Das Cover von "Leviathan III" von Therion

Review Therion – Leviathan III

Endlich mal wieder Gelegenheit, den feinen Zwirn und das schicke Abendkleid rauszuholen. Die Tickets für die glamouröse Abendveranstaltung stecken in der Innentasche des Sakkos, in der Empfangshalle wird ein Glas Champagner gereicht, die Vorfreude auf den pompösen Abschluss der „Leviathan“-Revue ist groß. THERION konnten vor allem mit dem Auftakt im Jahr 2021 begeistern und auch das 2022er Mittelstück „Leviathan II“ bot vorwiegend großartige Momente. Dass beide Werke zu den Höhepunkten des ohnehin schon glanzvollen THERION-Schaffens gehören, darüber sind sich Hörer wie Kritiker gleichermaßen einig.

Die größte Änderung zu den Vorgängern besteht darin, dass die Schweden Nuclear Blast den Rücken kehrten – dort standen sie seit 1995 unter Vertrag, über das ehemals in Donzdorf ansässige Label wurden ganze 14 Alben veröffentlicht. Wie viele andere Bands vollzogen THERION den Wechsel zu Napalm Records. Musikalischen Einfluss hat das nicht, das ist ab Sekunde eins des eröffnenden „Ninkigal“ zu spüren: Ohne Einleitung entfaltet sich ein Feuerwerk an vielschichtigen symphonischen Klängen, die mit dem metallischen Grundgerüst die gesamte Breite der Bühne füllen. Chorgesänge, aggressive Growls, zarter Sopran – das alles wird dem Publikum in den bequemen Sesseln bereits innerhalb der ersten 30 Sekunden präsentiert. Mit dem wilden und als Opener eher schlecht platzierten „Ninkigal“ machen THERION gleich überdeutlich, dass sie sich keine Grenzen auferlegen, maximal die eigens gesteckten „Leviathan“-Grenzen und die sind wahrlich nicht eng gesteckt.

Sanfte Akustikgitarrenklänge leiten mit „Ruler Of Tamag“ eines der absoluten Highlights der Trilogie ein. Hier ist es vor allem der bezaubernde Klargesang von Lori Lewis, der den Track von allen anderen des Albums abhebt. Vom ruhigen Aufbau über die nahöstlichen Elemente bis hin zu den erhabenen Soli ist „Ruler Of Tamag“ eine wohlig-warme Powerballade und nahe am perfekten Song. Auch das orchestral-rockige „An Unsung Lament“ mit coolen Synth-Momenten und das treibende „Maleficium“ sind starke Nummern, nur leider lässt das Album nach dem ersten Drittel etwas zu stark nach. „Ayahuasca“ und „What Was Lost Shall Be Lost No More“ plätschern vor sich hin, sind zu lahm und wecken das Gefühl, hier würde viel Tamtam um nichts gemacht. So wirklich positiv fällt mit dem süßlichen, fast andächtigen „Midsommarblot“ und der abgedrehten Salsa-Nummer „Duende“ kaum noch etwas auf. Als letzter, wirklicher Höhepunkt entpuppt sich die High-Tempo-Nummer „Nummo“ vor allem wegen ihrer mächtigen wikingerartigen Chöre. „Twilight Of The Gods“ packt zum Abschluss nochmal alles aus, was „Leviathan III“ schwierig macht und ist überaus komplex, verworren, experimentell. Von genialen Momenten (wie den Marschtrommeln begleitet von erhabenen Chören) bis hin zu großen Fragezeichen ist hier alles dabei, sowohl beim ersten als auch beim zehnten Hördurchgang.

Ob der geneigte THERION-Fan nun eher die beiden zugänglicheren und mit Hits gespickten ersten „Leviathan“-Teile bevorzugt oder sich in der experimentellen Vielfalt von „Leviathan III“ labt, ist sicher stark individuell. Der Trilogieabschluss ist eine hemmungslose Reise durch die THERION-Geschichte und ein Querschnitt der vielen Stile und Genres, die die Schweden immer wieder in ihre Werke einfließen ließen und lassen. Trotz aller Sperrigkeit ist „Leviathan III“ leichter zugänglich als viele der Altwerke – von „eingängig“ zu sprechen, wäre natürlich trotzdem am Kern vorbei. Teil 3 ist in jedem Fall ein spannendes, abwechslungsreiches Album, das es lohnt, entdeckt zu werden, aber sicher sehr ambivalent ankommen wird. Wie so oft entfalten sich nach mehreren Durchläufen immer mehr Qualitäten. Es wird – wie immer – spannend zu beobachten sein, wohin die Reise THERIONs nach „Leviathan“ geht. Momentan weiß das, wenn überhaupt, wohl nur Mastermind Christofer Johansson.

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Wertung: 6.5 / 10

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