Wesen - Abwesend

Review Wesen – Abwesend

Mit ihren eindrucksvollen Konzerten und ihrem außergewöhnlichen zweiten Album, „D’Muata“ (2024), haben die österreichischen Folk-Black-Metaller Perchta im deutschsprachigen Metal-Underground einiges an Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In erster Linie ist dieser kleine Hype wohl den Ideen und Performances der Gründerin des Projekts zuzuschreiben. Dementsprechend ist bislang vermutlich weitgehend unbemerkt geblieben, dass Perchta-Gitarrist Lukas Massinger alias Gsell auch ein Soloprojekt namens WESEN ins Leben gerufen hat. Dass es sich dabei um eine sehr persönliche Herzensangelegenheit handelt, merkt man seinem Debüt, das den Titel „Abwesend“ trägt, deutlich an.

So hat Massinger für das erste Album seines Post-Black-Metal-Outlets nicht nur Gitarre und Keyboard selbst eingespielt, sondern sich auch für den Klargesang hinter das Mikro gestellt und sogar das Artwork eigenständig kreiert. Lediglich bezüglich der gutturalen Vocals, Bass und Schlagzeug hat der Einzelmusiker sich von Gastmusikern helfen lassen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass „Abwesend“ mehr als nur ein paar Ecken und Kanten hat.

Dass hinter WESEN ein Musiker steckt, der sich in erster Linie aufs Saitenspiel versteht, ist offensichtlich. Während die kräftigen Riffs und die erhabenen Leads wie auch die feinfühligen Clean- und Akustikarrangements durchaus geschickt eingespielt und mitreißend sind, erscheinen die gelegentlichen, anfangs durchaus erfrischenden Electro-Sounds eher rudimentär („Hilflos“). Angesichts der glaubhaften Aufrichtigkeit, mit der Massinger sich durch WESEN mitteilt, kann man ihm nur schweren Herzens ankreiden, dass die allzu pathetischen Texte und das Coverbild ziemlich unausgereift sind, das Songwriting an Eleganz vermissen lässt und der Klargesang leider furchtbar schief, dünn und nicht immer treffsicher klingt.

Auch mit viel gutem Willen lässt sich nur schwer darüber hinweghören, dass zum Beispiel der abrupte Break im Titeltrack wie ein unglückliches Missgeschick wirkt und die Akustiknummer „Frei von mir“ arg von den dürftig intonierten Clean-Vocals, die in den Strophen keine klare Struktur erkennen lassen, in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Gastmusiker, die WESEN mit ihrem Können beistehen, machen ihre Sache derweil ziemlich gut und ihre Beiträge kommen angemessen zur Geltung, obgleich die Instrumente recht grob abgemischt wurden.

Die Begeisterung, die Perchta nicht nur mit ihren rituell anmutenden Shows, sondern auch mit ihrer thematisch und stilistisch interessanten Musik ausgelöst haben, wird vorerst wohl noch nicht auf WESEN überschwappen. Während Massinger sich als Rhythmusgitarrist gut in die Band einbringen konnte, fehlt es seinem künstlerischen Alleingang auf „Abwesend“ noch an markanten Erkennungszeichen und Professionalität. In manchen Aspekten seines Erstlingswerks steckt jedoch durchaus ein gewisses Potenzial. Mit ein bisschen mehr Feinschliff könnte WESEN sich folglich zu einem soliden Projekt entwickeln – schließlich hatten Perchta auf ihrem Debüt, „Ufång“ (2020), auch noch nicht ganz den Dreh raus.

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Wertung: 5 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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