Exklusive Leseprobe der offiziellen Amorphis-Biographie

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26 Jahre lang zählen AMORPHIS nun bereits zu den Exportschlagern Finnischen Metals. Wenn Sänger Tomi Joutsen und seine Mitstreiter nicht gerade um die Welt touren, nehmen sie Alben auf, die ihresgleichen suchen: Zuletzt konnten sie 2015 mit ihrem Meisterwerk „Under The Red Cloud“ weltweit Erfolge feiern und sich auf Metal1.info den „Album des Jahres“-Titel sichern.

Pünktlich zur Tour im März und April erscheint die offiziell authorisierte AMORPHIS-Biographie von Markus Laakso in ihrer deutschen Version über den Verlag Edition Roter Drache. Einen ersten Vorgeschmack gibt es bereits jetzt: Exklusiv auf Metal1.info könnt ihr schon jetzt in einer Leseprobe aus dem Kapitel „Die Aufnahme von Karelian Isthmus“ schmökern. Viel Freude beim Lesen!

 


DIE AUFNAHME VON THE KARELIAN ISTHMUS

aus: „Amorphis – Die offizielle Biographie“ von Markus Laakso

Das Timing von Amorphis war perfekt. Europäische Labels wie Nuclear Blast und Earache verschrieben sich immer stärker dem Death Metal, und auch in den USA wuchs das Interesse. Viele amerikanische Bands ließen sich von europäischen beeinflussen, insbesondere den schwedischen. In Finnland waren Death-Metal-Bands immer noch dünn gesät, aber Relapse hatte das Potential von Amorphis erkannt. Wohl aus diesem Grunde stimmte das Label dem Vorschlag der Band zu, das Debütalbum The Karelian Isthmus (1992) in Tomas Skogsbergs Sunlight-Studio aufzunehmen, der Geburtsstätte von Genreklassikern wie Into The Grave von Grave, Soulside Journey von Darkthrone, Like An Everflowing Stream von Dismember (alle 1991) und den beiden ersten Entombed-Alben. Die jungen Finnen waren hellauf begeistert, denn in ihrer Welt gab es nur zwei Traumstudios: Morrisound in Florida und Sunlight in Stockholm.

„Das war einfach nur wahnsinnig geil, dass eine amerikanische Firma uns die Möglichkeit bot, im Sunlight aufzunehmen. Wir standen voll auf Entombed und die anderen Schwedenbands, und deren Platten waren allesamt da entstanden. Natürlich haben wir das groß gefeiert und reichlich begossen!“, schwärmt Rechberger. Laut Koivusaari war schon allein der Gedanke begeisternd, zumindest einmal im Leben ein komplettes eigenes Album aufnehmen zu können. Nach Schweden ging es auf einem Kreuzfahrtschiff der Viking Line, das seinen Ruf als Partydampfer nicht von ungefähr hatte. Mit von der Partie war Skogsberg-Fan Nalle Österberg, der Amorphis während des Schweden-Aufenthalts Gigs zu verschaffen versuchte – allerdings ohne Erfolg.

„Da kamen auch andere Leute aus Finnland, die gerade zufällig in Schweden waren und für einen Abend vorbeischauten, zum Beispiel Kasper Mårtenson. Brachten immer ’ne finnische Zeitung mit“, erinnert sich Koivusaari. Die Musiker erwarteten einen gewaltigen Studiokomplex mit riesigem Mischpult und teurer Ausrüstung, doch in Wirklichkeit war das weltberühmte Sunlight kaum größer oder edler als Tolkkis TTT. Laut Rechberger hatte Skogsberg ein etwas größeres Pult und ein 24-Spur-Tonbandgerät, dazu eine Auswahl Kompressoren, EQs und Prozessoren. Aufnahme- und

Kontrollraum befanden sich im Keller eines Mehrfamilienhauses; in einer Ecke war ein Stapel Keyboards aufgetürmt. Hinzu kam ein etwas größerer Aufenthaltsraum mit Kochnische, Bar und KISS-Flipper. Es war jedoch alles sauber, ordentlich und im Grunde sehr gemütlich.

