Item: Woodkid
Rating: 9
Author: Christina Maier

2011 ging ein Raunen durch die Menge der Medieninteressierten und -schaffenden. Plötzlich tauchte da ein Musikvideo auf, das nicht nur musikalisch, sondern auch visuell den Nerv seiner Zeit traf. Wunderschöne Charakterportraits und Zeitlupenaufnahmen in schwarz-weiß, atmosphärisch in einem Studio in Szene gesetzt, bilden den Rahmen für einen Sound, der schwerer zu beschreiben nicht sein könnte. Einerseits beruhigend und atmosphärisch, andererseits durch Trommeln, Streicher und Blechbläser kraftvoll und treibend, ist WOODKIDs erste Single „Iron“ der fulminante Auftakt einer vielversprechenden Musik-Karriere.

Eigentlich ist es unmöglich, WOODKID ohne seine visuelle Arbeit zu bewerten. Denn der junge Franzose namens Yoann Lemoine ist nicht nur Singer-Songwriter mit wohltuend-milder Stimme, sondern auch Grafik-Designer und vor allem erfolgreicher Musikvideo-Regisseur. Und dies eben auch für seine eigene Musik. Dass Ton und Bild aus einem Guss kommen, ist kaum zu übersehen. In den mittlerweile drei zusammenhängenden Videos zu seinen jeweiligen Singles „Iron“, „Run Boy Run“ und „I Love You“ sehen wir majestätische Berglandschaften, wilde Zottelmonster, edle Pferde, faszinierend-androgyn anmutende Menschen und vieles mehr, dessen Kraft und Schönheit wir in diesen betörend-schönen, ruhigen Aufnahmen zu sehen bekommen – passend zu den Attributen der Musik.

Erst Ende 2012, als WOODKID bekanntgab, an einem Album zu arbeiten, wurde dann auch die Allgemeinheit auf den Künstler aufmerksam. Seine dritte Single „I Love You“ landete in Deutschland in den Top100, und wenig später entdeckte ein Mobilfunk-Unternehmen „Run Boy Run“ für seine neue Werbekampagne, woraufhin auch dieser Song nachträglich seinen Weg in die Charts fand. Woodkid ist also definitiv kein Unbekannter mehr. Auf seinem Debut-Album „The Golden Age“ finden sich nun neben dem Titeltrack auch alle drei Singles wieder, sowie zehn weitere stiltreue Songs, die mit jeweils um die vier Minuten Spiellänge angenehm über dem Standard liegen. Nur „Falling“, ein düsteres, dissonantes Instrumentalstück, dauert nicht mal eine Minute. Auch wenn die drei Singles die klaren Höhepunkte des Albums sind, wissen die restlichen Lieder ebenfalls zu überzeugen. Sie sind etwas „balladiger“ und melancholischer gehalten, und wer durchgehend mitreißend-treibende Stücke wie „Run Boy Run“ erwartet, wird eher enttäuscht. Dafür bietet die gesamte CD opulente, in kein Genre pressbare Singer-Songwriter-Musik, die einfach diesen einen Funken außerhalb der Norm liegt, um für die Allgemeinheit hörbar und trotzdem gerade für anspruchsvolle, aufmerksame Ohren interessant und spannend zu sein. Die außergewöhnliche Instrumentierung und die poetischen, an Rainer Maria Rilke angelehnten Lyrics, die sich thematisch durch den Sturm und Drang der Gefühle und die Suche nach der eigenen Identität bewegen, tragen ebenfalls dazu bei. So werden auch Songs wie „Ghost Lights“ und „Conquest of Spaces“ zu Dauerbrennern mit Kino im Kopf. Auch ganz ohne dazugehöriges Video.

Er ist ein Multitalent, ein Poet und Visionär, dieser Yoann Lemoine, und ein zutiefst sympathischer dazu. „The Golden Age“ ist ein tolles Erstlingswerk, und sich auch als Musiker zu versuchen war definitiv die richtige Entscheidung. Eine Anspiel-Empfehlung für jeden, der sich von vielseitigen Talenten begeistern lässt, und erst recht eine Kaufempfehlung für die, die sie unterstützen wollen.