Sieh an! Auch VICTORY gehen nach vielen Jahren musikalischer Aktivitäten in den wohlverdienten Ruhestand, folgen also den Scorpions nach. Im Vorfeld habe ich davon nichts mitbekommen, sondern erfahre es erst durch den Promoflyer. Aber man muss halt auch ganz klar sagen, dass VICTORY nie den Bekanntheitsgrad der Kollegen aus ihrer Heimatstadt hatten. Tendenziell würde ich sie – besonders nach den 80ern – mehr in die zweite Reihe der deutschen Hardrock-Bands stellen.
Gegründet wurden VICTORY schon 1973 als Fargo, was ich einen weitaus cooleren Namen für eine Hardrock-Truppe finde. Alben wie „Frontpage Lover“ oder „F“ bekamen gute Kritiken ab. Warum schließlich 1984 die Umbenennung in VICTORY erfolgte, entzieht sich meiner Kenntnis. In den Achtzigern wurde dann praktisch jedes Jahr ein Album veröffentlicht. Später wurden die Abstände immer größer, wodurch die Band mitunter auch ziemlich in Vergessenheit geriet und sich eine zeitlang sogar auflöste. Doch jetzt wollen es die Hannoveraner nochmal wissen und lassen ihr letztes Werk „Don’t Talk Science“ auf die Hard&Heavy-Gemeinde los.
Apropos heavy: während ich VICTORY bisher hauptsächlich dem Hardrock (und manchmal sogar dem klassischen Rock) zuordnete, geben sie sich auf „Don’t Talk Science“ teilweise überraschend heavy. Besonders der druckvolle Heavy-Rocker „Restless“ bläst dem Hörer gleich zu Beginn mit unerwartet viel Energie ins Gesicht. „Speak Up“ hat knackige Riffs auf Lager und erinnert vom Konstrukt ein bisschen an Krokus.
Auch das treibende „Rock Star“ präsentiert VICTORY von einer ziemlich dynamischen Seite, während ich das leicht bluesige „Love Kills Love“ schon eher mit früheren Zeiten der Hannoveraner in Verbindung bringe. Aber ganz ehrlich: die neue Energie gefällt mir weitaus besser; die Energie, die VICTORY auch bei dem kräftigen Stampfer „Burn Down The City“ und dem deftigen „Go To Hell“ weiterhin zur Schau stellen.
Dazwischen gibt es vereinzelte Songs, die schon aus diesem Raster fallen, wie das hymnische „Blinded By Darkness“, das vielschichtigere „Right Between The Eyes“ oder das etwas emotionalere „Victim Of Lies. Aber egal, ob toughe Heavy Rocker oder melodischere Stücke, VICTORY halten auf diesem Album durchweg ein gutes Qualitätsniveau.
Was man vielleicht nicht gebraucht hätte, sind die beiden Cover am Ende. „Waiting For The Wind“ stammt im Original von einer Band namens Spooky Tooth und ist selbst in der leicht energetisierten Version von VICTORY noch langweilig. Cover zwei, den Disco-Smasher „I’m So Excited“ von den Pointer Sisters, hat garantiert jeder schonmal gehört. Dies ist die gefühlte millionste Interpretation davon, aber zumindest kommt sie mit schön viel Pep.
Man merkt dem Album auch an, dass die beteiligten Musiker langjährige Profis sind und sehr gut zusammenarbeiten. Hervorzuheben ist dabei das knackige, vielseitige Gitarrenspiel von Herman Frank und Tommy Newton. Eine klasse Leistung liefert auch der Sänger Jioti Parcharidis. Er hat ein variables Organ mit Ausdruckskraft und Stimmvolumen.
Auch wenn man relativ schlecht wirkliche Vergleiche zu den Alben aus den 80ern ziehen kann, weil den Bands produktionstechnisch heute ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, würde ich behaupten, dass VICTORY mit „Don’t Talk Science“ vielleicht ihr spätes Meisterstück abliefern. Und mit diesem Werk wollen sie abtreten? Eigentlich schade, aber auf jeden Fall ein ehrenvoller Abschied.
Wertung: 8.5 / 10