„H To He, Who Am The Only One“ dürfte viele Fans nach dem unbesorgten, nur wenig labilen, aber deshalb auch nicht direkt großartigen „The Least We Can Do Is Wave To Each Other“ regelrecht umgehauen haben – die einen im positiven, die anderen im negativen Sinne. Innerhalb eines einzigen Jahres lernten VAN DER GRAAF GENERATOR, wie man konsistente, fokussierte Alben schreibt, auf denen keine Note am falschen Platz zu sein schien. Diese erfreuliche Erkenntnis nutzte man, um auch umgehend eine Platte aufzunehmen, auf der man dies überaus deutlich hört.
Klar definierte Songstrukturen, innerhalb derer dennoch viel Raum für Improvisation zu sein schien, zwei oder drei clever verwendete Hooklines pro Lied – aus viel mehr bestehen viele Songs auf diesem Album nicht. Und dennoch klingt alles aufgrund des unverkennbaren Sounds von VAN DER GRAAF GENERATOR einzigartig: das symbiotische Zusammenspiel von Klavier und Schlagzeug, das dem Saxophon genug Raum für spontane Fills auf der einen, vor allem aber für getragene Melodien auf der anderen Seite lässt. Melodien, über welchen Peter Hammill sich nun gesanglich voll entfalten und zeigen kann, wie leblos viele Genre-Kollegen am Mikrofon eigentlich klingen – der Mann sucht nach wie vor seinesgleichen, wenn es darum geht, Emotion und Energie zu kanalisieren. Dabei werden alle Facetten von weinerlichem Flüstern bis zu entrüstetem Gebrüll in einer Weise abgedeckt, dass man öfter vermuten muss, das Wort „Hymne“ sei nur für Hammill selbst erfunden worden. Ob nun das entfesselte, manische „Killer“, das lyrisch-verträumte „The Emperor In His War Room“ oder das epische „Pioneers Over C“, in allen Metiers brilliert der Mastermind. Effektvoll sind dabei besonders die Momente, in dnen er sich mit drei oder vier Spuren selbst begleitet.
Zusammen schaffen es VAN DER GRAAF GENERATOR, den Hörer mit auf einen tiefgründigen Trip durch die Psyche zu nehmen. Dabei klingt die Truppe glaubwürdiger als manche Metal-Band, die es sich auf die Banner geschrieben hat, verzweifelt und sehnsüchtig zu klingen – bei VAN DER GRAAF GENERATOR ist jedes Gefühl so natürlich verpackt, dass weder ein wiederholtes „I Love You“ in „Lost“ noch herausgeschrienes „We Need Love!“ in „Killer“ in irgendeiner Weise peinlich oder unpassend wirken. Zu sehr fesselt das Soundgewand, zu gebannt lauscht man den sich gegenseitig übertrumpfenden Höhepunkten.
VAN DER GRAAF GENERATOR klingen auf „H To He…“ verstörend, skurril und samtweich zugleich, ohne dabei an Eingängigkeit einzubüßen oder jemals den Faden zu verlieren. Die (nicht nur) für Metal-Hörer reichlich ungewohnte Zusammenstellung aus Instrumenten mag anfangs gewöhnungsbedürftig sein. Doch die Einsicht, dass diese exotische Kombination eben auch dazu verwendet wird, einen einzigartigen Sound zu schaffen und nie gehörte Melodien zu kreieren, kommt bald. Wenige Bands warten auch nur entfernt mit ähnlicher Intensität auf, und offenbar hat sich auch noch niemand für fähig befunden, auf diesen musikalischen Erfolgszug aufzuspringen – Nachahmer sind zumindest mir keine bekannt. VAN DER GRAAF hatten mit diesem Album endgültig ihren ureigenen Sound gefunden, der im Folgenden zwar bisweilen leicht in seiner Fahrtrichtung korrigiert wurde, dabei aber immer unverkennbar blieb.
Anspieltipp: „Pioneers Over C“ – ein elfminütiges Epos, das quasi alles kann.
Wertung: 8.5 / 10