Bis zu seinem Tod vor drei Jahren war Gitarrist William J. Tsamis nicht nur eines der beiden einzigen permanenten Bandmitglieder, sondern auch Haupt-Songwriter der Epic-Metal-Pioniere WARLORD. Entsprechend findet es so mancher Fan befremdlich, dass die Truppe nicht mit ihrem obersten Macher begraben wurde, sondern unter der alleinigen Führung von Drummer Mark Zonder fortbesteht. Der rekrutierte im vergangenen Jahr eine ganze Reihe neuer Musiker, darunter auch Sänger Giles Lavery (u. a. Ex-White-Wizzard), und nahm mit ihnen das Album „Free Spirit Soar“ auf. Ganz unemotional betrachtet sind WARLORD beileibe nicht die einzige Band mit nur einem verbliebenen Originalmitglied, weshalb man ihr neues Werk nicht von vornherein verdammen sollte.
WARLORD konnten sich seit ihrer Gründung als Vorreiter des düster-romantischen Epic Metal etablieren und zumindest diesen Aspekt ihres Sounds hat sich die Truppe auch in ihrer neuesten Inkarnation erhalten. Den Songs auf „Free Spirit Soar“ wohnt durchweg eine bittersüße Melancholie inne, die definitiv als Alleinstellungsmerkmal für den Sound der Amis angesehen werden kann. Erzeugt wird diese mitunter recht dichte, mitreißende Atmosphäre neben vielschichtigen Synthie-Arrangements vor allem durch die in jeder Nummer präsenten und wirklich schön geratenen Gitarrenmelodien und -soli. Tatsächlich findet man derart gefühlvolles, melodiebetontes Spiel bei kaum einer anderen Formation.
Derart atmosphärischer Sound benötigt natürlich etwas luftigere Arrangements als die durchschnittliche Metalband, weshalb Riffs bei WARLORD nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist zunächst gewöhnungsbedürftig: In Songs wie dem Opener „Behold A Pale Horse“ sowie „Conquerors“ oder „Worms Of The Earth“ spielt das Keyboard mindestens eine genauso große Rolle wie die Rhythmusgitarre und in „The Pale Rider“ werden die Riffs sogar fast vollständig in den Hintergrund verbannt. Das reduziert den Druck natürlich enorm und lässt zusammen mit dem fast andächtigen Gesang von Giles Lavery oftmals an neuere Alben von Virgin Steele denken.
Die Performance von Mr. Lavery geht grundlegend auch in Ordnung, allerdings fehlen ihr – wie auch dem Rest von „Free Spirit Soar“ – die Ecken und Kanten. Wirklich alles am neuen WARLORD-Album wirkt mindestens „bedeckt“. Das passt einerseits gut zum melancholischen Herbst-Sound, der für diese Band nun mal charakteristisch ist, abgesehen von den wirklich superben Gitarrenmelodien vermag hier aber nichts so recht mitzureißen. Das mag auch daran liegen, dass die Truppe um Mark Zonder Schwierigkeiten hat, sich kurzzufassen: Dass „Free Spirit Soar“ ohne schnelle Songs auskommt, ist klar, aber oft werden Instrumentalparts und Refrains einfach ein wenig zu häufig wiederholt, um echte Dringlichkeit zu erzeugen.
Ob „Free Spirit Soar“ ein „echtes“ WARLORD-Album ist, muss wohl jeder für sich selbst beantworten – der Tod des Haupt-Songwriters bedeutet gewiss eine spürbare Zäsur, aber auch andere Bands können sich mit nur einem Originalmitglied ihre Glaubwürdigkeit erhalten. Fans von ebenso melodischem wie melancholischem Heavy Metal haben es hier mit einem grundsoliden und weithin individuellem Album zu tun, für das sie sich gerne etwas mehr Zeit nehmen sollten. Schade nur, dass WARLORD selbst mitunter etwas zu viel Zeit benötigen, um zum Punkt zu kommen …
Wertung: 7 / 10