Das Cover von "Dividing Lines" von Threshold

Review Threshold – Dividing Lines

Kaum zu glauben: THRESHOLDs letzte Scheibe „Legends Of The Shires“ liegt schon mehr als fünf Jahre zurück. Mit dem Konzeptalbum ist den Prog-Metallern nicht nur eine vielseitige Werkschau und ein charmantes Statement zum Brexit gelungen, sie holten auch Sänger Glynn Morgan zurück. Der stand bereits auf dem Zweitling „Psychedelicatessen“ (1994) hinter dem Mikro und hatte die große Aufgabe, die von Damian Wilson hinterlassene Lücke zu füllen. Schon die erste Single „Small Dark Lines“ machte damals klar: Das wird gut – und die mitreißende Tour bestätigte, dass Sänger und Band längst eine Einheit sind.

Eine Platte in diesem Jahr „Dividing Lines“ zu nennen, ist erneut ein klares Statement. Es passt zu dem Selbstbewusstsein, das die Briten auf ihrem zwölften Studiowerk zur Schau stellen. Keine Ballade, gleich zwei Longtracks mit über zehn Minuten Spieldauer, kluge Texte und ein modernisierter, aber unverkennbarer Sound. THRESHOLD präsentieren eine Sammlung starker und kraftstrotzender Songs, die entscheidend von Glynn Morgans engagiertem Gesang leben. Er ist es, der Hörer*innen schon nach wenigen Silben im Opener „Haunted“ mitnimmt, ja geradezu mitschleift, und sie erst eine Stunde und zehn Ohrwürmer später wieder loslässt. Die Band war mit vielen großartigen Sängern gesegnet, aber Glynn ist die Idealbesetzung.

Auch „Dividing Lines“ ist schon nach wenigen Takten als klassisches THRESHOLD-Album zu erkennen. Was also ist es, das den Longplayer so überzeugend macht? Zuallererst die saustarken Melodien. In dieser Disziplin macht der Gruppe niemand etwas vor, schwächere Scheiben wie „March Of Progress“ oder „For The Journey“ haben aber gezeigt, das dahinter harte Arbeit steckt. Es ist eben nicht selbstverständlich, zehn Volltreffer zu landen. Auf „Dividing Lines“ gelingt das, womit wir schon bei Punkt 2 wären: Es gibt schlichtweg keine Durchhänger, selbst die etwas gradlinigeren und poppigeren B-Tracks wie „Silenced“, „Lost Along The Way“ und „Run“ sind hier „B++“-Tracks und für manche Hörer*innen bestimmt ebenso Highlights.
Hinzu kommt, dass die Platte wunderbar fließt und großartig an einem Stück funktioniert. Diesbezüglich hatte der Vorgänger „Legends Of The Shires“ so seine Schwächen, auch wenn er insgesamt das kompletteste Werk der Combo ist. Und der letzte Aspekt: Drummer Johanne James! Wer die Jungs schon einmal live gesehen hat, weiß, was für ein Kraftpaket er ist. Mühelos schafft er es, auf die Albumversionen konstant zwei Schippen Virtuosität und Power draufzulegen. Dass er jetzt auch im Studio alle Leinen losgelassen hat, allein das treibt einem beim Hören schon Freudentränen in die Augen!

Die moderate Modernisierung des bandeigenen Sounds ist vor allem im Keyboard-Department zu spüren. Richard West ist mit seinen Tasteninstrumenten präsenter, begleitet die Riffs konstanter mit sphärischen Sounds und Klangspielereien. Dass manches so klingt, als hätte er auf dem Dachboden eine verstaubte Diskette mit der Aufschrift „cool unused nineties synths“ gefunden, gehört dazu. THRESHOLD machen ihr Ding. Sie passen sich leicht an angesagte Trends an, bleiben sich aber immer treu. Und das ist gut so. Die Keyboards im Megahit „Complex“ sind eben entweder peinlich oder cool, aber als Progger ist man ja diesbezüglich so einiges gewöhnt.
Ebenso auffällig ist der verstärkte Einsatz von Keyboard-Streichern, was die Gruppe wieder etwas mehr in Richtung Symphonic Metal rückt. Interessanterweise klingen diese Momente aber deutlich weniger zäh und kitschig als bei manchen Genrekollegen. Sie verfehlen ihren Effekt keineswegs und nerven nicht.

