Review Vintersorg – Till Fjälls, Del II

Was macht Andreas Hedlund, wenn sich sein Herzensprojekt dem zweiten runden Geburtstag nähert? Eine Compilation mit bisher unveröffentlichtem Material auf den Markt bringen, verkaufsträchtig mit allerlei Schickschnack ausgestattet, den ein jedes Fan-Herz höher schlagen lässt? Eine Jubiläums-Tour durch alle Herren Länder? Nichts dergleichen. Andreas Hedlund alias Vintersorg veröffentlicht zur großen Überraschung aller Part II von VINTERSORGs Debüt, betitelt als „Till Fjälls, Del II“. Ein direkter Nachfolger des Debüts? Ein musikalisches Sequel, welches die acht Alben dazwischen kurz vergessen lassen soll? Dieses gewagte Unternehmen lässt aufhorchen.

„Wenigstens etwas, was aufhorchen lässt“, mag man nach den ersten Durchläufen frech denken, denn VINTERSORG überraschen im ersten Moment vor allem damit, dass „Till Fjälls, Del II“ dem „Till Fjälls“ von 1998 tatsächlich nahe kommt – eine geschliffenere Produktion hier, eine stärkere Melodieführung durch die Gitarre da, eingebettet in einen stetigen Wechsel von folkloristischen Elementen und harschen Riffing. Gut ist das allemal, schlichtweg, weil Vintersorgs kompositorisches Geschick fernab aller Zweifel ist, aber die Frage nach der Notwendigkeit eines „Till Fjälls, Del II“ lässt sich weniger wohlwollend beantworten. Denn die Ideen, die auf diesem zweiten Teil verarbeitet wurden, unterscheiden sich nicht grundsätzlich von dem, was VINTERSORG vor 19 Jahren auf ihrem Erstling präsentierten. Eine zum Wandern animierende Atmosphäre? Eine Vermischung von Folk- wie Black-Metal-Trademarks? Hedlunds markant-verspielter Klargesang? Eine nicht aufdringliche, aber wirkungsvolle Orchestrierung? „Till Fjälls“ hatte das in einem für ein Debüt erstaunlich hohem Ausmaß. „Till Fjälls, Del II“ besitzt dies allesamt auch, aber ehrlich: Wer hätte es anders erwartet bei a) VINTERSORG, b) einem Projekt von Andreas Hedlund und c) dem nicht chronologischen, aber inhaltlichen Nachfolger von „Till Fjälls“?

Es ist schwierig etwas zu bewerten, was es in zu ähnlicher Form bereits von der gleichen Band gibt. Bewertungsmaßstäbe a la Kreativität, Feinheiten und geschickte Umsetzung sind obsolet, wenn das musikalische Schaffen 2017 dem von 1998 nahezu gleicht. Allerdings war all das 1998 wenigstens noch eine Sensation, hingegen es 19 Jahre und acht Alben später nur noch bedingt zu Begeisterungsschüben führt. Bedingt, weil die Musik natürlich phänomenal ist, aber wie sollte es auch anders sein, wenn VINTERSORG auf die wohl sicherste Bank ihrer Karriere alias „Till Fjälls“ bauen? Was soll schief gehen bei der Fortführung eines Schemas, welches langjährige Fans noch immer schwärmen lässt? Nichts. Denn enttäuscht werden nur die Hörer, die von dem Ideenklau unter dem eigenen Dach – der übrigens vor über zwei Jahren von Hedlund mit den Worten „all the songs are written an alot of the material is recorded“ angekündigt wurde – nicht sonderlich angetan sind.

19 Jahre und acht Alben, deren Spektrum von Folk über Black und Progressive Metal viele Schattierungen abdeckt, eine Diskografie gespickt voller mutiger Ideen und einer schier nicht enden wollenden Vielfalt an Einfällen, nun mit dem aktuellen Status Quo, einer Kopie des Debüts, gekrönt. Diesen bitteren Beigeschmack können auch die vier zusätzlichen Tracks auf dem zweiten Album nicht schmälern, die den Übergang von Vargatron zu VINTERSORG erläutern sollen. Selbst die überwältigende Spielzeit von knapp 75 Minuten stellt keinen Gefallen an den Fan dar, wenn dieser in diesen 75 Minuten kein frisch zubereitetes, sondern lediglich ein halbwegs liebevoll aufgewärmtes Mahl kredenzt bekommt.

Wertung: 6 / 10

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