Review Threshold – For The Journey

Zugegeben, am Anfang war ich skeptisch. THRESHOLD wollen entgegen ihrer üblichen langen Lücken zwischen den Alben schon zwei Jahre nach dem Überwerk „March Of Progress“ ein neues Album veröffentlichen? Und dann, so konnten zumindest böswillige Menschen behaupten, klang der erste veröffentlichte Track „Watchtower On The Moon“ verdächtig nach Bonusmaterial vom Vorgänger. Andererseits hat es bei der britischen Ausnahmeband schon fast Tradition, die Leute mit der Vorabveröffentlichung zu verwirren – und das ist wieder gelungen, denn „For The Journey“ ist facettenreich, keinesfalls eine Wiederholung des Vorgängers und unbedingt zu empfehlen.

Man erkennt ihn inzwischen fast sofort, den typischen THRESHOLD-Sound. Auch dieses Album lebt wieder von der präzisen Gitarrenarbeit, den Keyboard-Teppichen und dem unmenschlich guten Drumming. Was aber das wichtigste ist und THRESHOLD schon immer von anderen Progressive-Metal-Bands abgegrenzt hat, ist, dass sie niemals in überflüssiges Gefrickel verfallen, das purer Selbstzweck ist. Bei allem Talent und Können schreibt diese Band immer organische Songs mit Refrains, die sich sofort im Gehörgang festsetzen und über Tage nicht mehr verschwinden. Das ist auch auf „For The Journey“ der Fall und gilt für fast jeden Song: Sei es das eingängige „Watchtower On the Moon“, die Ballade „Lost In Your Memory“ oder das überraschend andere „Siren Sky“.

Erstaunlicherweise sind gerade die ersten beiden Titel der Scheibe diejenigen, denen man noch vorwerfen könnte, die Band hätte sich wenig entwickelt. „Unforgiven“ scheint trotz seiner Qualitäten fast unspektakulär, wenn man die Großtat „March Of Progress“ noch im Kopf hat. Bevor man aber als Hörer genug Zeit hat, darüber zu räsonieren, tönt mit „The Box“ bereits das wohl epischste Stück aus den Boxen, das THRESHOLD je geschrieben haben. Auf fast zwölf Minuten baut der Song eine phänomenale musikalische Spannung auf, die über die ganze Länge gehalten werden kann. Besonders profitiert das Lied von der grandiosen Gesangsleistung von Damian Wilson, der sich auf „For The Journey“ in der Form seines Lebens zeigt.

Auf der zweiten Hälfte von „For The Journey“ beginnen schließlich die Experimente und Varianten. „Lost In Your Memory“ erinnert in seinem etwas reduzierteren Klangkleid an frühere Alben im Stil von „Hypothetical“. Mit „Autumn Red“ und später „Siren Sky“ schleichen sich gar einige poppige Melodieführungen auf das Album. „The Mystery Show“ hingegen setzt voll auf Atmosphäre und fährt das Tempo deutlich zurück. „Siren Sky“ schließlich ist der vielleicht ungewöhnlichste THRESHOLD-Titel der letzten Alben. Man kann an ihm den Mut bewundern oder die Tendenzen zum Kitsch kritisieren – beides wohl mit Recht.

Ist „For The Journey“ so gut wie „March Of Progress“? Vermutlich nicht ganz. Aber es ist offener und vereint bewährte mit frischen Elementen. Wer „March Of Progress“ liebt, wird auch dieses Album mögen. Klare Kaufempfehlung.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marc Lengowski

3 Kommentare zu “Threshold – For The Journey

  1. Ich bin grundsätzlich erst einmal begiestert davon, wie die Band es nach so vielen Jahren trotzdem noch immer wieder schafft, sehr gute Alben zu veröffentlichen. Wo man anderen Bands schon mal den Vorwurf machen kann, dass es bei der Veröffentlichung an einer gewissen Leidenschaft (mehr Vertragsarbeit) fehlt, so trifft das auf Threshold jetzt schon zum zweiten mal hintereinander nicht zu.

    Aber ich denke dieses Geheimnis liegt auch eben darin begründet, dass sie sich tatsächlich nicht in Gefrickel verlieren, sondern die Leute ganz bewusst mit stark melodiös geprägten Songs unterhalten wollen. Ich habe jetzt schon wieder locker 2-3 Songs wo ich weiss, dass da die Tourhallen ordentlich abrocken können, ohne plötzlich wieder erst mal einer fünfminütigen Frickelorgie zuhören zu müssen, bis sie vielleicht mal wieder ganz zum Schluss musikalisch mitgehen können.

    Und was mich auch an diesem Album wieder überrascht hat, sind die teilweise völlig neuen Sounds, die Richard West auspackt. Da kommt eine total neue Atmosphäre auf, die sich insbesondere bei „The Box“ bemerkbar macht. Dieser Song ist schon jetzt einer meiner absoluten Highlights in ihrem Katalog.

    P.S. Bei Siren Sky habe ich soundtechnisch irgendwie das Gefühl dass da Arjen Lucassen ungenannter Gastmusiker ist. ;-)

  2. SIcher, man kann da auch anderer Meinung sein. Für mich ist „March Of Progress“ das bisher beste Threshold-Album, aber meilenweit auseinander liegen „Dead Reckoning“, „March Of Progress“ und „For The Journey“ ohnehin nicht. Ich mochte Mac auch sehr gerne, aber Damian ist in seinem Gesang variabler und hat den größeren Stimmumfang, das wird man kaum bestreiten können. Für mich passen beide ganz ausgezeichnet zu der Musik von Threshold.
    Die leichten Kitschanflüge sind mir auch aufgefallen, das stimmt schon und darf man sicher kritisch sehen (habe ich ja auch geschrieben).

  3. Ohne Zweifel ist „For The Journey“ wieder ein gutes THRESHOLD-Album. Genau wie beim Vorgänger „March Of Progress“ mag bei mir aber der Funke der Begeisterung nicht so richtig überspringen. Meiner Ansicht nach hat die Band mit „Dead Reckoning“ ihr bisheriges Meisterwerk abgeliefert. Die Härte von „Dead Reckoning“ hat die Band auf den letzten beiden Alben zugunsten einer melodischeren, auch ein wenig kitschigeren Ausrichtung verloren, was ich persönlich nicht so gut finde. Zudem war Mac einfach der passendere Sänger, so sehr ich Damian auch mag und schätze. Just my two cents!

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