Review While She Sleeps – Brainwashed

Folgendes Szenario: Eine junge Band veröffentlicht ihre erste EP. Sie spielt Metalcore und hat doch etwas ganz Eigenes an sich. Die EP wird überschwänglich gelobt und die Erwartungen an das erste Album steigen ins Unermessliche. Aber das Debütalbum liefert ab, wird allseits beklatscht und positioniert die Band an der Speerspitze des Genres. Doch dann der Schock: Der Sänger muss sich wegen Stimmproblemen operieren lassen, die Arbeiten am zweiten Album liegen vorerst auf Eis. Das Aus? Im Falle von WHILE SHE SLEEPS mitnichten, denn die Jungs aus Sheffield haben die Zeit genutzt, ihre Songs noch weiter zu verfeinern und legen nun mit „Brainwashed“ ihre langersehnte zweite Platte vor.

Nach einem kurzen Intro, welches im Prinzip nur aus Hintergrundgeräuschen besteht, knallt der erste Song „New World Torture“ mit einer Urgewalt aus den Boxen, dass es anderen Metalcore-Bands Angst und Schrecken werden muss. WHILE SHE SLEEPS erkennt man bereits an den ersten Tönen – eine irre Leistung, wenn man bedenkt, dass die Engländer hier gerade erst ihre zweite Scheibe zu Gehör bringen.
Musikalisch enthält der Song alles, was es im Metalcore gibt: Flotte Riffs, Grooves, Screams und Klargesang, melodische Gitarrenläufe und dicke Breaks. Alles da, alles kompetent umgesetzt und mit viel Herzblut vorgetragen und eben mit diesem ganz individuellen WHILE-SHE-SLEEPS-Feeling. Zudem gibt es bereits beim Opener ein starkes Drum-Finale und Passagen, die sehr hymnisch geraten sind.

Diesen haben WHILE SHE SLEEPS auf „Brainwashed“ generell noch mehr Raum als auf ihrem Debüt „This Is The Six“ eingeräumt. Als bestes Beispiel dient hier der bereits vorab veröffentlichte Knaller „Four Walls“, der ruhig beginnt und sich in seinem Verlauf zu einer echten Bandhymne – inklusive mitsing- bzw. mitgrölbarem Refrain – entwickelt. Ein großartiger Song, der bei allen melodiösen Elementen jedoch auch die Härte nicht vernachlässigt.
Denn diese durchaus nachvollziehbare Vermutung liegt natürlich nahe, denn allzu oft geht mit den großen Melodien die Härte flöten. WHILE SHE SLEEPS schaffen es gekonnt, diese Klippe zu umschiffen, auch wenn einzelne Songs ohne das ganz heftige Geballer auskommen, wie etwa „Our Legacy“, das dafür mit extrem starken Soli und grandiosen Melodien überzeugt.
Dementgegen setzen die Sheffielder auf „Brainwashed“ allerdings auch Tracks wie „Your Evolution“, „Torment“ (auf dem Drummer Adam Savage so richtig die Sau rauslässt), „Trophies Of Violence“ (ein Song mit starkem Slipknot-Vibe bzw. einem Vibe, den Slipknot heute gern noch zu Stande bekämen) und allen voran den Titeltrack, die so knallhart alles niedermähen, was nicht bei Drei in Deckung ist, dass diese Tracks (bzw. manche Passagen) auch auf ein Deathcore-Album passen würden, allerdings nur vom Härtegrad, nicht von der generischen Langeweile. Denn von dieser gibt es auf „Brainwashed“ nicht den Hauch einer Spur. WHILE SHE SLEEPS sind musikalisch permanent in Bewegung, immer abwechslungsreich, ohne dass dies zum Selbstzweck verkommen würde.

Mit „We Are Alive At Night“ und „Kangaezu Ni“ finden sich zudem zwei kurze Instrumentalstücke auf „Brainwashed“, die nicht zwingend nötig gewesen wären, jedoch die Stimmung des Albums passend unterstreichen und die jeweils nachfolgenden Songs gekonnt einleiten.
Das große Finale haben sich WHILE SHE SLEEPS jedoch für den Schluss aufgehoben – „Modern Minds“, ein Song, der in grandioser Art und Weise Härte und Melodien miteinander kombiniert, schnelle Parts mit getragenen verquickt und mit seinen choralen Gesangsparts für eine unglaublich intensive Atmosphäre sorgt.

WHILE SHE SLEEPS sind zurück, doch wer sich „Brainwashed“ anhört, für den gibt es kein Zurück mehr. Dieses Album hat schlicht und ergreifend alles, was man sich wünschen kann und verbindet all seine vielen Elemente spielerisch zu einem Ganzen, das den Hörer wegbläst und sogleich wieder sanft auffängt. Nach „This Is The Six“ waren Erwartungen und Messlatte enorm hoch, WHILE SHE SLEEPS haben diese mit scheinbarer Leichtigkeit erfüllt und sogar übertroffen, es sich damit aber für Album Nummer drei natürlich wieder nicht einfach gemacht. Wahrscheinlich ließe sich hier sogar die Höchstpunktzahl rechtfertigen, da die hier gezeigte Verbindung von kraftstrotzender Härte und melancholischen Melodien einzigartig ist.

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While She Sleeps – Four Walls from Kode Media on Vimeo.

Wertung: 9.5 / 10

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