Kurzum: Wem zum Ende des Jahres die Ohrwürmer ausgegangen sind, dem haben THRESHOLD hier eine echte Vorratspackung geschnürt. Sie wird locker über das nächste Jahr reichen. „Dividing Lines“ katapultiert sich aus dem Stand in die TOP 5 der bandeigenen Diskografie – mit dem Potenzial, auf lange Sicht noch höher zu steigen. Die Scheibe ist zwar weniger vielseitig als „Subsurface“ und „Legends Of The Shires“, dafür aber genauso kurzweilig und perfekt wie ihr Vorzeigealbum „Dead Reckoning“. Wer melodischen Prog Metal, Power Metal oder härteren Melodic Rock mag, der bekommt hier eine Vollbedienung. Was für ein Brett!

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von

6 Kommentare zu “Threshold – Dividing Lines

  1. und ja, ich persönlich finde march of progress eine ziemlich gute scheibe haha… songs wie colophon, dont look down und the rubicon sind in meinen ohren einfach nur genial

  2. legends of the shire war für mich eines der besten prog rock alben, die ich je gehört habe. freue mich schon, diese neue scheibe zu hören! hoffe sie hält, was die review verspricht 😉

    1. Vielen Dank für Deinen Kommentar. Wenn Du das Album gehört hast, würde mich auch Deine Meinung dazu interessieren. :) So vielschichtig wie auf „Legends“ waren Threshold definitiv noch nie und werden sie wohl auch nie mehr sein. Das macht das Album im Katalog der Band zu etwas Besonderem. Das wissen sie aber scheinbar auch selbst und haben sich daher für ein schlichteres, direkteres Werk als Nachfolger entschieden. Es steht nicht in der Konkurrenz, ist von der Stimmung her viel düsterer. Da wirken selbst die „Wo-hoo“-Chöre in „Let It Burn“ völlig unpeinlich und ziemlich atmosphärisch.

      1. nach zwei oder drei listens von gestern muss ich dem ganz klar zustimmen. das album hat nicht diese verspielte, fast schon poppige ‚mike and the mechanics‘-eingängigkeit wie der vorgänger, erinnert mich alles in allem mehr an alben wie dead reckoning und march of progress. objektiv gibt es da so gut wie nix zu bemängeln, die songs sind allesamt super professionell komponiert und lassen langeweile oder monotonie an keiner stelle aufkommen (wenn mir persönlich auch die schmachtende power-ballade fehlt…). vermutlich muss ich der scheibe noch einige weitere durchgänge gönnen, bis ich die musik wirklich ‚fasseb‘ kann – ist bei guten prog alben ja fast immer der fall ;) vorab kann ich aber schon sagen, dass ich ein riesiger fan der lyrics bin! die schon auf ‚legends‘ spürbaren gesellschaftskritischen untertöne werden hier noch sehr viel deutlicher und drastischer – die gesampelte aufnahme, in der man hört, wie menschen eingesperrt werden, ist für mich einer der unheimlichsten und zugleich genialsten momente des albums. auch in die lyrics von ‚defence condition‘ habe ich mich schon total verliebt…

        1. Für die Rezi lagen mir die Lyrics noch nicht vor, aber von dem, was ich so raushören konnte, stimme ich Dir absolut zu. Mittlerweile ist die CD da und ich freue mich schon darauf, die Platte mal in Ruhe mit Lyrics-Booklet unter dem Kopfhörer zu hören.

          1. super, viel spass dabei! :D habe der scheibe heute noch ein paar weitere durchgänge gegönnt, und sie ist wirklich, WIRKLICH gut. der vergleich mit march of progress scheint mir gut gewählt zu sein. gerade der closer klingt gegen ende fast wie eine ‚böse‘ version von ‚the rubicon‘ ;) finde es auch interessant, wie sich die jungs teils – gerade in den solos – fast in power-metal-gefilde begeben (wie du in deiner review offenbar auch bemerkt hast). bei manchen keyboard-/gitarre-duellen fühlt man sich fast an bands wie rhapsody oder kamelot erinnert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert