BLECH Folge 42: Wird Metal immer dümmer!?

Mit Fatalismus ins neue Jahr starten? Können wir! Wir haben uns für diese BLECH-Folge nochmal dem gegenwärtigen Stand der Metal-Musiklandschaft gewidmet – und schütteln unsere Köpfe schneller, als wir headbangen können. Wie kann es denn angehen, dass der schlimmste Metal-Stumpfsinn die großen Hallen füllt und die Hörer*innenzahlen anführen? Und ist das überhaupt eine neue Beobachtung oder werden wir einfach nur alt?

Es bleibt wohl niemandem verborgen, dass Musikhören und Konzertbesuche heute anders laufen als noch vor 20 Jahren. Bombast, glattgebügelte Produktionen und nicht zuletzt die wahnwitzigsten Gimmicks sind uns dabei besonders aufgefallen. Von Space-Fantasy, sexy Nonnen, saufenden Piraten, buddelnden Zwergen und leidenden Weltkriegssoldaten wird nach und nach jedes nerdige Sujet im Metal abgearbeitet. Limitiert das nicht zwangsläufig jedes musikalische Schaffen? Und müssen Songs im Laufe einer Bandkarriere immer vorhersehbarer werden, damit jeder Dulli sie bei drei Promille noch mitgrölen kann?

Beim Blick zurück versuchen wir ehrlich zu uns zu sein: So richtig schlau war Metal zumindest textlich oft nicht. Weder brutaler, technischer Death Metal noch schwanzgesteuerter 80er Glam Metal glänzte mit geistreichen Ergüssen. Aber musikalisch war da doch mehr dran, weniger kalkuliert, oder? Wenn wir uns da mal nicht in allzu verengten Metal-Begriffen verrennen!

Stumpfsinn hat natürlich viele Facetten: Es können Texte und lyrische Themen sein, die Martina mit der „Tropifizierung“ von Literatur in Verbindung bringt. Oft sind es aber Songstrukturen – wie Justus analysiert – und nicht zuletzt überbordende Showelemente, die bloß keinen Interpretationsspielraum mehr bieten sollen. Ironische Distanz ist halt ein ganz bequemer Schutzpanzer. Aber Leute, das kann’s doch nicht gewesen sein!?

Disclaimer: Uns ist bewusst, dass „dumm“ ein schwieriger, potenziell ableistischer Begriff ist, der zu menschenfeindlichen Abwertungen führen kann. Deswegen versuchen wir hier, möglichst vorsichtig damit umzugehen.

Shownotes:

Rant über “Dumb Power Metal” bei The MetalPidgeon

Warum der Begriff “dumm” schwierig ist

Netflix und “Casual Viewing”

Tropeification auf dem Buchmarkt

Erfundene Genres im Spotify Wrapped

Longread zu allem, was bei Spotify schiefläuft + der 15-Sekunden-Regel


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5 Kommentare zu “BLECH Folge 42: Wird Metal immer dümmer!?

  1. Ja geil! Endlich eine Folge, an der ich fast nichts auszusetzen habe!

    Zwei Sachen dennoch, die kleinere zuerst: Eure Beschreibung moderner Produktionen hat mich irritiert. Ich höre viel modernes Zeug und schätze gerade heutige „cleane“ Produktionen dafür, dass man einzelne Sachen viel besser heraushören kann als etwa bei den alten Ballerplatten von Amon Amarth. Ihr meint damit vermutlich spezifisch Kram wie wenn Doro & Sammy Amara von den Broilers gemeinsam einen Mitsing-Song veröffentlichen, bei denen die Stimmen alles andere wegdrücken? Kinship von Iotunn etwa ist modern produziert und klingt viel transparenter als so ziemlich alles, was es in den 90ern gab.

    Dann habe ich mich nur noch ein wenig an der Gleichsetzung des gesamten Internets mit den derzeit dominanten kommerziellen Diensten wie Spotify & YouTube gestoßen. Da gibt es so viel mehr, nennen wir nur etwa Bandcamp – dass solche alternativen Plattformen eine so untergeordnete Rolle spielen, ist m.M.n. der eigentliche Skandal der letzten zehn Jahre Online-Musikbusiness.
    Denn mit eurer grundsätzlichen Beobachtung gehe ich vollkommen mit. Das Problem ist die Optimierung auf die Algorithmen marktbeherrschender Plattformen hin, ohne die man glaubt, von Umsatz abgeschnitten zu sein. Dabei gerät vielfach das unter die Räder, was Musik zu Kunst macht. So ist sie halt nur „Content“, der „konsumiert“ werden möchte, und am besten genau so schnell wieder vergessen wird, damit bald wieder das Bedürfnis nach Neuem entsteht – Werke, die einen lange beschäftigen, passen nicht in diese Gleichung.