„Das Sunlight war nach heutigen Maßstäben ein Demostudio, wirklich nichts Besonderes“, betont Holopainen. „Uns empfing ein phlegmatischer alter Punk, der wahrscheinlich sein Lebtag lang Dope geraucht hatte. Gut drauf und locker. Im Nachhinein analysiert war Skogsberg zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sein persönlicher Sound wurde durch Dismember und Entombed zum Merkmal der Szene. Es war eine Epoche für sich: Skogsberg drückte den Produkten seiner Zeit den Schweden-Stempel auf. Genau diesen Sound wollten wir, und Skogsberg war der Meister.“ Skogsberg rauchte Kette, den Aschenbecher auf dem Mischpult und die gelbe Blend-Schachtel samt Feuerzeug stets in Griffweite. Auch die ganze Band rauchte zu jener Zeit, und das schwarz gestrichene Studio war kontinuierlich von grauen Rauchschwaden durchzogen. Amorphis hatten zwei Wochen für die Aufnahmesessions gebucht, brauchten jedoch nur anderthalb: eine Woche für die Aufnahmen, den Rest zum Mischen. Die Band hätte eigentlich im Studio übernachten sollen, doch Skogsberg war begründeterweise dagegen.

Amorphis - Biographie„Die erste Nacht verbrachten wir im Studio. Natürlich haben wir gesoffen und nebenher Skogsbergs Archiv durcheinandergebracht. Am Morgen merkten wir, dass aus der Dusche nur eiskaltes Wasser kam. Insgesamt ziemlich übel. Wir hauten Relapse um Geld für ’ne Unterkunft an, was auch prompt klappte. In dem Fax an Relapse stand: ‚Please, send us money, we are starwing‘. Snoopy verwechselte v und w und schrieb ‚Schickt uns Geld, wir sind der Sternenflügel‘“, kichert Koivusaari.

Die Plattenfirma schickte das ganze Budget direkt an Skogsberg. Ein Teil war für die Unterbringung vorgesehen. Der Produzent rationierte das Bargeld, wodurch bei der Band ein gewisser Verdacht auf Unterschlagung aufkam. Man mietete schließlich eine Blockhütte im Feriendorf Klubbensborg bei Stockholm, direkt an einem See. Sie war mit Doppelstockbetten, offenem Kamin und einer kleinen Küche ausgestattet. Die Tage vergingen im Studio, die Abende in der Hütte mit Mellanöl – sprich Lightbier, dem einzigen Alkoholgetränk, das in Schweden an Kunden unter 21 verkauft wurde. Unter den Naturtouristen in ihrem Feriendorf fanden die langhaarigen Metaller keine Gleichgesinnten. „Was macht wohl eine Gang wie wir in so einer Hütte? Es war bestimmt noch niemand von uns je so lange von zuhause weg gewesen. Das war ein Abenteuer. Die Lightbierdosen türmten sich zu einem Riesenberg auf. Als wir hinterher in ziemlicher Eile abfuhren, war die Hütte angeblich so dreckig, dass der Betreiber mehrere Hundert Kronen Zusatzgebühr von uns haben wollte. Wir antworteten nur: ‚Come on, von dem Dosenpfand kriegt ihr eure Kosten allemal wieder rein!‘“, grinst Koivusaari.

