürlich nicht ist, aber das wäre ja das gesetzliche Mindestmaß)

  • Abendleitung 4h a 16,47 € = 82,35 €
  • Kasse 2h a 16,47 € = 32,94 €
  • Garderobe 4h a 16,47 € = 65,88 €
  • Techniker 8h a 16,47 € = 131,76 €
  • Künstler*innenbetreuung 4h a 16,47 € = 82,35 €
  • 2x Security 4h a 16,47 € = 65,88 €
  • 2x Barpersonal 4h a 16,47 € = 65,88 €

527,04 €

OK – da wären ja noch die Einnahmen der Getränke!

Nehmen wir an, die 100 Personen (wie im Originalartikel) konsumieren für 5 € im Schnitt pro Person (was aus Erfahrung eher gut wäre) – hätten wir nach Umsatzsteuer noch 420,17 €. Bezahlen wir davon die verzehrten Getränke, bleiben ca. 315,13 € Ihr sehr also, selbst wenn man sich hier viel Mühe gibt, ist das Potenzial überschaubar. Also insgesamt 376,35 € zur Deckung der Raumkosten, Veranstaltungstechnik, Marketing, Reinigung, Strom & Heizung, PA, Versicherungen, Personal (Orga). Man kann sich ja ausrechnen, dass das vorne und hinten nicht ausreicht. Ein Gehalt für den/die Clubbetreiber*in ist dann auch noch nicht erwirtschaftet …

Ein Appell zur Zusammenarbeit

Es stimmt, dass wir alle im selben Boot sitzen. Doch anstatt uns gegenseitig zu beschuldigen, sollten wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir sind bereit, mit Musiker*innen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und innovative Wege zu finden, um das Live-Erlebnis für alle Beteiligten fairer zu gestalten. Wir wollen weiterhin ein Sprungbrett für talentierte Künstler*innen sein, doch dafür brauchen wir Unterstützung und ein nachhaltiges Geschäftsmodell, das nicht nur die Konzerne, sondern auch die Basis stärkt.

Lasst uns gemeinsam gegen die Ungerechtigkeiten im Musikgeschäft kämpfen. Wir Clubs sind bereit, unseren Teil beizutragen, aber wir brauchen auch die Solidarität der Künstler*innen und die Unterstützung der Fans. Nur gemeinsam können wir ein Umfeld schaffen, in dem Livemusik wieder florieren kann und in dem Newcomer eine faire Chance bekommen. Lasst uns den Kreislauf der Livemusikwirtschaft wieder in Gang bringen und dafür sorgen, dass die Musikszene bunt, vielfältig und lebendig bleibt.

Mit musikalischen Grüßen,

euer Lieblingsclub

Publiziert am von Felix Grädler

5 Kommentare zu “Nachwuchskünstler*innen in meinem Club, kann ich mir nicht mehr leisten

  1. Das ist echt für jeden Hobby Musiker oder für jede junge Band schlecht. Klar auf der einen Seite kommen zu ner unbekannten Band halt nie Leute auf der anderen war als ich 20 war doch mal die Gelegenheit da nen Termin zu kriegen. Dann hat man halt das ganze Dorf mobil gemacht damit was geht

    Ne andere Lösung wäre halt wenn gestandene Bands aktiv mal kleine Acts sich mit nehmen oder aussuchen ggfs. Lokal. Aber das line up wird ja auf jeder Tour immer nur mit Label Bands gefüllt die gepusht werden

    1. Tja, man muss aber halt auch sagen: Früher sind die Leute zu diesen Bands/Shows auch gegangen. Ob des heutigen massiven Überangebots (in Ballungsräumen) gehen die Fans halt (gefühlt) lieber einmal zu Metallica oder Maiden oder Rammstein als für das gleiche Geld 10x auf Underground-Shows. Die Leute wollen heute halt die großen Produktionen, das große Entertainment, Feuer, Bühnendeko, Schauspieler, alles muss auf Instagram was hermachen, oder mindestens in Handyvideos. Da ist ein Club- oder Juze-Gig einfach nicht „vorzeigbar“.