    Ich glaube außerdem, dass die immer spitzeren Subgenres & Gimmicks zumindest teilweise ebenfalls Ausfluss der Algorithmisierung unseres Medienkonsums ist. Niemand nimmt „Zwergenmetal“ als Genre ernst, aber innerhalb solcher enger Grenzen hat man als Band vermutlich bessere Chancen, Hörenden automatisch vorgeschlagen und damit entdeckt zu werden. So plant vielleicht niemand bewusst, der Erfolg gibt der Methode Gimmick dann aber Recht, so dass sich Nachahmende finden.

    Cheers!

    1. Jau, vielen Dank! Und klar, es gibt so viel guten zeitgenössischen Kram auch ohne völlig glattgebügelten Kram, das steht außer Frage. Nur die wirklich großen Sachen sind da in unseren Augen & Ohren eben auffällig gleichförmig produziert. Oft ist sehr wenig davon zu hören, was die Gitarren eigentlich machen, Hauptsache Schlagzeug, vielleicht noch eine Keyboard-Hookline und Vocals, Vocals, Vocals. Gitarren verkommen zu einem hintergründigen Teppich, mal laienhaft gesprochen.

      Für die Sache mit dem Internet respektive den Streaming-Diensten als verantwortlichem Medium dafür: Auch hier gilt das eben für die wirklich großen Acts und Spotify & Co. als Gradmesser. Dass im diversifizierten Underground und auch im Mittelklasse-Metal (jetzt nur von Hörenden-/Konzertbesucher:innen-Zahlen gesprochen) weiterhin jede Menge Perlen zu finden sind und die wesentlich mehr Gehör verdienen als algorithmisch gesteuerter Massengeschmack, da gehen wir ja vollkommen mit. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Bandcamp-Unterstützer:innen relevante KPIs für Bands sind, um auf großen Festivals gebucht zu werden.

  2. Die kulturwissenschaftliche/literarische Einordnung war ganz interessant, aber etwas offensichtlicher ist ja, dass all diese Bands als strategisch im Markt platzierte Produkte funktionieren sollen. Also ein noch nicht besetztes Gimmick, genau die knallige Produktion, an die das Zielpublikum schon gewöhnt ist, sexy Musiker/-innen und/oder mysteriöse Masken (erleichtert später auch den Austausch unbequem gewordener Lohn-Mucker) und natürlich Synergien zu bereits etablierten Marken nutzen: Wind Rose zusammen mit Alestorm und Rumahoy auf Tour schicken, Songs- und Video-Collabs klarmachen (z.B. Feuerschwanz x Lord of the Lust, Dominum x Feuerschwanz) und hier und da als Klick-Köder ein Pop-Cover, das den schwer zugänglichen Metal komplett aus der Gleichung raus nimmt: Dragostea Din Tei von (sorry, schon wieder:) Feuerschwanz, Das rote Pferd von Nanowar of Steel, Hypa Hypa von Saltation Mortis vs Eskimo Callboy usw. usf. Napalm Records hat das Business mittlerweile perfektioniert.

    Steile These: das ist genau das Marktsegment, das kurzfristig von KI profitieren wird (noch schneller neue Produkte in den Markt scheißen) und dann hoffentlich langsam implodiert.

    Um noch eine positive Note zu setzen: Ballermannstimmung und niedrigschwellige Events (von Gatekeeping hab ich im Powerwolf-Umfeld jedenfalls noch nicht gehört) bringen sicher auch frisches Blut in die Szene und langfristig wird der/die eine oder andere auch die musikalischen Vorbilder der Event-Bands für sich entdecken. Wir haben ja alle mal irgendwie angefangen, nech.

    Gute Folge jedenfalls, hat wieder Spaß gemacht!

    LG
    @s(t)umpfsuppe

    1. Sehr schön weitergesponnen, vielen Dank! Ja, auf die Implosion des Ganzen (und weiter Teile des gesamten Internets!) ist mittlerweile wirklich zu hoffen. Und deine hoffnungsvolle Einschätzung möchten wir natürlich dennoch auch gern teilen!

  3. Das ist das Klügste, was ich je über Stumpfsinn gehört hab! Ich hatte einen rant erwartet und stattdessen einen spannenden Gedankenstreifzug durch Wirtschaftspsychologie, Philosophie und Musikgeschichte gekriegt. Ein Genuss diese Folge! Danke auch für die links in den shownotes :)

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