Review Todesstoß – Säuglings- hängwerk Aushilfsheins

  • Label: Traumorgane-Kreationen
  • Veröffentlicht: 2011
  • Spielart: Black Metal

Während die Einordnung eines in der Promosendung enthaltenen Päckchens Gummibärchen als „Bestechungsversuch“ recht leicht fällt, ist die richtige Deutung eines beigelegen Teebeutels der Geschmacksrichtung „Freu Dich – Aufmunternde Kräuterteemischung“ sowie eines Tütchens Xucker („…so süß wie Zucker, aber zahnfreundlich“) schon schwieriger – gerade, wenn es sich bei der beiliegenden CD um Suicidal Black Metal handelt.

Möglichkeiten gibt es indes viele: Die offensichtlichste wäre, dass dem sowieso schon verschrobenen Bild, das TODESSTOß abgeben, bloß ein weiteres, abgefahrenes Element hinzugefügt werden soll – eine andere, wohl weniger wahrscheinliche, dass der Absender sich durchaus bewusst ist, dass das, was er dem Redakteur hier zumutet, wahrlich starker Tobak ist, und er diesen mit einem Entspannungstee seinem musikalischen Gebräu gewogener stimmen möchte. Allein, eine Gebrauchsanweisung beizulegen, wäre nicht verkehrt gewesen – stehe ich so doch etwas ratlos vor der Frage, ob ich mir „Freu Dich – Aufmunternde Kräuterteemischung“ vor oder nach dem Genuss von „Säuglingshängwerk Aushilfsheins“ hätte einverleiben müssen.
Für beide Varianten gäbe es gute Argumente, ist das Album doch einerseits derart abgefahren, dass man durchaus entspannt und bei der Sache sein sollte, um sich darauf zu konzentrieren – andererseits jedoch auch derart kaputt, dass etwas Aufmunterung danach sicher nicht verkehrt wäre.
Als selbstverständlich unbestechlicher Redakteur liegt der Teebeutel (gemeinsam mit dem mir noch etwas dubioser erscheinenden Xucker) unangetastet auf meinem Schreibtisch, während „Säuglingshängwerk Aushilfsheins“ seine Runden dreht – wo kämen wir schließlich hin, würde mir jeder Musiker die Substanz mitschicken, unter deren Einfluss seine Musik seiner Meinung nach am besten wirken würde… doch genug der langen Reden.
Musikalisch klingen TODESSTOß ein wenig wie Bethlehem mit schlechtem Sound… insofern also eigentlich genau wie Bethlehem zu „S.U.i.Z.i.D“-Zeiten: Die Gitarren pfeifen aus dem letzten Loch, dazu wummert irgendwo in den unendlichen Weiten viel zu groß angelegter Hallräume ein Schlagzeug und, für diese Kombination eigentlich viel zu präsent, heult, jammert, krächzt und lallt Martin Lang, als hätte er und nicht Marco Kehren erwähntes Bethlehem-Album eingesungen.
Als wäre das nicht anstrengend genug, besteht das Album zudem lediglich aus zwei Songs, welche zusammen dennoch eine Spielzeit von 45 Minuten füllen.
Weiß der halbstündige Titeltrack dabei noch halbwegs zu gefallen, lässt spätestens „Spannungstrauma X“ ein fast schon greifbares Fragezeichen über meinem Kopf aufploppen und in die Höhe steigen: Klargesang, an der Grenze des Unzumutbaren, macht es nahezu unmöglich, sich mit der hier jedoch sowieso nur rudimentär als Begleitung ausgearbeiteten Musik zu befassen.
So ambivalent wie die Musik ist auch die graphische Gestaltung des Albums: Weiß die Pappschubergestaltung durchaus mit künstlerischem Anspruch und durch eine gelungene Umsetzung zu gefallen, wirken die kunstblutrünstigen Puppen-Massaker-Photos wie das Artwork eher gewollt als gekonnt.

Im Großen und Ganzen weiß mich „Säuglingshängwerk Aushilfsheins“ tatsächlich nur von der Notwendigkeit der Aufnahme eines großen „ß“ in das deutsche Alphabet zu überzeugen (ich meine, TODESSTOß geht rein optisch ja mal wirklich gar nicht, oder?) – denn was die Herren hier musikalisch abliefern, ist wohlwollend ausgedrückt „gewöhnungsbedürftig bis speziell“. Wertung werde ich deshalb in diesem Falle keine vornehmen. Denn wo Fans der wirklich kaputten Bethlehem-Alben hier, so sie sich nicht an eventuell zu nah am Original gezogenen Parallelen stören, vielleicht seit langem wieder eine Band finden könnten, die genau ihren Nerv trifft, dürfte dieses Album wohl für alle anderen ein absolutes Martyrium darstellen.
Zu guter Letzt wäre damit aber wohl zumindest noch die Frage nach dem Sinn des Teebeutels geklärt. Denn wie schrieb schon der Werbefachmann einer großen Getränkefirma auf den Tetrapack eines etablierten Teegetränks, oder, um es etwas gebildeter klingen zu lassen, wie sagte schon Tien Yieheng? Genau:
„Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen.“

Keine Wertung

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