Das Cover des Albums "Labyrinth" der Band Waldkauz

Review Waldkauz – Labyrinth

Nach einigen Umbesetzungen und trotz pandemiebedingt widriger Umstände haben die Pagan-Folker von WALDKAUZ mit Hilfe von Crowdfunding ein neues Studioalbum produzieren können. Wurden sie bisher oft nur im Schatten von Faun und Omnia wahrgenommen, beweisen die Songs auf „Labyrinth“, dass die Band nun einen eigenen Sound gefunden und weiterentwickelt hat – und der muss den Vergleich mit den Szenegrößen nicht scheuen. Im Gegenteil: Er füllt ein Vakuum.

Es ist ein wunderschönes Gesamtkunstwerk, das man mit „Labyrinth“ in den Händen hält. Filigranes, stimmungsvolles Artwork durchzieht Cover und Booklet, und ist Vorbote davon was sich auch musikalisch auf dem Tonträger finden lässt. Ein kurzes, mystisches Intro und der titelgebende Song „Walking the Labyrinth“ können bereits mit einem ausdifferenzierten, ausgewogenen Sound punkten: Für die Produktion zeichnet sich erstmals Alex Schulz verantwortlich, der auch bereits unter anderem mit Faun, Wardruna und Zirp gearbeitet hat und aus den vielen verschiedenen Instrumenten wie Drehleier, Irish Bouzouki und Harfe das Beste herausholt. Bei den 13 Songs ist zudem viel Abwechslung geboten: Neben zahlreicher Eigenkompositionen haben WALDKAUZ auch traditionellen Stücke wie „Bayushki Bayu“ oder „Danse Macabre“ einen frischen Anstrich verliehen. Die Single „Schwingen“ mischt den bekannten Pagan-Sound mit Prog-Rock-Elementen und entfaltet so eine ganz besondere Sogwirkung, während die äußerst gelungene Ballade „He missed the Stars“ ganz reduziert mit Harfe und ruhigem Gesang punktet. „Epane“ galoppiert wie die namensgebende Göttin der Pferde instrumental nach vorne, nur um nach der Hälfte des Songs doch noch mit spanischem Text zu überraschen. Genauso tanzbar, wenn auch etwas weniger vorpreschend, gerät „Ariadnes Faden“, ein Andro, der die Drehleiher hypnotische melodische Schleifen drehen lässt.

Wer sich getragene Stimmen wünscht, kann bei „Des Dichters Segen“ die vier Stimmen von Nina, Diana, Niklas und Alana ganz pur genießen. Wie man auch anhand der Songtitel erkennt, scheuen sich WALDKAUZ nicht davor, neben englischen und deutschen Texten auch viele weitere Sprachen wie Russisch, Spanisch oder sogar Altnordisch und Isländisch zu benutzen – ohne dabei inhaltliche Abstriche machen zu müssen. Wie immer sind die Lyrics poetisch und mythisch. Im Booklet finden sich zudem Übersetzungen und kurze Erläuterungen zu den einzelnen Stücken, eine Investition ins physische Produkt lohnt also gleich doppelt.

Bei aller Abwechslung gibt es doch noch zwei Songs, die besonders herausstechen. Mit „Kein rechter Weg“ betreten die Musiker tagesaktuelle Pfade und positionieren sich klar gegen rechtes Gedankengut. In ruhigem, aber bestimmtem Ton verdeutlichen sie ihren Widerstand und singen „Zwischen euch und eurem Reich stehen wir“. Die Folk-Szene hat durch die inhaltliche Natur- und Heimatverbundenheit immer wieder mit entsprechenden Gruppierungen und Anhängern zu kämpfen, und viele Szenebands haben mit tanzbaren Stücken bereits ihre Meinung dazu öffentlich gemacht. Dass es nun auch ein stilistisch völlig anderes Stück zum Thema gibt, das auch dem Ernst der Thematik eine Klangfarbe gibt, ist ein willkommener Bonus. Alle Einnahmen aus dem Verkauf der Single werden an EXIT Deutschland gespendet – eine Organisation, die beim Ausstieg aus der rechten Szene hilft.
Für das zweite nordisch geprägte Stück kollaborieren WALDKAUZ mit SOWULO. Nordic Folk liegt im Trend, und das zurecht. Die treibenden, mythischen Klänge sind episch und ursprünglich zugleich und versetzen den Hörer direkt auf weite karge Landschaften unter gleisendem Polarlicht. So entfaltet auch „Far Vel“ eine hypnotische Wirkung und ist ein ansprechender Ausflug in das Genre, bei dem der Einfluss beider Bands zu hören ist. Gerne dürfen WALDKAUZ auch in Zukunft solche Streifzüge wagen.

Ganz allgemein ist WALDKAUZ eine sehr erfrischende Bodenständigkeit zu eigen, die selbst in schnellen und fröhlichen Stücken eine Ruhe und, wenn es inhaltlich passt, Eindringlichkeit ausstrahlt. Hier müssen keine technischen Tüfteleien beeindrucken, kein unsingbarer Ton erreicht und keine Perfektion bewiesen werden. Das macht nicht nur die Band, sondern auch die Musik selbst sympathisch und nahbar. Auch der Besetzungswechsel hat ihnen keinen Rückstoß versetzt, sondern im Gegenteil durch neue Einflüsse und erweiterte musikalische Möglichkeiten Rückenwind verliehen. Wenn es an „Labyrinth“ überhaupt einen Kritikpunkt gibt, so ist es vielleicht, dass „der eine Übersong“ fehlt, der alles in den Schatten stellt und der als Herzstück noch über Jahre hinweg die Setlist nicht verlassen darf. Die Kirsche auf der Sahnetorte quasi. Aber das ist ein vergleichsweise kleiner Wermutstropfen, wenn man bedenkt, wie gut der ganze Kuchen schmeckt.

Das hochwertigere Recording, die Hinzunahme von Bass und abwechslungsreicheres Songwriting heben WALDKAUZ auf die nächste Stufe. Wer den deutschen Pagan-Folk-Bands der letzten Jahrzehnte nachtrauert und deren Auflösung oder musikalische Weiterentwicklung noch nicht verdaut hat, wird sich über „Labyrinth“ und die archaische, multilinguale Ausrichtung freuen. Dabei erarbeiten sich die Musiker mehr und mehr ihren ganz eigenen, wiedererkennbaren Stil, von dem man hoffentlich in zukünftigen Produktionen noch viel mehr zu hören bekommen wird.

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Wertung: 9 / 10

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