Vanaheim Een Verloren Verhaal Coverartwork

Review Vanaheim – Een Verloren Verhaal

Vanaheimr – das ist in der nordischen Mythologie eine der neun Welten. Die Welt, in der die Wanen leben, das ältere Göttergeschlecht neben den Asen. Die Wanen sind eher erdverbunden, beispielsweise Fruchtbarkeitsgötter, und das passt zu VANAHEIM: Auf deren Konzeptwerk „Een Verloren Verhaal” nämlich wehrt sich die Natur gegen die Menschen.

VANAHEIM legen hier zwar ihr Debütalbum vor, dass es das erste Album einer Band und dazu noch eine Eigenproduktion ohne Label ist, das ist vom ersten Hördurchgang schier unglaublich. Die niederländisch-belgisch-deutsche Combo spielt ihren epischen Folk-/Pagan-Metal nämlich auf einem derart hohen Niveau, dass sie qualitativ wie aus dem Nichts auf einer Stufe mit den Großen des Genres stehen. Und das ist in einem Genre wie dem (epischen/symphonischen) Folk Metal, wo sich Innovationen in den letzten Jahren gegenseitig vergeblich mit Ferngläsern gesucht haben, eine mehr als bemerkenswerte Leistung.

Der Opener „Uit Steen Geslagen“ beginnt zuerst ruhig: Sanfte Keyboardklänge, atmosphärische Flächensounds und dezente Chöre eröffnen eine wilde Reise, die nach einer Minute so richtig losgeht. Wenn die Doublebass ballert, ein hochmelodisches Leadriff einsetzt und dabei stets ein groß wirkendes Symphonie-Orchester aufspielt, geht jedem Fan von opulentem Folk- und Pagan Metal unweigerlich das Herz auf. Klar, das Orchester kommt aus der Dose, wirkt dafür aber erstaunlich organisch und prachtvoll. Die Chöre und die tatsächlich eingespielten Violinen und Flöten tragen sicher einen großen Teil dazu bei, die Illusion eines echten Orchesters zu erzeugen und es funktioniert tatsächlich prima. Alles wirkt groß, mächtig und bombastisch.

Bei allem Pomp schaffen VANAHEIM es dennoch, bodenständig zu bleiben. Dafür gibt es allen voran zwei wichtige Gründe. Zum einen ist das Songwriting großartig. In den vier Longtracks zwischen sieben und elfeinhalb Minuten passiert unfassbar viel, dennoch behalten die Lieder im Kern ihre Metal-Seele und einen roten Faden. Erkennbare Einflüsse sind dabei die Breitwand-Epik von Moonsorrow, die technisch beeindruckenden Leads von Wintersun, die getragene Schwere von Týr und der treibende Folk-Charakter von Heidevolk. Auch Equilibrium zu ihren besseren Tagen, das Heroische von Ensiferum und das Düstere von Finntroll klingen durch. Der Bombast-Faktor erinnert dabei sogar etwas an Bands wie Blind Guardian und Nightwish. Bei all dem Namedropping kupfern VANAHEIM aber nie ab, sondern klingen immer frisch und eigenständig – einfach nach VANAHEIM. Zum anderen ist die Produktion perfekt auf das Songmaterial abgestimmt: Schlagzeug und Gitarren gehen nie unter, alle Folk- und Orchester-Elemente sind wunderbar heraushörbar und überhaupt bietet das Album ein wundervoll ausgewogenes und druckvolles Klangbild.

Dass „Een Verloren Verhaal” nicht überfordert, liegt an geschickt eingefügten Ruhepolen: „Rusteloos“ und „Verloren“ sind auf dieser wilden Fahrt zwei kurze, akustische Haltestellen, an denen sich die Hörer wieder sammeln können. So macht das kraftvolle „Reuzenspraak“ gleich noch mehr Spaß und das monumentale wie theatralische „Gevallen in de Nacht“ kann sich mit etwas ruhigem Vorlauf gleich noch besser entfalten. Diese 43 Minuten sind so vollgepackt mit großartigen Momenten und kleinen Details, die sich auch nach zehn und mehr Durchläufen noch offenbaren wollen. Als wäre das nicht schon genug, gibt es dazu noch eine zweite CD mit „Folkestral“-Versionen der vier Longtracks ohne Gesang. Hier wurden aber nicht einfach nur die Gesangsspuren entfernt, sondern neue und veränderte Arrangements geschrieben. Es ist wundervoll zu sehen, wieviel Liebe zum Details und Aufwand VANAHEIM in dieses Album gesteckt haben.

„Een Verloren Verhaal” ist ein professionelles, großartiges Debütalbum, das jeder Fan von Folk- und Pagan-Metal gehört haben sollte. So frisch, kraftvoll, leidenschaftlich und dabei eigenständig klang lange kein Epic-Folk-Metal-Album mehr. Dass die Texte komplett in Niederländisch vorgetragen werden, unterstreicht den authentischen Charakter. Die Texte werden übrigens offiziell von der Band in u.a. deutscher und englischer Übersetzung angeboten. VANAHEIM erfinden das Genre-Rad zwar nicht gänzlich neu, schließen aber eine Lücke, von der wir vielleicht gar nicht wussten, dass sie da war. Sie geben uns mit „Een Verloren Verhaal” etwas, das wir tief in uns drin gesucht haben und nicht wussten, dass es uns fehlt.

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Wertung: 9 / 10

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