Ville Valo - Neon Noir Cover

Review Ville Valo – Neon Noir

Die Geschichte von HIM ist die Geschichte einer wilden Romanze. Die Musik gewordene Liebe der finnischen Band, die ihren markanten Stil ungeniert als „Love Metal“ bezeichnete, hatte ihre Höhen und Tiefen, brannte hell – und schließlich nach und nach aus. 2015 machte Drummer Gas Lipstick Schluss, 2016 legten die verbliebenen Mitglieder eine Pause ein und 2017 gingen auch diese nach einer Abschiedstour getrennte Wege. Es war eine Scheidung im Einvernehmen, der kreative Funke war schlicht erloschen – nach dem durchwachsenen „Tears On Tape“ (2013) eine allzu glaubwürdige Erklärung. Sänger VILLE VALO ist jedoch offenbar nicht über seine alte Flamme hinweg und so klingt sein erstes Soloalbum „Neon Noir“ wie eine allzu oft vergeblich gestellte Frage: „Wollen wir es nochmal miteinander versuchen?“

Ja, der Posterboy des Düsterrocks macht auf seinem ersten Alleingang keinen Hehl daraus, mit welcher Ausnahmegruppe er einst die Herzen junger Goths auf der ganzen Welt erobert hat. Zierte VILLE VALO das Coverbild nicht mit seinem umschwärmten (wenn auch etwas gealterten) Antlitz, so ließe spätestens der Blick in die Tracklist keinen Zweifel mehr an seiner Autorschaft. Songs wie „Loveletting“ oder „Baby Lacrimarium“ klingen nicht nur dem Namen nach wie Versatzstücke seiner alten Band.

Dass VILLE VALO an seinen alten Tugenden festhält, anstatt als Solokünstler neue Wege zu beschreiten, sei ihm grundsätzlich unbenommen. Auf den mitreißenden Opener „Echolocate Your Love“ und das luftige „Salute The Sanguine“, das auf dem frevelhaft unterschätzten „Dark Light“ (2003) nicht fehl am Platz gewesen wäre, hätten auch HIM stolz sein dürfen. Obwohl der Mix aus leichtfüßigen E- und Akustikgitarren, simplen Rhythmen und poppigen Keyboards auch in manchen anderen Tracks wie dem treibenden „The Foreverlost“ und dem schmachtenden „Loveletting“ gut funktioniert, stellt sich mit der Zeit jedoch Ernüchterung ein.

Vor allem die gemäßigteren und längeren Tracks stellen sich schnell als blutleer und ermüdend heraus („In Trenodia“, „Vertigo Eyes“). Oft ist es ausgerechnet der lustlose Gesang, der die in den Songs schlummernde Leidenschaft betäubt. Dass VILLE VALO einst nicht nur mit samtener Stimme gefühlsduseln, sondern seine Stimmbänder wie ein waschechter Rocker an ihre Grenzen treiben konnte, ist auf „Neon Noir“ bloß noch eine wehmütig stimmende Erinnerung. Eine ausgelassene Performance wie auf „Venus Doom“ (2007) ist von dem Sänger wohl nicht mehr zu erwarten.

Wer HIM sogar während ihrer kreativen Talfahrten („Deep Shadows And Brilliant Highlights“, „Tears On Tape“) die Treue gehalten hat, könnte auch an „Neon Noir“ Gefallen finden. Seine auch nur geringfügig kritischeren Fans wird VILLE VALO mit seinem allzu weichgespülten, einfalls- und lustlosen Solotrip jedoch nicht so leicht um den Finger wickeln können. Das Dark-Rock-Idol wieder singen zu hören, mag für viele ein lang gehegter Wunsch gewesen sein. Seine Muse hat VILLE VALO jedoch offensichtlich leider nicht für sich zurückgewinnen können und so erweist sich sein Versuch eines Neuanfangs letztlich als halbherzig – bezogen auf den Erfinder des Heartagrams ein besonders enttäuschender Umstand.

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Wertung: 4 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

3 Kommentare zu “Ville Valo – Neon Noir

  1. Ville Valos Soloalbum „Neon Noir“ macht dem unverwechselbaren HIM Sound (Love Metal) zwar alle Ehre, dennoch hätte ich mir vom Album deutlich mehr erwartet. Viele der Songs klingen recht ähnlich. Facettenreichtum, wie es der Album Titel „Neon Noir“ metaphorisch verspricht, hat der Sampler leider nicht zu bieten. Dabei ist Ville Valo ein durchaus vielseitiger Musiker, was er bereits in der Vergangenheit durch diverse Sideprojekte bewiesen hat. Daher hoffe ich, dass er künftig musikalisch mehr seine Komfortzone verlässt. Ich glaube es schlummert musikalisch viel mehr in ihm, als er uns bislang als Solokünstler gezeigt hat.

  2. Ich mag das Album, fühle mich gute unterhalten und hab damit Erfolg bei den Mädels. Naja, fast. Aber für den gemütlichen Abend zu zweit ist das Album sehr nett. Kein Type O-Abend, aber das ist ja auch nicht immer so notwendig, hehe.

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