Twelve Foot Ninja Vengeance Coverartwork

Review Twelve Foot Ninja – Vengeance

TWELVE FOOT NINJA sind hierzulande noch ein Geheimtipp, das könnte sich mit dem groß angelegten „Project Vengeance“ aber ändern. Seinen Anfang nahm das große mediale Projekt mit dem 8-Bit-Videospiel „Brusnik’s Long Way Home“ im Juni 2021. Das Spiel hat Gitarrist Steve MacKay über Kickstarter finanziert und mitentwickelt; die Spieler konnten durch das Sammeln bestimmter Items das Musikvideo zu „Long Way Home“ freischalten. Einen Monat später folgte die ebenfalls von MacKay geschriebene Graphic Novel „Vengeance“ mit einer Universen umspannenden Story um den Charakter TWELVE FOOT NINJA – ein Ninja, der bei Bedarf auf zwölf Fuß Größe anwachsen kann. Zusammen mit dem Album „Vengeance“ wird zudem noch der Fantasy-Roman „The Wyvern And The Wolf“ von Nicholas Snelling veröffentlicht, der die fiktive Hintergrundgeschichte des namengebenden Ninjas erzählen soll.

Das ist am Ende aber alles nur schmückendes Beiwerk, wichtig ist die Musik auf „Vengeance“. Die Australier nahmen schon auf „Silent Machine“ (2012) und „Outlier“ (2016) keine Rücksicht auf Genregrenzen und sind auch 2021 unverkennbar. „Start The Fire“ eröffnet den knapp 35-minütigen Trip mit wuchtigen Nu-Metal-Riffs zwischen Korn und Five Finger Death Punch, schwenkt aber plötzlich um zu einem spacigen Electro-Funk-Part. „Long Way Home“ mischt System-Of-A-Down-Atmosphäre mit Reggae, düsteren Orchesterklängen und harten Djent-Riffs. Groovender Thrash Metal wird durch die Trompeten einer Mexican-Brass-Band unterbrochen („Culture War“), während „Gone“ an den unbeschwerten Crossover-Stil von Faith No More erinnert.

Der Faith-No-More-Vergleich kommt nicht von ungefähr. Deren Frontmann Mike Patton ist wohl einer der größten und vielseitigsten Sänger der letzten Jahrzehnte und beherrscht einen unglaublichen Stimmumfang. Nik Barker bekleidet bei TWELVE FOOT NINJA eine ähnlich bedeutsame Rolle. Mit seiner gewaltigen Range findet er immer den richtigen Ton für die jeweils angeschlagenen Noten: Ob wütende Screams, poppig-fluffige Gesänge, hypnotisches Säuseln oder kraftvolle Klänge – Barker beeindruckt in jedem Moment. In „Over And Out“ harmoniert er auch wunderbar mit Tatiana Shmayluk beim gemeinsamen Singalong. Dass die Jinjer-Sängerin eine harmonischere, symphonischere Seite als bei ihrer Hauptband zeigt und das hervorragend zum Sound von TWELVE FOOT NINJA passt, macht den Song umso besser.

Dass „Vengeance“ auch von der aktuell populären Achtziger-Retrowelle durchzogen ist, zeigt nicht nur das stimmige Coverartwork: „IDK“ etwa beginnt mit 8-Bit-Sounds und „Shock To The System“ baut auf eine Synthwave-Basis. Während auf den beiden Vorgängeralben die Mixtur noch nicht immer stimmig war und das eine oder andere Element ungeschickt eingewoben wurde, passt auf „Vengeance“ alles zusammen. So unerwartet und plötzlich die Übergänge und Breaks auch kommen, so unpassend die Genremischung auf dem Papier auch wirken mag – jede Sekunde des Albums ist schlicht perfekt aufeinander abgestimmt: Alternative, Progressive und Nu Metal, Electronic Funk, Acid Jazz, Reggae, dazu Synth- und Orchester-Elemente und so vieles mehr.

Das klingt alles unfassbar wild, aber ebenso unfassbar gut passt ein Puzzlestück ans andere. Klar, also Hörer muss man bei TWELVE FOOT NINJA offen sein für alle möglichen musikalischen Einflüsse. Dafür belohnt „Vengeance“ dann aber auch mit einem musikalischen Gesamtkunstwerk, das über die gesamte Laufzeit in Frage stellt, warum die einzelnen Elemente noch nie verbunden wurden, so elegant, natürlich und stimmig wirkt das Album mitsamt aller Details. Dazu kommt noch eine Menge Humor, der vor allem in den albernen Musikvideos deutlich wird.

TWELVE FOOT NINJA bräuchten rein qualitativ gesehen kein großes, mediales Projekt, um mit „Vengeance“ Aufmerksamkeit zu generieren. Der dritte Langspieler der Australier ist ein riesiger Ozean voller kreativer Ideen: ein mutiges und innovatives Album, das Gegensätzliches spielend leicht zusammenfügt, als hätte es all diese musikalischen Grenzen nie gegeben. Irgendwo zwischen Korn, Devin Townsend, Meshuggah, Faith No More und Jamiroquai haben TWELVE FOOT NINJA ihren Sound gefunden und sind auf erstaunliche Weise eigenartig, eigenständig und einzigartig. „Vengeance“ ist eines der originellsten und überraschendsten Metal-Alben des bisherigen 21. Jahrhunderts und verdient jede Aufmerksamkeit. TWELVE FOOT NINJA haben etwas Großes, vielleicht sogar Legendäres erschaffen.

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Wertung: 10 / 10

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4 Kommentare zu “Twelve Foot Ninja – Vengeance

    1. Hi Doro!
      Sehr gerne, hoffentlich gefällt dir das Album ebenso gut wie mir. Eine Review zur Graphic Novel und ein Interview mit Steve McKay zum „Project Vengeance“ folgen die Tage übrigens auch noch.
      Auf die Tour freue ich mich auch und werde, wenns klappt, in München dabei sein.

      1. Hi Stefan, super Interview mit Stevic, auch dafür ein dickes Danke. Habe immer noch leichte Skepsis, ob diese Tour wirklich stattfinden kann, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Frankfurt wird’s für mich.
        Muss mich in das Album noch mehr reinhören, es ist echt mit Abstand noch abgefahrener als Outlier. Habe im Nachhinein das Gefühl, dass sie mit der Djent-Lastigkeit auf den ersten zwei Alben Hörer gewinnen wollten, um jetzt mit Album Nr. 3 endlich das machen zu können worauf sie wirklich Bock haben ;-)

        1. Danke dir, freut mich sehr, wenn dir das Interview gefallen hat :-)

          Die Skepsis teile ich und aus Stevics Antwort auf die Frage nach der Tour kann man ja gut herauslesen, dass auch er selbst noch nicht ganz überzeugt davon ist, dass alles glatt laufen wird. Aber die aktuellen News, dass Australien noch vor Weihnachten die Einreise für internationale Touristen erlauben will, machen ja Hoffnung, was die weitere Öffnung des Landes angeht.

          Sehe ich genau so wie du, „Vengeance“ ist auf jeden Fall noch abgefahrener und überraschender und macht gerade dadurch so viel Spaß :-)

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