Review Týr – Hel

Metal, der sich inhaltlich mit Wikingern, Germanen und Göttersagen aus deren Zeiten befasst, wird oftmals nahezu automatisch mit gutturalen Vocals, Folk-Einfluss und einem gewissen unseriösen Party-Image assoziiert. Dass es auch ganz anders geht, beweisen TÝR von den zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln bereits seit 1998. Erwachsen klingende Songs, Klargesang und die Interpretation färöischer Balladen gehören fest zum beliebten Erfolgsrezept der Gruppe. Mit dem nach der Herrscherin der Unterwelt in der germanischen Mythologie schlicht „Hel“ betitelten neuen Album geht dieses in die insgesamt achte Runde.

Der Abstieg in die Unterwelt wird auf dem ersten Song „Gates Of Hel“ durch eine bedächtige Melodie eingeleitet, bevor die Gitarren eine im Mid-Tempo angesiedelte Soundwand errichten. Diese wird dann durch ein im Genre eigentlich naheliegendes, aber bisher ungenutztes und somit neues Element im TÝR-Klangspektrum durchbrochen: Growls. Über 20 Jahre hat es gedauert, bis die Färinger damit experimentieren. Dies mag man entweder als Innovation ansehen oder aber als redundante Mitnahme eines Viking-Metal-Klischees, das die Band bisher auch nicht nötig hatte. So oder so profitiert der Song längst nicht in dem Ausmaß davon, wie TÝR sich das möglicherweise vorgestellt hatten. Der Metal-Sektor hat schon entschieden stärkere gutturale Vocals gehört und so wirkt dieses Experiment, das glücklicherweise eine Episode auf dem Opener bleibt, eher gewollt als wirklich gekonnt. Ansonsten handelt es sich bei diesem um einen ziemlich soliden Song, der mit einem recht eingängigen Refrain aufwartet, insgesamt aber kein absolutes Highlight darstellt, wie man sie sonst schon von der Band gehört hat.

Genau so verhält es sich mit einer Vielzahl der Nummern auf „Hel“, was die üppige Lauflänge von rund 70 Minuten in einem zweifelhaften Licht erscheinen lässt. TÝR verstehen ihr Handwerk nach wie vor und letzten Endes wissen die Songs im Grunde tatsächlich alle zu gefallen, was bei 13 Nummern durchaus positiv herausgestellt werden muss. Das Problem ist aber, dass sich viele solide bis gute Standard-Songs wie der Opener, das darauf folgende „All Heroes Fall“ oder „King Of Time“ mit wiederum besseren oder sogar herausragenden Stücken wie der atmosphärischen Färöer-Nummer „Ragnars Kvæði“, dem ruhigen „Sunset Shore“, in dessen emotionalem Refrain Sänger Heri Joensen all sein Können zeigt, oder dem majestätischen „Empire Of The North“ den Platz teilen. Somit entsteht ein stetiges Auf und Ab, welches nie wirklich in den durchschnittlichen Qualitätsbereich abdriftet, das Album aber doch um einige Nummern zu vollgepackt wirken lässt.

Mit „Hel“ gelingt TÝR abermals ein insgesamt starkes Album, auf dem sich die Band frisch und ohne jegliche Ermüdungserscheinungen zeigt. Wirklich schwache Nummern wird man hier vergebens suchen. Durch die zu große Zahl zwar gelungener, aber nicht herausragender Songs, die die Laufzeit unnötig strecken, nimmt man sich selbst jedoch etwas den Wind aus den Segeln. Das ändert zwar nichts daran, dass sich Fans der Band auch über einige neue hervorragende Lieder freuen dürfen. An die hohe Qualität von Alben wie „By The Light Of The Northern Star“ oder „The Lay Of Thrym„, auf denen sich im Grunde bis auf wenige Ausnahmen ein Höhepunkt an den nächsten reiht, können TÝR mit ihrer achten Platte bedauerlicherweise aber nicht anknüpfen.

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Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

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