Lederjacke, Jeanskutte, Springerstiefel, Sneaker, Nieten, Aufnäher, Anstecker – es gibt unzählige Accessoires und Kleidungsstücke, die das „szenetypische“ Erscheinungsbild von Metalheads prägen. Keines davon ist jedoch über alle Subgenres hinweg so unangefochten unverzichtbar wie das Bandshirt: Es ist integraler Teil der Metal-Subkultur und dort weit mehr verbreitet als in jeder anderen Musikszene. Ein Grund dafür könnte sein, dass es für Leute, die sonst nur schwarz tragen, fast die einzige Möglichkeit darstellt, das tägliche Auftreten optisch etwas zu variieren.
Doch die Funktion des Bandshirts als Szeneaccessoire reicht weiter: Es ist nicht nur Kleidungsstück, sondern auch eine Möglichkeit, dem eigenen Musikgeschmack individuell Ausdruck zu verleihen, sich als Teil der Szene zu erkennen zu geben und sich von „den anderen“ abzugrenzen.
Wie stark dieser Wunsch sein kann, wird erst durch den Blick in andere Länder deutlich – etwa in der Kreativität , die Metalfans bei diesem Thema in Ländern an den Tag legen, in denen man nicht einfach im nächstbesten (Online-)Shop nach belieben Metal-Merchandise kaufen kann: „Früher gab es hier nur ein paar Bootleg-Shirts von Mainstream-Metal-Combos, aber das waren meistens kitschige Siebdrucke aus Massenproduktionen in Hongkong oder Taiwan. Deshalb habe ich damals angefangen, meine eigenen Shirts zu zeichnen. Ich habe mir professionelle Stofffarbe gekauft und damit meine Lieblingslogos von Black- und Death-Metal-Bands auf T-Shirts gemalt.“ erklärte etwa Babar Sheikh aus Pakistan im Rahmen unseres Specials „Metallisierte Welt – auf den Spuren einer Subkultur“.
Fast befremdlich wirkt es da, dass das Bandshirt hierzulande als kultige Klamotte mittlerweile voll im Trend liegt oder, wie es so schön heißt, „in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist“. Und das bisweilen völlig losgelöst von seiner eigentlichen Message. Denn nicht nur Szene-Shops wie EMP warten ständig mit neuen, bisweilen selbst designten Band-Merchandise-Kollektionen auf, um die große Nachfrage der Fans zu stillen. Sogar die großen Player des Textilhandels haben die Bandshirt-Ästhetik mittlerweile fest in ihr Programm aufgenommen. Mit Mode, die zwar ein bandbezogenes Motiv schmückt, ansonsten aber gar nicht als Band-Merchandise verkauft wird, sondern beispielsweise als „T-Shirt-Kleid mit Motiv: Kurzes, gerades T-Shirt-Kleid aus Baumwolljersey mit Motivdruck“. Oder gar mit Motiven, die zwar die Bandshirt-Ästhetik zitieren, deren Aufdrucke aber eigentlich nichts weiter als von einem Modedesigner im Stil von Metal-Logos entworfene Schriftzüge sind. Dass man sich damit in der Szene keine Freunde macht, mussten auch H&M schnell erkennen, nachdem Metalheads um Finntroll-Musiker Henri Sorvali die Sache ad Absurdum führten und die Fake-Bands in einem gelungenen Social-Media-Cup zum Leben erweckten.
Die immer größere Begeisterung für Bandshirts innerhalb der Szene hingegen ist durchweg positiv zu werten: In Zeiten, in denen sich CDs und Musik generell nur noch schlecht verkaufen, sind Bandshirts insbesondere für kleinere und mittlere Bands mittlerweile Einnahmequelle Nummer eins. Wer eine (Underground-)Band unterstützen möchte, kauft sich hierfür am besten ein Shirt. Zumeist liegen die Gewinnmargen selbst bei Kleinstauflagen bei über 50% des Verkaufspreises. Und anders als das Guns-’n‘-Roses-Shirt von H&M bringen Underground-Shirts echte Individualität in den Kleiderschrank. Mögen sich auch noch so viele Menschen quasi willkürlich bedruckte Shirts in Kaufhausketten kaufen: Für viele (wenn nicht die meisten) Fans aus der Metalszene ist das Bandshirt weit mehr ist als ein trendiges Kleidungsstück. Es ist Projektionsfläche des eigenen Musikgeschmacks und damit eine nicht zu unterschätzende Öffnung gegenüber dem Betrachter.
Im Motiv provokativ, modern, brutal, politisch oder (anti-)religiös, vielleicht auch nur insgesamt augenscheinlich alt und zerschlissen – hinsichtlich vieler Aspekten vermittelt das Bandshirt und damit sein Träger dem Betrachter bewusst oder unbewusst eine Message. So dürfte jeder von uns das eine Shirt haben, das er auch am „Casual Friday“ nicht unbedingt in die Arbeit anziehen würde, andererseits aber auch die persönlichen „Heiligtümer“, die nur zu besonderen Anlässen aus dem Schrank geholt werden. Jahr(zehnt)e alte Festivalshirts etwa, die an die schönsten Tage unseres Lebens erinnern. Oder Tourshirts, die mit jedem Waschgang weiter verblassen – anstelle der von ihnen lebendig gehaltenen Erinnerungen an bestimmte Konzerte.
Doch wenn die Besonderheit mancher Shirts auch nicht von jedem erkannt wird – zumindest innerhalb der Szene ist man sich über den Wert einiger Raritäten durchaus im Klaren. So werden Bandshirts schon lange nicht mehr nur getragen: Man zeigt seine eigene besten Stücke oder die ganze Kollektion – ohne jede Verkaufsabsicht – auf Sammlerportalen wie Tshirtslayer.com, der weltweit größten Metalshirt- und Kuttengalerie, wie es auf der Seite heißt.
Andernorts werden für Bandshirts mitunter Unsummen ausgegeben: Auf Etsy wechselte unlängst ein „Original IRON MAIDEN-Jahrgang 1984-Hawaii Tour SHIRT jersey“ für stolze 1.500 US-Dollar den Besitzer [1], auf Ebay für die gleiche Summe ein „METALLICA Vintage T Shirt 80’s Tour Concert 1982/83 FIRST DESIGN“ [2], und ein „Vintage SLAYER 1986-TOUR-T-SHIRT“ sein Eigen zu nennen, war einem Fan immer noch 715,05€ wert [3]. Das Muster ist klar: Gerade in die Jahre gekommene Zeitdokumente wie Tourshirts sind in der Szene längst schon Sammlerstücke. Und auch Raritäten wie das „sagenumwobene“ Slayer-Shirt „Hanging Boy“ würde heute wohl niemand mehr anziehen, der um dessen Seltenheitswert weiß.
Wen also das Gefühl beschleicht, die ehrfurchtsvollen Blicke, die er bei Konzerten auf sich zieht, könnten weniger Ihm selbst denn seinem Leibchen gelten, sollte eventuell mal recherchieren, ob er nicht vielleicht schon eine wertvolle Rarität am Körper trägt. Doch selbst wenn sich das Shirt am Ende doch nur als wertloser Fetzen herausstellt, ist das keine Grund, betrübt zu sein: Sein ideeller Wert liegt schließlich ganz im Herzen des Besitzers.
Schöner Artikel. Hat Spass gemacht und trifft es auf den Punkt.