Review Tsjuder – Helvegr

  • Label: Season Of Mist
  • Veröffentlicht: 2023
  • Spielart: Black Metal

Der „Diesel Demon From The Deep“ taucht wieder aus den pechschwarzen norwegischen Gewässern auf! Warum auch immer TSJUDER seit Beginn ihrer Diskographie eine Liebe zu U-Booten entwickelt haben, der scheinbar langfristige Aufenthalt in arktischen Tiefseegebieten verhindert erfolgreich jede Innovation, und das ist gut so. Denn Tsjuders neueste Seefahrt „Helvegr“ ist ungewollt, doch unleugbar, der tanzbarste Black Metal seit Urgehals „Satanic black Metal in Hell“. Das könnte bei einem Review für ein Black Metal Album einen völligen Verriss bedeuten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Norweger zaubern ihren Hörern ein so debiles Grinsen auf jedes Gesicht, dass es schwer wird, die Mundwinkel des Corpsepaints ausgleichend nach unten zu zeichnen.

Freundlicherweise hat das Label alle Lyrics des Albums mitgeschickt. So werden wir Zeugen großer nordischer Lyrik wie „Black metal razor blades / Fifty cal hellraiser / Barbed wire wrapped / Diesel monster unleashed“ oder “Satanic orgies in the heavens / We toast in blood of the holy Demons, Devils, Enemies of divine”. Was auch immer uns die Band damit sagen will, die Stimmung passt. Es gilt unumwunden „Fire for effect!“

Natürlich ist das keine Parodie. TSJUDER sind keine Spaßgruppe, verstehen sich auch nicht als solche und sind ernstzunehmende Musiker, die eiskalten, brutalen und dabei stets rockigen Black Metal zweifellos beherrschen, wenn sie es wollen. An und für sich bieten die Norweger auf „Helvegr“ gutbürgerliche Kost: Vom einleitenden, Black’n’Roll-lastigen „Iron Beast“ über simple Thrash-Attacken wie „Gamle-Erik“ und durchaus episch anmutenden Verneigungen gen höllischen Thronsaal („Gods Of Black Blood“) bieten TSJUDER an keiner Stelle bis zum Verklingen des vollkommen nichtssagenden Outros „Hvit Død“ umwerfende Innovation, aber oft Gehörtes. Dabei gut Gemachtes. Eine musikalische Currywurst von hoher fleischlicher Qualität. Dass die musikalische Verneigung in Richtung der alten Meister Mayhem im Titelsong etwas sehr unterwürfig, sprich: offensichtlich dreist kopiert ausfällt, ist so erwartbar wie verschmerzbar. Einzig störend ist der Sound der Drums, die oft an Rototom-Experimente der 80er Jahre erinnern.

Es ist vielmehr der Kontrast von strikter Ernsthaftigkeit und der ostentativen Zurschaustellung jedes, aber auch wirklich jedes Klischees bei völliger Verweigerung muskalischer Innovation, welcher dem Album eine ungewollte Lebensfreue verleiht. Das Faszinierende daran ist ja, dass die Kalkulation aufgeht. Auch das eingangs erwähnte „Goatcraft Torment“ von Urgehal lebte ja aus seiner Kombination von bitterbösen BM-Hymnen und testosterontriefenden Black’n’Roll mit absurden Texten. TSJUDER kann man vorwerfen, dass sie, im Gegensatz zu den wieder aktiven Urgehal, dies auf wirklich jeder ihrer einzelnen Alben tun. Auch der „Diesel Demon“ ist ein immer wieder auftauchender Begleiter seit dem Debut „Kill for Satan“ (noch Fragen zu „Klischees“?).

Es hat seine Richtigkeit, dass das Album im Sommer erscheint. Eine ordentliche Bluetooth-Box vorausgesetzt, ist „Helvegr“ durchsetzungsfähig genug, um einen Platz auf der Liegewiese im Freibad freizuboxen, um dann die allfällige Grillage perfekt zu umrahmen. Außerdem kühlt der Albumsound die sommerlichen Temperaturen um eine angenehme Anzahl nach unten. Auch auf jedem Sommerfestival verspricht ein TSJUDER-Auftritt beste Laune und riesige Moshpits. Nur bitte nicht im Zelt bei Schweineblut, sondern bei prallem Sonnenschein und Bier. Ob das Nag, Draugluin und Jon Rice, den Musikern hinter TSJUDER nun gefällt oder nicht, der Sommerhit des Jahres 2023 riecht diesmal nach Öl und Tiefsee.

 

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Wertung: 7 / 10

Redaktion Metal1.info

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