Review Ulver – Flowers Of Evil

  • Label: House Of Mythology
  • Veröffentlicht: 2020
  • Spielart: Electronic

Drei Jahre nach dem unverschämt genialen Modern-Synthpop-Wunder „The Assassination Of Julius Caesar“ melden sich die rastlosen Wölfe von ULVER mit ihrem nunmehr zwölften Album „Flowers Of Evil“ zurück. Aber mehr noch: Zwischen ebenjener Scheibe und dem Debüt liegen genau 25 Jahre. Zeit für eine Bilanz: Wo befinden sich die Black-Metal-Veteranen von 1995 anno 2020?

Unglaublicherweise noch immer nicht an einem Punkt, an denen eine ULVER-Veröffentlichung einer anderen ähnelt; obgleich die Jahre der radikalen musikalischen Umschwünge vergangen und ULVER in den Hafen ihrer kreativen Wohlfühlzone eingefahren sind, biedern sich die Norweger noch immer keinem ihrer erproben Erfolgsrezepte an. Oder etwa doch?

Wegweisender Black Metal in den späten Neunzigern, smoother Ambient in den 2000er Jahren, zuletzt Synthpop, nun … wieder Synthpop? ULVER sind mit „Flowers Of Evil“ sowohl musikalisch als und textlich tatsächlich dicht an „The Assassination Of Julius Caesar“ dran, aber nicht auf der gleichen Spur. Stattdessen drosseln die Norweger das Tempo sowie ein Stück weit die Komplexität ihrer Songs. Die Tracks rauschen nicht mehr als tanzbare Synthpop-Nummern aus den Lautsprechern, übersät mit unzähligen sich überlagernden Tonspuren, sondern erfordern viel mehr bewusste Hördurchgänge, um entdeckt zu werden – das, was einem bei dem überladenen „The Assassination Of Julius Caesar“ in den Schoß fiel, muss vom vergleichsweise minimalistischen „Flowers Of Evil“ eingefordert werden.

Die zwölfte Platte der Norweger ist an keiner Stelle so vertrackt wie „So Falls The World“ und auch nicht so vom Fleck weg zugänglich wie „Nemoralia“ vom Vorgänger, stattdessen pendeln sich die Songs in den ersten Durchläufen eher im nicht aufdringlichen Easy-Listening-Bereich ein. Kantig oder catchy wird „Flowers Of Evil“ also kaum, unterhaltsam bleibt es aber dennoch – wodurch?

Der gediegene, beinah schon melancholische Opener „One Last Dance“ gibt erste Hinweise: ULVER agieren deutlich verhaltener und minimalistischer, konzentrieren sich weder auf ein furioses Finale am Ende eines Songs noch auf einen Ohrwurm-Refrain, sondern bleiben geradlinig im begonnenen, stets atmosphärisch dicht aufgebauten Motiv.

ULVER verbeugen sich dabei erneut tief vor den Wohlfühlklängen der 80er Jahre („Apocalypse 1993“, „Machine Guns And Peacock Feathers“), zeigen ihr Talent für atypische, völlig verkappte Electronic-Hits („Russian Doll“, „Little Boy“) oder fokussieren sich auf eine nur von Ryggs Stimme getragene Eindringlichkeit („Hour Of The Wolf“).

Das schwächelnde „Nostalgia“ ist mit seinen Gospel-Background-Sängerinnen zwar eine klare Reminiszenz an „Southern Gothic“, vermag aber ebenso wenig wie der finale Track „A Thousand Cuts“ zu fesseln. Hier mangelt es an der Dichte, an der sich unter die Haut schleichende Intensität, die den Großteil von „Flowers Of Evil“ bestimmen.

Ein Vierteljahrhundert im Geschäft und doch kein Gefangener dessen: ULVER schreiben (noch immer) keine Songs, um Jubelstürme auszulösen. Die Norweger wollen (noch immer) keine offensichtlichen Hits auf ihre Alben pressen und sich (noch immer) nicht mit lyrisch leichter Kost zufrieden geben – ULVER werfen auf ihrem neuen Album sogar so wenig wie möglich in die Waagschale, um schnell zu gefallen.

Dadurch avanciert „Flowers Of Evil“ erst mit der Zeit zu einem einnehmenden Album, dessen Sogkraft einem „Shadows Of The Sun“ ähnelt, den Vergleich zum übermächtigen, musikalisch ähnlichen „The Assassination Of Julius Caesar“ aber nur schwer standhalten kann.

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Wertung: 8 / 10

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