Wie so oft im Leben kommen ab und zu diese Momente, bei denen man daran erinnert wird, dass an manchen Weisheiten wie beispielsweise „Don’t judge a book by its cover“ ja doch häufig einiges dran ist. Auch wenn man es bei „Scavengers“, der neuen Veröffentlichung der schwedischen Thrash-Metal-Band WARFECT, nicht mit einem Buch, sondern einer CD zu tun hat, kann man das mit dem Cover hier trotzdem wörtlich verstehen. Wer die Scheibe wegen dieser eigentlich kaum noch hinnehmbaren Beleidigung für das in 540 Millionen Jahren der Evolution ja doch schon reichlich gut entwickelte Auge beiseitelegt, ohne wenigstens kurz hineinzuhören, der begeht einen nachvollziehbaren, aber fatalen Fehler.
Denn „Scavengers“ kann entgegen diesem ersten Eindruck tatsächlich so unglaublich viel, dass man sich eigentlich nur weigern kann zu akzeptieren, dass die gleiche Band, die dieses Album erschaffen hat, so einem erbärmlichen Artwork zugestimmt hat. Mit „Purveyors Of Cadavers“ legen WARFECT auf der Platte einen dermaßen fetzigen Start hin, dass Slayer sich eigentlich umdrehen und mit ihrem letzten Output „Repentless“, welches gegen „Scavengers“ spektakulär abstinkt, beschämt von dannen schleichen sollten. Auch wenn WARFECT den Thrash Metal ebenfalls nicht auf die nächste Evolutionsstufe heben, beweisen sie hier – so wie auch bei den folgenden Songs – zu welchen Ausmaßen energiegeladener Aggressivität das Genre Thrash Metal fähig ist, wenn man es perfekt beherrscht. Die Songs auf „Scavengers“ sind voller Power, häufig im Hochgeschwindigkeitsbereich angesiedelt und dabei geradezu absurd präzise eingespielt. Die Riffs sind griffig, gehen ins Ohr und grooven trotz des genreüblichen, rhythmisch simplen Thrash-Metal-Schlagzeugspiels enorm. Immer wieder spielen WARFECT dabei auch mit gezielt eingestreuten Black- und Death-Metal-Einflüssen, die sich aber dem klassischen Thrash-Songwriting unterordnen, bei welchem Gangshouts selbstverständlich auch nicht fehlen dürfen. Diese bilden einen interessanten Kontrast zu den für Thrash Metal unüblich stark verzerrten Leadvocals, die eher an Black-Metal-Gesang wie den von Dissection als an den von Slayer und Konsorten erinnern.
Natürlich sind bei solch brachial bretternden Riffs, die vom beeindruckenden High-Speed-Picking der Saitenfraktion leben, gerade extrem schnelle Songs die Spezialität der Band. Stücke wie „Anatomy Of Evil“, „Savaged By Wolves“ oder „Suffocate The Chosen“ wissen daher auch um einiges mehr zu überzeugen als die Midtempo-Stücke der Truppe, die aber im Vergleich zum qualitativen Standard im Thrash Metal immer noch weit über dem Durchschnitt liegen. Ein fast schon progressiv aufgebautes „Watchtowers“ oder ein Death-Metal-beeinflusstes „The Resurrectionists“ gewinnt beispielsweise im Direktvergleich immer noch problemlos gegen jedes ähnlich konzipierte Stück der letzten Anthrax– und Slayer-Scheiben. Dass das düstere „Evil Inn“ dabei deutlich zu lang geraten ist, ist da schnell verziehen. Mit dem Doom-lastigen, fast komplett mit Clean-Gitarren gespielten Outro findet das starke, mit 54 Minuten zwar lange, aber keineswegs ZU lange Album dann noch ein äußerst stimmiges Ende.
Wenn schon die ganzen Thrash-Legenden von früher nichts wirklich Bahnbrechendes mehr auf die Reihe kriegen, dann müssen diese Aufgabe wohl Bands wie WARFECT übernehmen. Mit „Scavengers“ haben diese ein absolut einwandfrei produziertes, komponiertes und umgesetztes Album geschaffen, das mal eben locker den größten Teil der Thrash-Veröffentlichungen der letzten paar Jahre in die Tasche steckt. Solange das Genre durch solche Bands gesichert ist, können jene Pioniere gerne von WARFECT ins Altersheim geschickt werden.
Wertung: 8.5 / 10