      Und was die großen Bands angeht: „Irgendwer muss ja den Tourbus zahlen“ … ist leider so. Da wird halt eine Buy-In-Band verpflichtet, die damit zumindest die Unkosten schon mal fix abdeckt. Um was anderes gehts da ja nicht …

      1. Ja das stimmt schon alles. Wichtig ist für viele nur noch das sie ihr smart phone drauf richten können. Ich frag mich echt wer sich denn diese ganzen Videos überhaupt nochmal anschaut. Am Ende leidet doch hauptsächlich die Stimmung unter dem ganzen Filmen und sich selbst in Szene setzten. Das Konzert selbst spielt für viele keine Bedeutung es ist eher das Happening dabei zu sein und vor allem zu zeigen dass man dort ist. Da laufen in den ersten Reihen Leute rum die nicht mal die Namen der Band Mitglieder kennen oder denen ein Album das 10 Jahre alt ist unbekannt ist

        Ich mach mir in Anbetracht dessen einfach weng sorgen um unsere Konzert Kultur ( sorry aber der Bericht hat das bisschen getriggert bei mir )

        1. Du, da bin ich ganz bei dir. Dieser neueste Trend, dass Leute Selfies „mit der Band“ machen, indem sie sich selbst in den ersten Reihen fotografieren (lassen) … und das während der Show … da würde ich mich als Musiker auch verarscht fühlen. Und ja, natürlich schaut kein Mensch diese Videos mehr als ein zweimal noch an und dafür ruiniert er sich selbst und allen um ihn herum die Atmosphäre … aber wie du schon sagst: Darum gehts vielen halt gar nicht mehr.

          1. Ihr schneidet halt beide das Grundproblem an. Livemusik, wie bisher bekannt bringts für die Jugend nicht mehr.

            ich glaube wir alle täten gut daran, einfach zu akzeptieren, dass es sich um eine sterbende Kultur handelt, die immer mehr zur Liebhaberei wird.

            Das klingt nun erstmal hart, und ist es auch, für alle die ihren Lebensunterhalt im Kulturbereich verdienen!

            Deren Perspektive möchte ich hier nicht kleinreden, aber dennoch sind die Zeiten, in denen du von deiner Musik oder Kulturarbeit leben kannst glaube ich langfristig vorbei.

            Und das ist jetzt kein hämisches „haha“, ich könnte euch heulen deshalb (auch wenn ich das Glück hab meinen Lebensunterhalt mit was anderem zu verdienen), aber das ändert leider nix daran, dass in den absoluten Subkulturbereich, aus dem ich auch komme, wo niemand was verdient, in den letzten Jahren über Kulturförderung schon die nächsthohe Sparte Musikschaffende reingespült wurde, deren Clubkonzerte halt nicht mehr laufen und nun, da Förderungen mehr und mehr eingestellt werden, wird sich für viele zwangsläufig die Frage stellen, entweder das ganze als Minusgeschäft (aka Hobby) zu sehen oder aufzuhören.

            Nicht weil denen niemand die Gagen gönnt, aber weil du einfach, selbst wenn du und deine leute alles ehrenamtlich machen mit 10 – 15 Gästen keine angemessene Gage zahlen kannst, und auch die trotz etwas größerer Bekanntheit halt oft leider nicht viel mehr ziehen.

            So weit so traurig und was sind nun die guten Nachrichten? Der gute Lux interior hat es besser ausgedrückt als ich je könnte:

            „Things have always been hard for people who are passionate about something, but that doesn’t mean they will stop doing it“ (so ungefähr, ich hatte grad keine Lust das interview rauszusuchen, aber im Sinn hat er das gesagt :-) )

            Und ich vertrete die durchaus kontroverse Meinung, dass es für musikalische Meilensteine nicht zwangsläufig Leute braucht, die von ihrer Musik Leben können und daher ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Schaffensprozess richten. Es gibt so viele Meilensteine, die von leute, die nebenbei in absoluten Shitjobs gearbeitet haben, nach Feierabend geschaffen wurden, und die wird es auch weiterhin geben.

            Das ist immer noch komplett scheisse für leute die ihren Unterhalt in der Musik verdienen, das ist natürlich sebst für die kleinen Bands scheisse, weil sich irgendwann auch die Frage stellt, wo das ganze stattfinden soll, aber gute Untergrundmusik wird es weiterhin geben nur halt noch mehr im Untergrund und noch mehr Nische als vorher. Die Zeiten werden härter werden, alles wird schwieriger werden, aber Untergrundmusik an sich wird auch das überleben.

            Dann sind wir halt wieder eine kleine Szene, die gegenseitig ihre Konzerte veranstaltet, besucht und sich freut, wenn eine der Bands mal im Urlaub für ne Woche auf selbstorganisierte Europa Minitour gehen kann.

            Und das klingt doch garnicht so scheisse.

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