Review Threshold – Legends Of The Shires

THRESHOLD hätten es sich leicht machen können. Sie hätten einfach ein weiteres Mal versuchen können, “March Of Progress” aufzunehmen, ihr Erfolgsalbum aus dem Jahr 2012. Schließlich hatte das bei “For The Journey” ganz ordentlich geklappt. Aber nein, es sich leicht zu machen, das war ihre Sache nicht. Stattdessen veröffentlichen die britischen Progressive Metaller mit “Legends Of The Shires” ein Monster von einem Doppelalbum, das sich wieder weit mehr dem klassischen Progressive Metal als dem Power Metal annähert.

Herausgekommen ist ein Album, das spür- und hörbar den älteren Einflüssen THRESHOLDs huldigt. Wer also eher ein Fan der Alben bis „Hypothetical“ ist, wird sich sofort zu Hause fühlen. Aber keine Angst, Freunde der jüngeren Alben – auch für euch ist gesorgt, wenn es vielleicht auch einen kleinen Moment länger braucht. Denn so eingängig wie die vorab veröffentlichte Single „Small Dark Lines“ wird es auf dem Album tatsächlich kein zweites Mal. Dennoch baut die Scheibe eine magische Stimmung auf und hat einen unglaublichen Spannungsbogen, der das gesamte Schaffen THRESHOLDs abbildet.

Passend zu dieser leichten Trendwende hat die Band zudem den Sänger gewechselt – gut, eine echte Überraschung ist auch das nicht. Immerhin rotieren THRESHOLD schon seit langem ihre Sänger durch. Dieses Mal waren es wohl Unstimmigkeiten über die künftige Rolle von Sänger Damian Wilson, der nach allem, was man weiß, für sich Mitspracherechte beim Songwriting beanspruchte. Das aber wollten ihm die Chefs der Band, Richard West und Karl Groom, offenbar nicht zugestehen . Ersetzt wurde er durch Glynn Morgan, der schon auf dem zweiten Studioalbum „Psychedelicatessen“ (1994) am Mikrofon stand. Und klar, man wird sich sorgen dürfen, ob Glynn bei den Live-Performances das hohe Niveau von Damian erreichen kann. Aber was man nicht anzweifeln kann, ist dass er auf „Legends Of The Shires“ einen verdammt guten Job macht.

Und so ist auch dieses THRESHOLD-Album wieder eine emotionale Reise voller großartiger Lieder und Melodien geworden, vielleicht sogar etwas abwechslungsreicher als bei den früheren Alben. Ich könnte über fast jedes Lied eine kleine Lobeshymne schreiben. „Small Dark Lines“ ist ein intelligenter Power-Metal-Song. „The Man Who Saw Through Time“ und „Trust The Process“ sind typische Prog-Langnummern mit erhabenen Momenten und großartigen Instrumental-Passagen, die trotzdem mit hammermäßigen Refrains bestechen. Immer wieder blitzt auch die Vorliebe der Band für Pop-taugliche Melodien durch, die man ihnen angesichts der komplexen Songaufbauten aber sofort verzeiht („Stars And Satellites“). Mit „State Of Indepence“ trauen sich THRESHOLD sogar auf das verminte Gelände der Power-Ballade und führen dort einen wahren Freudentanz auf. Tobias Sammet, mach‘ Notizen!

Wenn am Ende mit „Lost in Translation“ ein wahres Meisterwerk das Album (fast) beschließt, steht vor allem eines fest: THRESHOLD sind und bleiben eine wahre Macht. An ihnen kommt keiner vorbei, der auf intelligenten Power Metal oder hochmelodiösen Progressive Metal steht. Das Hausrezept der Band war schon lange, kluge und anspruchsvolle Songs mit großartigen Melodien zu strukturieren. Auf „Legends Of The Shires“ haben sie es einmal mehr so erfolgreich variiert, dass ich nur meinen imaginären Hut ziehen kann – ein echter Kracher!

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Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

2 Kommentare zu “Threshold – Legends Of The Shires

  1. Sollte es irgendwann mal einen VHS-Kurs geben: „Wie mache ich jahrzehntelang hochwertige Prog-Alben am Stück“, dann müssen Karl Groom und Richard West die Dozenten sein.

    Auch dieses Album ist wieder ein Feuerwerk an Melodien und gut gemachter Songs. Ich finde diese Unaufgeregtheit der Kompositionen schlicht genial. Zwar muss ich auch sagen, dass die zweite Scheibe etwas abfällt, aber trotzdem wird man bis zum Schluss sehr gut unterhalten.

    Glynn Morgan liefert in der Tat einen sehr guten Job. Er schafft es mit seiner rauhen Stimme immer wieder gute Akzente zu setzen. Mal schauen, wie er sich dann auf der Tour schlägt.

  2. Als die Band verkündete, dass Glynn zukünftig Damian ersetzt, war ich zunächst ziemlich schockiert, weil diese Nachricht sehr unvermittelt kam und ich mir Threshold live ohne einen so lockeren und publikumsnahen Frontmann wie Damian schlecht vorstellen kann.

    Das Album hat mich allerdings besänftigt: Glynn singt ganz hervorragend, und zusammen mit seiner rauhen Rockstimme sind auch die Gitarren wieder lauter und das Tempo höher geworden – das gefällt mir! Ich halte die Platte für eine ihrer besten, würde allerdings „Dead Reckoning“, „Hypothetical“ und „Subsurface“ noch höher einstufen. Die zweite Seite wirkt zunächst unscheinbar, hat aber mit Songs wie „Superior Machine“ und „Snowblind“ (da sind so viele großartige Melodien drin, das reicht bei anderen Bands für ein ganzes Album) auch richtige Highlights zu bieten. Von mir gibt es 8.5/10. Zu kritisieren habe ich, dass die Übergänge vom flotten Rocker zur soften Powerballade manchmal etwas hart sind, und zudem keinerlei Konzeptalbum-Atmosphäre aufkommt.

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