Greif Artwork

Review Zeal & Ardor – Greif

Manuel Gagneux ist immer für eine Überraschung gut: So wartet „Greif“, das inzwischen fünfte („Live In London“ mal mitgezählt) ZEAL-&-ARDOR-Album, mit einigen musikalischen Veränderungen im Vergleich zu den Vorgängern auf, ohne dass das musikalische Konzept komplett neu erfunden werden soll. Eine schwierige Gradwanderung, die Fans kosten, aber auch neue Zielgruppen erschließen kann.

Ganz allgemein gesprochen sind die Grundzutaten auf Releases von ZEAL & ARDOR Metal und Black Music (beides in unterschiedlichsten Darreichungsformen). Dass sich Gagneux über die Jahre hinweg auch immer häufiger bei anderen, oftmals auch zugänglicheren (und damit kommerzielleren) Genres musikalisch bedient hat, hat sicherlich auch schon in der Vergangenheit zu einer gewissen Fan-Fluktuation geführt. „Greif“ ist allerdings, soviel sei schon einmal verraten, das stilistisch vielfältigste, aber auch ruhigste Werk des schweizerisch-amerikanischen Multiinstrumentalisten.

Die Black-Metal-Elemente wurden weiter zurückgefahren (am prominentesten noch in „Fend You Off“, „Hide In Shade“ und „Are You The Only One Now?“ vertreten), Call-and-Response-Gesang im Stil amerikanischer Worker- oder Gospel-Songs ebenfalls (noch in „Go Home My Friend“ und ebenfalls „Hide In Shade“ im Fokus). Elektronische Elemente und Synthesizer sind dafür spürbar präsenter – mal als tragendes Melodieelement wie „The Bird, The Lion And The Wildkin“, mal als „Noise-Generatoren“ wie im weirden Industrial-Live-Club-Banger „Clawing Out“. Dabei machen 14 Songs in 42 Minuten „Greif“ zu einer angenehm kompakten und kurzweiligen Angelegenheit.

Apropos Live und Club: „ZEAL & ARDOR geben sich extrem groovy und bieten mit „Hide In Shade“, „Clawing Out“ und „Thrill“ coole Abgeh-Nummern, die auf der Bühne sicher gut funktionieren. Ebenfalls zum Mitbewegen animieren die Midtempo-Groover „Kilonova“ (mit Sprechgesang, latentem Discovibe auf eine morbide Art funky), „Disease“ (könnte fast von Lenny Kravitz sein und ist durchaus radiokompatibel) und „Sugarcoat“. Die erste balladeske Hälfte von „Are You The Only One Now?“ hat Mitsingqualitäten – man kann die Feuerzeuge (bzw. Handylampen) im Publikum genauso vor dem inneren Auge sehen, wie den Flügel im Rampenlicht, an dem Gagneux „Solace“ (leichte Portishead-Reminiszenzen) spielt und singt.

Stimmlich hat sich der Gitarrist und Sänger ein weiteres Mal spürbar gesteigert und liefert souverän in allen Bereichen ab – was in Anbetracht der gesangsstilistischen Bandbreite mehr als bemerkenswert ist. Erstmalig in der Geschichte von ZEAL & ARDOR hat die Band das Album gemeinsam im Studio aufgenommen. Die runde, knackige und transparente Produktion macht ebenfalls Laune, kommt aber (wohl auch aufgrund der hohen Varianz der Songs) nicht zu aggressiv daher. Die beiden elektronischen Interludes „Une Ville Vide“ und „369“ (letzteres immerhin noch mit coolen Call-And-Response-Vocals) wären allerdings verzichtbar gewesen.

Viele Black-Metal-Fans haben sich mit ZEAL & ARDOR eh schon schwer getan und es ist absehbar, dass „Greif“ das nicht besser machen wird. Dass Gagneux und seine Mitstreiter auf ihrem neuen Album durchaus radiokompatible und damit sehr poppige Songs (die aber auch allesamt extrem gut geschrieben, arrangiert und eingespielt sind) bieten, könnte weitere Haupthaarschüttler*innen verstören – bringt aber sicherlich auch neue Fans, die Metalbands normalerweise eher schwer erreichen. Wenn man sich darauf einlässt und das Album eher wie eine musikalische Wundertüte à la Faith No More betrachtet, hat man es mit einer äußerst abwechslungsreichen und kurzweiligen Dreiviertelstunde zu tun – offene Ohren vorausgesetzt.

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Wertung: 9 / 10

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