Review Winterhorde – Maestro

(Extreme Metal / Progressive Metal / Symphonic Black Metal) Wenn die Bands aus den üblichen Metal-lastigen Ländern überwiegend nichts wirklich Neues mehr zu Stande bringen, dann lohnt sich – wie so oft – ein Blick über die Grenzen hinaus. Denn dort verbergen sich oft unheimlich spannende, interessante und kreative Werke, die sonst wohl unbemerkt untergehen würden. WINTERHORDE aus Israel haben nun mit „Maestro“ ein solches Album veröffentlicht. Es ist die inzwischen dritte Platte der seit 2001 existierenden Band.

Den Stil zu beschreiben fällt da bereits gar nicht so leicht. „Maestro“ ist ein wahnsinnig vielseitiges Album, das sich mal hier, mal dort bestimmte Elemente aus diversen Metalsubgenres borgt und diese zu stimmigen Musikstücken vermengt. Dabei wohnt der Musik stets etwas Theatralisches inne. Konsequent also, dass die Band ihr Album zu tosendem Beifall und der Ankündigung eines Ansagers beginnt, bevor „Antipath“ nach kurzer Streichereinleitung mit einem sich direkt im Gehörgang festsetzenden Riff loslegen darf. Der Song erklärt unmissverständlich, wohin die Reise mit „Maestro“ gehen soll: Da mischen sich fiese Black-Metal-Klänge mit hierzulande zwar gewöhnungsbedürftigen, aber gerade dadurch unverbrauchten Harmonien und gelungenen Clean-Gesängen. Vom hochatmosphärischen, orchestral verstärkten Blastbeat-Teil zum ruhigen Streicherinterludium mit Akustikgitarren ist alles dabei. Der Vergleich mit anderen Bands fällt daher schwer. WINTERHORDE bewegen sich mit ihren zahlreichen Stilmitteln irgendwo zwischen Dimmu Borgir, Orphaned Land und Arcturus, klingen aber zu keinem Zeitpunkt wie eine Kopie einer dieser Bands. Sie bringen es erfreulicherweise fertig, ihren eigenen charakteristischen unverwechselbaren Klang zu synthetisieren.
Die Platte macht nicht zuletzt wegen der unzähligen Einfälle riesigen Spaß. Ob Violinen, Klavier, Bläser, Kirchenchöre, vielseitig eingesetzter Frauengesang oder Saxophon: Die Band zieht hier alle Register und gibt sich allergrößte Mühe, dass es zu keinem Zeitpunkt langweilig oder repetitiv wird. Gerade in ihren gefühlvollen, ruhigen Passagen wie in der Hymne „They Came With Eyes Of Fire“, im ansonsten furiosen „Chronic Death“ oder im symphonischen Doom-Stück „Cold“ zeigt die Band ihr Gespür für Musik, die einen sofort von überall abholt und ohne zu fragen in wundervolle Klangwelten entführt. Im meisterlichen „Dancing In Flames“ überreden sie den Zuhörer mit einem stimmig integrierten Walzer – und damit ist wirklich Walzer gemeint, nicht nur ein 3/4-Takt – zum Tanz. Mit „Heart Of Coryphee“ beweisen WINTERHORDE zudem, dass sie auch opulentere, ausschweifende Werke von mehr als zehn Minuten im Schlaf beherrschen. Das Ende dieses Stückes, bei dem über einen geradlinigen, mit Doublebass unterlegten Black-Metal-Teil eine Frauenstimme eine zum Dahinschmelzen schöne Melodie singt, ist vielleicht einer der besten musikalischen Momente des Jahres.

Mit „Maestro“ ist WINTERHORDE ein wunderschönes, vor kreativen Ideen sprudelndes, erfrischend eigenständig klingendes Album gelungen, das unbedingt Aufmerksamkeit verdient. Auch wenn die vielen „Guck-mal-hier-guck-mal-da“-Momente nicht in jedem Stück wie aus einem Guss wirken, bietet das Werk eine Sammlung an großartigen Kompositionen, die man danach nicht mehr missen möchte. Wer also nach unverbrauchter, einfallsreicher Musik sucht, der ist bei WINTERHORDE definitiv richtig und wird an „Maestro“ seine pure Freude haben.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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