Überhaupt nochmal ein neues Album von YES zu hören zu bekommen, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet und auch ein großer Teil der restlichen Fans wohl nur begrenzt. Also, sagen wir, die wenigen Fans, die die Band vielleicht in den 80ern oder bestenfalls 70ern noch erlebt haben, bevor sie in mannigfaltige Projekte zerfallen ist und die paar Nasen, die die alten Alben wie „Close To The Edge“, „Fragile“ oder „The Yes Album“ aufgrund ihres legendären Rufs zufällig mal angehört haben und die Band deshalb vergöttern. Zu letzteren zähle auch ich mich.
Nun ist es ja aber so, dass das letzte allgemein als unumgänglich bewertete Album der Briten dieses Jahr auch schon seinen 37. Geburtstag feiert. Als Späteinsteiger habe ich das Pech (oder Glück?), mich mit späteren Aufnahmen auch nicht mehr beschäftigt zu haben, da diese überwiegend doch einen sehr zweifelhaften Ruf genießen, Stichproben haben diesen eher bestätigt als widerlegt. Insofern möchte ich mich bezüglich des Philosophierens, was die Besetzung angeht, auch auf folgende Aussage beschränken: Statt den klassischen Mitgliedern Jon Anderson und Rick Wakeman, mit welchen eine Zusammenarbeit vermutlich nicht mehr zustande kommen wird, hört man auf diesem Album mit David Benoît den Mann, der Anderson seit Jahren am Mikrofon vertritt und Geoff Downes, seines Zeichens Keyboarder von Asia. Downes und Produzent Horn waren auch schonmal Teil von YES und spielten das Album „Drama“ ein. So weit so gut.
Wie ich oben schon angedeutet habe, ist das Hauptmerkmal, das „Fly From Here“ für mich auszeichnet, der Umstand, dass die komplette Belegschaft, mit Ausnahme des Sängers vielleicht, durchaus schon einige Jahre auf dem Buckel hat – und das hört man auch. Vergleichbar vielleicht mit John Wettons aktuellem Release „Raised In Captivity“: Die Musik wirkt sehr gesetzt, entspannt, eine Tasse Tee nach Feierabend. Auch das Wort „unspekaktulär“ ist in Reichweite, aber so weit will man bei der Opener-Suite „Fly From Here“, die von Downes & Horn komplett vor 30 Jahren als The Buggles geschrieben und jetzt als YES recyclet wurde, noch gar nicht gehen. Wie Untertitel wie „Sad Night At The Airfield“ suggerieren, ist das hier ein von federleichten Melodien getragener Longtrack, der wie ein schwermütiges Sinnieren übers Fliegen anmutet. Nicht aufregend, aber die erzeugte Atmosphäre erweist sich doch als beachtlich dicht (mit Ausnahme des arg auf abgedreht getrimmten „Bumpy Ride“) und die Verknüpfung der Themen erstaunlich flüssig. Hier spielen auch die wie immer schönen Gesangs-Arrangements eine Rolle, bei der vor allem Chris Squire häufig zu glänzen vermag.
Problematisch wird es dann aber auf der zweiten Hälfte des Albums. Wie es eigentlich immer der Fall ist bei halb-Konzept-Alben wie diesem, wirken die Songs, die auf den Longtrack folgen, sehr beliebig zusammengewürfelt. Auch weiß man nicht so recht, was genau mit Nummern wie „The Man You Always Wanted Me To Be“ eigentlich ausgesagt werden soll. Zwischen kitschigen Keyboards und unmotivierten Gitarren- und Gesangslinien fragt man sich früh, ob man jetzt auf einem reinen Pop-Album gelandet ist. Irgendwie ist das aber so, durch Trevor Horns Produktion glattgebügelt, präsentieren YES hier Musik, die nicht ansatzweise Ecken und Kanten, leider aber ersatzweise auch keine großen Melodien hat, um das auszubügeln.
Restlos überzeugen kann „Fly From Here“ insgesamt nicht, so gefällig sich die Suite auch anlässt, der Rest des Albums lässt regelmäßig die Frage aufkeimen, ob man nach einem Jahrzehnt Pause genau mit so etwas zurückkommen muss. Natürlich ist es auch irgendwo logisch, dass YES nicht mehr den abgehobenen, komplexen Progressive Rock der 70er machen, aber ein bisschen mehr Ambition hätte es dann doch sein dürfen. Musikalisch ist natürlich alles im Rahmen, die schon erwähnten Gesangs-Arrangements sind immer noch ein Markenzeichen der Truppe und Benoît David ist, jedenfalls für die Musik auf diesem Album, vermutlich sogar der passendere Sänger als Jon Anderson. Auch Steve Howe kann spätestens auf seinem Solostück „Solitaire“ zeigen, dass noch einiges in ihm steckt. Technisch gesehen ist das alles sehr gut umgesetzt, nur das, was umgesetzt wird, ist zumeist wirklich nicht spannend genug. Man kann „Fly From Here“ durchaus anhören, aber man sollte sich vorher gut informieren, was einen hier erwartet und dann selbst entscheiden, ob das das ist, was man von YES will.
Wertung: 7 / 10