Nachdem sich RUNNING WILD nach 30 Jahren Bandbestehen im Sommer dieses Jahres endgültig zur Ruhe gesetzt haben, wird ihrem Schaffen mit dem Album „Reunation – A Tribute To Running Wild“ nochmal gehuldigt. Es ist nicht das erste Tribut-Album für die Hamburger. Soweit ich mich erinnere erschien bereits 2005 das Cover-Album „Revivalry“. Auch „Reunation – A Tribute To Running Wild“ kommt als fette Doppel-CD, die bis zum Rand gefüllt ist: 31 Songs, fast 156 Minuten Spielzeit. Der geneigte Käufer bekommt ordentlich Material für sein Geld.
Ich möchte mir ersparen, auf jeden einzelnen Coversong einzugehen, sondern will in erster Linie die besonders gelungenen hervorheben, bzw. diejenigen, die so gar nichts taugen. Zu diesem Zwecke fange ich mal mit den Positiven an.
Mit „Riding The Storm“, performed von den True-Metallern POWERWOLF, haben wir gleich zu Anfang einen Leckerbissen. Sie bringen den Song genauso energetisch rüber, wie RUNNING WILD selbst, nur dass Attila Dorn gesanglich den guten Rock’n’Rolf auf Platz zwei verweist. ORDEN ORGAN überzeugen bei „The Battle Of Waterloo“ durch die gekonnte Vermischung aus Power und Epik. Die mir völlig unbekannten Gothic-Metaler ESENIA aus Spanien überraschen mit einer ungeheuer intensiven und kraftvollen Version von „Ressurection“. Die rumänschen Avantgarde-Black-Metaler SATANOCHIO lassen es beim Instrumental „Siberian Winter“ ganz schön krachen. Der Song „Ballad Of William Kid“ ist für die argentinische Power-Folk-Metal-Truppe SKILTRON sehr passend. Die Mönchengladbacher Heavy-Rocker MOTORJESUS bringen die richtige Dynamik für „The Rivalvry“ mit, und die Melo-Blacker WITHERING SOUL aus USA haben eine eigensinnige, aber durchaus gekonnte und vor allen Dingen vorantreibende Version von „Firebreather“ auf Lager.
Wirklich viele gute Covers und ich bin gerade mit CD 1 zu Ende. Auf dem zweiten Rundling erlebe ich von den Rumänen MAGICA eine unerwartete Power und eine gelungene zweistimmige Interpretation von „Victory“. Klasse gecovered wird auch „Return Of The Gods“ von den Brasilianern HELLISH WAR. Die italienischen Melo-Power-Metaler OVERTURES schlagen sich mit „Pirate Song“ auch besser, als ich erwartet hätte. „Little Big Horn“ von HALOR aus Ungarn kommt dem Original recht nahe – auch qualitativ. HEAVENLY reichern „Masquerade“ mit ihrem ureigenen Bombast an, was aber gut passt. Und die Thrasher von WITCHTRAP sind natürlich die richtige Besetzung für die Speed-Metal-Nummer „Victim Of States Power“.
So, dann betrachten wir mal die andere Seite, die glücklicherweise etwas sparsamer ausfällt. Eine Truppe namens 5TH SONIC BRIGADE langweilt mit einer poppigen Nummer von „Angel Of Mercy“. Der pure Horror ist etwas Nu-Metal-artiges, was DEADLOCK mit „When Time Runs Out“ verzapfen. Eierlos ohne Ende ist THUNDERSTORMS Version von „Welcome To Hell“. Stark enttäuscht bin ich auch von CUSTARDs schwachem Cover von „Under Jolly Roger“. Besonders dem Gesang fehlt die richtige Ausdruckskraft für diese Hymne. Dafür ist das schrille Gekreische des WINTER’S DAWN-Sängers bei „Into The Fire“ umso nerviger. Und auch ganz am Ende ist mit „Fight The Fire Of Hate“ von RAVAGE ein ziemlich schwachbrüstiges Cover platziert.
Alle jetzt nicht ausdrücklich Erwähnten liefern in meinen Augen auch passable Arbeit ab. Interessant finde ich, dass bei den Coverbands nicht nur bekannte und unbekannte Bands aus vielen Staaten vertreten sind, sondern etliche ja aus ganz anderen Genres kommen. Das bringt teilweise ungewöhnliche und dadurch reizvolle Coverversionen hervor.
Ein bisschen kritikwürdig erscheint mir die Auswahl der Stücke. Es wird zu viel Augenmerk auf die Jahre 1998 bis 2005 gelegt. Knapp die Hälfte der Songs stammt aus dieser Ära bzw. von den vier in dieser Zeit releasten Alben. Dadurch fehlen leider essentielle Hits wie „Diamonds Of The Black Chest“, „Raise Your Fist“, „Treasure Island“ (okay, das wäre auch ziemlich lang), „Prisoner Of Our Time“, „Uaschitschun“ oder „Genghis Khan“. Aber es war zu erwarten, dass die Songauswahl nicht jeden hundertprozentig zufrieden stellen wird.
Insgesamt ist „Reunation – A Tribute To Running Wild“ trotzdem ein gutes Tribut- oder Coveralbum, da es vor allen Dingen viele interessante Variationen und zumeist professionell agierende Bands zu bieten hat. Wer grundsätzlich Geld für solche Compilations ausgibt, sollte auch hier über eine Anschaffung nachdenken.
Keine Wertung