Das Cover von "Hymns In Dissonance" von Whitechapel

Review Whitechapel – Hymns In Dissonance

Bei den meisten Promotexten und Bandversprechen verdrehen alle von uns zumeist nur noch die Augen. „Das nächste Album wird unser bestes, unser härtestes, wir gehen zurück zu unseren Wurzeln, blablabla“ – und je vielversprechender diese Versprechen ausfallen, umso enttäuschender ist oft das Endprodukt. WHITECHAPEL waren die letzten Jahre, eigentlich schon seit dem 2007er Debütalbum „The Somatic Defilement“, ein Garant für mindestens guten Deathcore, teilweise gar genreprägend. Auch wenn nicht jedes Album makellos war und die Amerikaner mit der Diversifizierung ihres Sounds durch Klargesang, mehr Melodien und Abwechslung nicht alle Fans der ersten Stunde stets zufriedenstellen konnten, stehen WHITECHAPEL in der Deathcore-Hierarchie seit jeher ganz oben. Dennoch lösten die Ankündigungen des härtesten, des Back-to-the-Roots-Albums das übliche Augenrollen aus. „Hymns In Dessonance“ jedoch zerschmettert jegliche Bedenken wie ein Vorschlaghammer eine dünne Spanplatte.

Dass WHITECHAPEL anno 2025 keine Gefangenen machen, lassen sie uns direkt mit dem fiesen Opener „Prisoner 666“ spüren: Das atmosphärische, unheilverkündende Intro mündet fast direkt in einen finsteren Breakdown, Phil Bozeman growlt und schreit grantiger als je zuvor und die Aussicht auf erbauliche Melodien wird ad hoc zerschmettert. Ein Solo, das an die frühen Thrash-Vorreiter erinnert, und wildes Geprügel sorgen im weiteren Verlauf für offene Münder – diesen gemeinen Härtegrad konnte man so nicht erwarten!

Ist der erste Song noch nicht überzeugend genug, richten es die nachfolgenden Tracks: Die ruhigeren Gewässer von „The Valley“ (2019) und „Kin“ (2021) wurden gänzlich verlassen. Klargesang, Erholungspausen, einfach zugängliche Songs? Pustekuchen! Manchmal, wie beim Titeltrack, ist zwischen Blastbeats, Breakdowns, Tempo- und Rhythmuswechseln und infernalischen Growls so viel los, dass es eh einiger Hördurchgänge bedarf, um diese gewaltige Deathcore-Lawine zu sortieren und zu verarbeiten. Immerhin gibt es zwischendrin immer wieder diese herzerwärmenden Ansätze einer Melodie, während Bozeman mit „Natas, Eht Rehtaf“ stilecht den Höllenfürsten höchstpersönlich beschwört. Schwarzmetallische Färbungen wie bei „Hate Cult Ritual“ und die dicke Grindkeule wie in „The Abysmal Gospel“ runden das Gesamtpaket ab und ebnen den Weg dafür, dass „Nothing Is Coming For Any Of Us“ mit der einzig positiv wirkenden Melodie des Albums nach über 40 Minuten richtig ins Mark trifft.

Trotz all der Härte verkommen WHITECHAPEL nie zu einer dieser Bands, die Härte um der Härte willen propagieren. „Hymns In Dessonance“ ist, obwohl die Amerikaner vor allem zu Beginn ihrer Karriere alles andere als zimperlich waren, wohl das härteste, kompromissloseste und brutalste Werk der Truppe – mindestens jedoch seit „A New Era Of Corruption“ (2010). Gleichzeitig ist es auch dermaßen tight, trotz aller Wendungen und schwer eingängiger Momente auf den Punkt und wirkungsvoll geschrieben. Wenn brutale Härte – wie auf „Hymns In Dessonance“ – so überzeugend präsentiert wird, braucht es keine Melodien, keinen Klargesang, keine aufweichenden Momente zum Gegensteuern. Dann ist brutale Härte nämlich genau richtig und schlicht alles, was es braucht, um ein effektives Album zu produzieren. Dass der Sound passend dazu dreckig, ungeschliffen und dennoch druckvoll daherkommt, passt wie die Faust aufs Auge – und den Magen, die „Hymns In Dessonance“ ist.

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Wertung: 9 / 10

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