Scott Conner war einmal ganz oben. In der Gunst des Black Metal-Undergrounds jedenfalls, der die Werke seines Ein-Mann-Projektes XASTHUR hochhielt und sie als Meilensteine des Sub-Subgenres mit dem bizarren Namen „Depressive Suicidal Black Metal“ ausgab. Die Brumm-Avantgardisten von Sunn o))) holten Conner, der damals noch als „Malefic“ auftrat, auf Alben und Bühnen, kluge Fernsehjournalisten verewigten den Amerikaner in dem immer noch sehenswerten Film „One Man Metal“. Die Wirkung, die Conner darin auf den Zuschauer ausübt, speiste ihre Faszination vor allem aus der so authentischen wie unglaublich irritierenden Aura von Einsamkeit, die der Protagonist ausstrahlte. Dann beerdigte Conner XASTHUR und den Black Metal, verschwand, kehrte zurück, spielte nur noch Akustik-Skizzen, irrlichterte irgendwo zwischen Hinterköpfen und Schlagschatten von Straßenlaternen.
Glaubt man der Erzählung von Label und Musiker, so verbrachte Conner eine nicht geringe Zeit dieser Jahre auf der Straße, die Eindrücke und sein eigenes Elend schnell und stetig musikalisch festhaltend. Zum nunmehr dritten Mal innerhalb eines relativ kurzen Zeitramens wird so ein musikalisches Roadmovie nun unter die Hörer gebracht und es ist keine Überraschung, was auf der Platte zu finden ist: Es ist ein Elend.
Denn die Dreistigkeit, mit der hier Geld aus Klickzahlen und physischen Verkäufen generiert werden soll, ist in ihrer schulterzuckenden Erbärmlichkeit kaum auszuhalten. War schon der Vorgänger „Inevitably Dark“ eine freche Zusammenstellung von miteinander kaum kommunizierenden Musik-Fetzen, dilettantischen Recording-Experimenten und nicht vorhandenem Gesang – in einer Luxus-Edition mit Artbook veröffentlicht! – so gehen die „Disharmonic Variations“ einen Schritt weiter und doch gleichzeitig zurück. Zurück, weil die Tracks des Albums nicht mehr ganz so vollständig willkürlich aneinandergereiht erscheinen und sich sogar so etwas wie einem durchgängigen Genre unterordnen könnten, mit viel Güte seitens des Hörers. Weiter, weil die „Variationen“ tatsächlich solche sind: Unendlich langweilige Wiederholungen der immer gleich schiefen 12-Saiter-Gitarre, „Ambient“-Klängen aus dem Super Nintendo und einem Drum-Computer, der klingt, als hätte ein Maschinenbaustudent im ersten Semester eine Mülltonne mit einem Eierkarton quergeschaltet. Und das sollen wir dann 45 Minuten lang ertragen. Dafür gibt es auch wieder ein Artbook.
Das Spiel mit vermeintlicher oder echter Not ist dabei nach wie vor geschmacklos, das Spiel mit dem sauer ersparten Geld der Hörer ist es erst recht. „Disharmonic Variations“ sind die klanggewordene Rechtfertigung einer monatlichen Streaming-Pauschale, bei der es nicht wehtut, wenn man auch mal ein wenig Schrott hört. Warum das zum dritten Mal in Folge passieren muss, sei dahingestellt. Die Irritation und das Neue sind schon längst einer profunden Langeweile gewichen. Deshalb ist es auch müßig, einzelne Songtitel zu nennen. Irgendwas mit „Mirrors“ eben, und in diesen Spiegeln bricht sich die Einfallslosigkeit tausendfach.
Das Label – das aus unerfindlichen Gründen immer noch Musik von XASTHUR veröffentlicht – mag in der Pressemitteilung davon schwadronieren, dass die wahre künstlerische Errungenschaft von Scott Conner es sei, dass ihm alle Erwartungen und alle Hörer egal seien. Genauso ist es, mag man ihm zurückgeben, du bist uns auch herzlich egal. Musikalisch etwas zu sagen haben XASTHUR jedenfalls nichts mehr.
Wertung: 1 / 10