Während YEAR OF NO LIGHT 2013 mit dem Soundtrack „Vampyr“ und ihrem dritten Studioalbum „Tocsin“ gleich zwei Alben veröffentlicht haben, gelang es den Franzosen in der darauffolgenden Zeit nicht einmal ansatzweise, diese Veröffentlichungsdichte durchzuhalten, im Gegenteil: YEAR OF NO LIGHT verschwanden danach jahrelang komplett von der Bildfläche und die Post-Metal-Szene verlor eine der packendsten Bands. Zumindest bis 2021, dem Jahr, in dem die Band ihr zwanzigjähriges Bestehen feiert. Mit der starken Vorabsingle „Réalgar“ brachen die Franzosen endlich ihr Schweigen und kündigten mit „Consolamentum“ ihr Comebackalbum an. Damit stehen sie vor einer schwierigen Herausforderung: Nicht nur, dass es ihren Bandnamen wieder in die Köpfe der Post-Metal-Hörer zurückzuholen gilt, sondern gleichermaßen muss es YEAR OF NO LIGHT gelingen, neben den starken Veröffentlichungen ihrer Genre-Kollegen Dirge, Cult Of Luna und Amenra bestehen zu können.
Der Opener „Objuration“ zeigt eindrucksvoll, warum die Band in den letzten Jahren schmerzlich vermisst wurde: YEAR OF NO LIGHT reißen ihre eigene aufgebaute Songstruktur so brutal nieder, dass ein Wort wie Klimax die zweite Hälfte des Tracks nur ansatzweise beschreibt. Wie viel mehr die Franzosen können, zeigen sie im darauffolgenden Track „Alétheia“, dessen Temperament kaum weiter vom Opener entfernt sein könnte. YEAR OF NO LIGHT legen eine Tonspur auf die nächste, die Atmosphäre verdichtet sich immer weiter und die Gänsehaut wächst und wächst – bis „Alétheia“ nach fünf Minuten zum Nackenbrecher wird. Wie genial und innovativ instrumentaler Metal im Allgemeinen und Post-Metal im Speziellen sein kann, belegen YEAR OF NO LIGHT alleine mit diesem Song.
Obwohl die Franzosen auch mit dem nachfolgenden Track „Interdix Aux Vivant, Aux Morts Et Aux Chiens“ das Genre nicht neu erfinden, sondern erneut auf die üblicherweise im Vordergrund stehenden Bestandteile Drums, Gitarre und Electronica zurückgreifen, ist auch dieser Song kein Abziehbild der vorher genannten Tracks. Zu eigenständig und ungeahnt verspielt grenzt sich dieses Lied von den ersten 20 Minuten von „Consolamentum“ ab. Am erstaunlichsten ist dabei, dass YEAR OF NO LIGHT nicht einfach nur hervorragende Songs schreiben, sondern die Kunst beherrschen, einen knapp 13 Minuten langen Track in keiner Sekunde vorhersehbar, langatmig oder unspannend zu gestalten. Auch die letzten beiden Songs, „Réalgar“ und „Came“, geben keinen Einlass, um von dieser Meinung abzuweichen, und das, obwohl die Singleauskopplung, das geradlinige und schnörkellose „Réalgar“, ein Outro von über drei Minuten hat. Mit „Came“ schließen YEAR OF NO LIGHT ein Album mit ungeahnten Wendungen ab, was die sechs Herren mit dem vergleichsweise harten Schnitt in dem Song nochmals untermauern. Auch wenn die Band auf „Consolamentum“ nicht mit ihren bandeigenen Trademarks bricht, machen sie etwas anders; sonst lässt es sich nicht erklären, warum dieses Album weitaus stärker und schneller zündet als der Vorgänger „Tocsin“.
Es ist unnötig zu sagen, dass Fans der Band und des Genres „Consolamentum“ unbedingt im heimischen Plattenregal stehen haben müssen. Dieses Album ist so mächtig in seiner Substanz und Produktion, dass es die Benchmark für kommende Veröffentlichungen von Genrekollegen ist, aber auch YEAR OF NO LIGHT selbst vor die Herausforderung stellt, diesen Volltreffer wiederholen zu können. Ein grandioser Einstand bei ihrem neuen Label Pelagic Records, das neben der neuen Platte außerdem ein auf 600 Kopien begrenztes Wooden-LP-Boxset namens „Mnemophobia“ mit allen vorherigen Alben veröffentlicht.
Wertung: 9 / 10