Review Tvinna – Two – Wings Of Ember

Hinter TVINNA liegen bewegte Zeiten: Zwischen dem Debüt „One – In The Dark“ und „Two – Wings Of Ember“ sind fast auf den Tag genau drei Jahre vergangen, die Corona-Pandemie tat ihr Übriges dazu. Von der ursprünglichen Besetzung geblieben sind Sängerin Laura und Gitarrist Rafael Fella, die sich mit Alain Ackermann am Schlagzeug und Sascha van der Meer neue Weggefährten gesucht haben. Auch stilistisch präsentiert sich das post-rockige Ensemble von einer anderen Seite als bisher. Das Ergebnis ist vielschichtig, emotional tiefgründig und in seiner Fülle auch neu.

Insgesamt klingen TVINNA auf ihrem zweiten Album düsterer und härter. Die Texte, das Artwork und Co. stehen dieses Mal unter dem Motto des Feuers und verkörpern mit der Kindheit bzw. Jugend die zweite Stufe des Lebens. Damit knüpft der Vierer an sein Debüt rund um die Geburt und das Wasser als prägendes Symbol an. Musikalisch und lyrisch ist das Ergebnis auf „Two – Wings Of Ember“ auch dichter und komplexer als bisher: Die ersten drei Videosingles „Louga“, „Two Staves“ und „Fortress“ bieten einen sehr guten Überblick über das, was das gesamte Werk auszeichnet. „Louga“ erinnert dabei noch am ehesten an die Anfänge von TVINNA, da Eluveitie-Fronterin Fabienne Erni als Zweitstimme mitwirkt. Wenig überraschend ergänzen sich die beiden Frauenstimmen harmonisch und unterstreichen die Botschaft des Songs: ein althochdeutsches Gebet bzw. ein Ritus an das Leben, die Liebe und vor allem die Kinder. Das Bukkehorn von Maria Graf ist instrumental eine ungewöhnliche, aber stimmige Ergänzung. Unter anderem die Tatsache, dass in „Louga“ am Ende eine Kinderstimme zu hören ist, die in keinen schwülstigen Chor übergeht, macht das Ergebnis angenehm wenig kommerziell ausgerichtet, sondern vielmehr auch in diesen Details authentisch und durchdacht.

„Fortress“ empfiehlt sich für den Einstieg in die mannigfaltigen Klangwelten TVINNAs: Darin greift die Combo erneut das „Wessobrunner Gebet“ auf, dieses Mal die schöpferische Kraft der Mutter. Anfangs steht der elektronisch-verzerrte Gesang von Laura im Vordergrund, später mündet „Fortress“ in eine progressive Urgewalt mit viel Schlagzeug und Gitarre ähnlich wie in „Irwahhên“ oder „Dawn Of Mine“. Auch hier trifft ausdrucksstarker, teils mehrstimmiger Gesang auf Gitarren- und Schlagzeuggewitter, die gekonnt verwoben eine Geschichte erzählen und eine tiefe Botschaft in sich tragen: Das Feuer TVINNAs entsteht oft im Einklang mit einer Dunkelheit bzw. funktioniert gemäß Yin und Yang nur im Zusammenspiel mit ihr. Diese fließenden Wechsel und Übergänge sowie die Ambivalenz sind vermutlich die größte Stärke und das hervorstechendste Alleinstellungsmerkmal des Projekts, da es sich in jeder Faser widerspiegelt. Eine gewisse Naturverbundenheit und spirituelle Ader helfen dabei, initialen Bezug zu der Musik und den Inhalten aufzubauen.

Der Opener „Nénuphar“ dürfte Fans der ersten Stunde freuen: So sind an der Vertonung von Rainer Maria Rilkes „Die Seerose“ mit Fiona Rüggeberg und Fieke van den Hurk gleich zwei weitere ehemalige TVINNA-Mitglieder beteiligt. Während Fiona dem Song mit ihrer Stimme wohlklingenden Ausdruck verleiht, steuert Fieke einige Synthie-Elemente bei. Die beiden Ex-Sängerinnen wirken einzeln auch noch an „Irwahhên“ und „Fortress“ mit. Dass mit Stephan Groth und seiner Drehleier ein aktueller Faun-Bandkollege von Laura dem Titeltrack eine weitere, bis dahin ungehörte Nuance verleiht und bei „The Fall“ stimmlich ausgerechnet den düstersten Song von „Two – Wings Of Ember“ bereichert, mag wie eine naheliegende Lösung wirken, ist aber mehr als nur ein simples Mittel zum Zweck oder Namedropping. Alle Gäste wirken immer stimmig integriert, gleichzeitig brechen die Songs auch mit Featurings nie aus den definierten Klangwelten aus. „The Fall“ ist am Ende eine (weitere) dramaturgische Hinführung zu „Der Weg“, das mit einem deutschen Titel und englischen Lyrics überrascht. Gleichzeitig ist „Der Weg“ auch ein bisschen die Essenz des Albums und vielleicht der Ausgangspunkt für weitere Konzeptalben über die Elemente sowie das menschliche Leben bis zum Tod.

Kein Zweifel, TVINNA wollen viel, bieten viel und können viel. „Two – Wings Of Ember“ ist ein komplexes Werk, in das hörbar viel Herzblut geflossen ist. Jeder Song besitzt eine Seele, die Produktion ist auf einem hervorragenden Level und musikalisch bewegen sich TVINNA eigenständig irgendwo zwischen Heilung, Opeth, Alcest und vielem anderen. Wer sich auf diese Musik einlässt und den Zugang findet, der bekommt wundervolle, ausdrucksstarke und tiefgründige Klangwelten serviert. Wer es gerne konventioneller mag, ist hier falsch.

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Wertung: 8.5 / 10

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