Snoopy erinnert sich, dass das Bier so dünn war, dass allabendlich rund zwanzig Dosen pro Mann draufgingen. Das Leergut wurde in den offenen Kamin geschmissen, von dem hinterher nicht mehr viel zu sehen war. „Es war nervig, dass man von dem Light-Zeugs so tierisch viel saufen musste. Ständig musstest du aufs Klo und warst nach Dutzenden von Dosen immer noch nicht blau. Das Gute an der Sache war, dass wir im Studio immer schon vormittags fit waren.“

Da das schmale Budget für Dünnbier draufging, fuhren die Musiker die Strecke zwischen Unterkunft und Studio schwarz. Während der dreiviertelstündigen U-Bahnfahrt mussten sie sich vor Kontrolleuren hüten und gelegentlich die Flucht ergreifen, aber selbst dieser zusätzliche Stress trat der Stimmung keinen Abbruch. Die Band war froh, Studio und Reisekosten bezahlt zu bekommen, und rechnete ohnehin nicht mit Reichtum oder Starruhm. Es reichte, dass etwas Großes im Gange zu sein schien. Snoopy hatte sein Schlagzeug daheim gelassen und nur vier Paar Trommelstöcke dabei, davon zwei mit dreieckigem Querschnitt. Normale runde Sticks waren im Laden gerade ausverkauft gewesen, also beschloss er, ein paar Songs mit eckigen zu spielen. Für größere Bestürzung sorgte das Schlagzeug im Studio: Skogsberg hatte nur ein E-Drumkit da, das Nicke Andersson von Entombed gehörte.

„Das war ziemlich merkwürdig“, kommentiert Snoopy. „Wir hatten schon Gerüchte gehört, dass Entombed auf ihren Alben E-Drums verwendeten. Ich fragte Skogsberg, wo die Drums sind. ‚Da drüben.‘ Da stand dieses olle Gerät, Marke Ddrum, mit L-förmigen Metallpfosten als Bassdrum-Ersatz. Tonnenschwer die Dinger, wenn das Pedal einmal am Pfosten befestigt war, bewegte es sich kein Stück mehr. Die beiden Pfosten hatten jeweils ihr eigenes Pedal. Snare und Becken waren echt, aber Bassdrum und Toms waren elektrisch. Die Sounds kamen aus irgendeinem Modul. Ich weiß bis heute nicht, wie zum Teufel er auf das Gerät kam. War damit wohl einfacher, die Bassdrums sauber aufzunehmen. Mit heutigen E-Drums kannst du schon einiges mehr anfangen, wenn sie dir nicht zu peinlich sind. Aber okay, das Kit von Skogsberg klang hinterher auch ganz annehmbar.“

Skogsberg berichtet, dass er die geliehenen E-Drums schlicht deshalb verwendete, weil er nicht genug Geld hatte, um sein Studio mit einem guten akustischen Drumkit zu bestücken. Die Gründe waren nicht aufnahmetechnisch, sondern rein finanziell. „Skogsberg sagte, dass er auch seine bisherigen Alben damit aufgenommen hatte. Wenn es den Schweden gut genug war, reichte es mir allemal. War seltsam, auf einem Kit zu spielen, das sich so völlig anders anfühlte. Für Gelächter war damit natürlich gesorgt, aber damals haben wir eh alles durch den Kakao gezogen. Die anderen lästerten fleißig, ‚haha, krasser Scheiß, guckt euch die Pötte an!‘. Aber was soll’s, wir nahmen die Songs auf und damit hatte sich’s.“ Oppu bestätigt, dass die E-Drums ihren Zweck erfüllten und als Lösung taugten, obwohl Snoopy selbst am klassischen Schlagzeug noch nicht viel Erfahrung hatte. Schließlich hatte er jahrelang nur gesungen und Gitarre gespielt und war erst mit der Gründung von Amorphis zum Drummer geworden.

„Ich weiß nicht, ob ich das verraten soll, aber die Snare-Blastbeats wurden mit einem Drumcomputer aufgenommen, dessen Pad mit den Fingern getrommelt wurde. Das hing mit der Mischtechnik zusammen und nicht damit, dass Snoopy das nicht hätte spielen können. Der Grund war, dass die Trigger der E-Drums diese Beats nicht voll registrierten. Irgendein Velocity-Problem zwischen Modul und Triggern, darum mussten wir das dann so machen“, entsinnt sich Oppu.

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