Review Troll – Trolldom

TROLL ist eine Band, wie sie für den Black Metal der 1990er-Jahre typischer kaum sein könnte: 1992 von Nagash alias Stian André Arnesen im zarten Alter von 14 Jahren gegründet, hat die Band ihren Ruf vor allem dem Debüt-Album „Drep De Kristne“ zu verdanken. Das Album selbst wiederum kann man wohl mit Fug und Recht als genreprägend bezeichnen, schließlich präsentierten TROLL hier bereits einen sehr ausgereiften und für damalige Verhältnisse revolutionären Mix aus rohem Black Metal und symphonischen Keyboards – wohlgemerkt in einer Zeit, als Cradle Of Filth noch in der Findungsphase zwischen den ersten zwei Alben steckten und Dimmu Borgir noch ziemlich true vor sich hin stormblasteten.

Geholfen hat das TROLL, wie so oft, wenig: Während Cradle Of Filth und Dimmu Borgir zu den größten Bands des Genres wurden – bei letzteren war Nagash übrigens von 1996 bis 1999 als Bassist und Sänger involviert – blieben TROLL im Underground stecken: Die Folgealben „The Last Predators“ (2000) und „Universal“ (2001) versumpften im Underground, und als TROLL 2010 mit dem musikalisch hervorragenden „Neo-Satanic Supremacy“ zurückmeldeten, war der Zug gen Weltruhm längst abgefrahren.

Es wäre also nicht verwunderlich gewesen, hätten TROLL nach diesem unterbewerteten Output ihre Instrumente an den Nagel gehängt – und lange sah es auch danach aus. Zum Glück funktionieren Bands aber nicht nach dem Erfolgsschema. Und so kamen TROLL – zehn Jahre später – 2020 zumindest mit der EP „Tilbake Til Trollberg“ wieder aus ihrer Höhle gekrochen. Mit „Trolldom“ erscheint nun tatsächlich noch ein neues Studioalbum.

Hinter dem so kauzigen wie passenden Artwork stecken 37 Minuten Musik – und schnell zeigt sich: „Trolldom“ ist das Album, auf das Fans der Band seit „Drep De Kristne“ gewartet haben dürften. Denn die Norweger liefern ihren Hörerinnen und Hörern mit den sieben Songs exakt das, was man von dieser verschrobenen Band erwartet. Harsches Schrammel-Riffing und fiese Screams treffen auf eingängige, aber eben nie kitschige Keyboards. So lässt etwa „Angerboda“ an eine wirklich true-schwarzmetallene Version von Finntroll denken, während „The Beast“ mit einem coolen Mix aus Keyboards und punkigem Black ’n‘ Roll begeistert. Und obwohl dieser Stilmix in der heutigen Musiklandschaft des Black Metal eigentlich nicht mehr existiert, klingt „Trolldom“ nicht angestaubt.

Das liegt definitiv nicht zuletzt daran, wie „Trolldom“ klingt: nämlich durchaus true, aber eben nicht altbacken. Interessanterweise ist es ausgerechnet ein Deutscher, der TROLL so authentisch „norwegisch“ klingen ließ wie nicht mehr viele Black-Metal-Bands dieser Tage: Mit Florian Dammasch alias Alboin (Eis) haben sich Nagash und Konsorten einen bislang nicht wirklich renommierten Produzenten gesucht – und doch den perfekten Mann für diesen Job gefunden: Mit seinem Faible für traditionellen und doch zeitgemäß produzierten Sound packt er die Songs bei der Seele: Obwohl alle Trommeln und Becken, alle Gitarren und Keyboards und sogar der Bass im Mix erfreulich präsent sind, lässt „Trolldom“ den Spirit der 1990er-Jahre aufleben.

Manchmal muss man die Dinge eben einfach aussitzen: Während sich etwa Dimmu Borgir immer weiter in die Belanglosigkeit melodischen Black Metals verabschieden und auch Cradle Of Filth längst der Überproduktion anheimgefallen sind, stoßen TROLL mit „Trolldom“ – 13 Jahre nach ihrem letzten Album – in die so entstandene Lücke. Wer Black Metal mit viel Keyboard, aber eben ohne Kitsch und Schwulst, hören möchte, ist bei TROLL auch im Jahr 2023 an der richtigen Adresse.

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Wertung: 8.5 / 10

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