Sieben lange Jahre mussten erst vergehen, bis THE ZENITH PASSAGE ihrem Debüt „Solipsist“ (2016) einen Nachfolger geben konnten. Anno 2023 ist endlich soweit und die Herren aus Los Angeles veröffentlichen mit „Datalysium“ das lang ersehnte Zweitwerk, nun nicht mehr mit der Rückdeckung von Unique Leader Records, sondern mit der des Global Players Metal Blade Records.
Mit einem vergrößerten Line-Up, mit dem der ursprüngliche Gitarrist und Keyboarder und Hintergrundsänger Justin McKinney nun dauerhafte Unterstützung durch Gitarrist Christopher Beattie (Dreamer), Sänger Derek Rydquist (ex-The Faceless, John Frum) und Bassist Brandon Giffin (ex-The Faceless, Cynic) erhält, hat es sich das neu formierte Quintett zur Aufgabe gemacht, instrumental an die Grenzen des Technical Death Metals und lyrisch an die von Kosmos und Spiritualität zu gehen. Dabei erinnern THE ZENITH PASSAGE nicht nur mit ihren Songtexten öfter an Giffins andere Band Cynic, sondern auch in ihren Songs. Sei es wegen dem sanften, warmen Klargesang („Lexicontagion“) oder den atmosphärischen Synth-Einlagen („Automated Twilight“), die Hand von Paul Masvidal scheint über „Datalysium“ zu schweben.
Dieser Einfluss darf allerdings nicht überbewertet werden, denn derart kreative Songwriter und handwerklich begabte Musiker wie sie THE ZENITH PASSAGE ihr Eigen nennen darf, sprudeln vor vielen guten Ideen nahezu über. Was in der einen Sekunde an die Eingängigkeit von Cynic erinnert, wandelt sich schon im nächsten Moment zu einem fesselnden Gitarrenspiel im Stile von Rings Of Saturn („Algorithmic Salvation“) oder lässt an das harmonische Zusammenspiel beider Haken-Gitarristen, Griffiths und Henshall, denken („Synaptic Depravation“). Diese Feinheiten zu entdecken, macht Spaß, zumal sie ungewöhnlicherweise nicht erst beim zweiten oder dritten Durchlauf im Ohr hängen bleiben, sondern bereits beim ersten Hören in Erinnerung bleiben.
Eine weitere Überraschung ist die ungeahnte Epik, mit der THE ZENITH PASSAGE urplötzlich einen Song vergolden; wo zu Beginn noch verzerrte Spoken Words zu hören sind und sich zurückhaltende Instrumente den Eindruck erwecken, den Hörer mit einem furiosen Tempowechseln vom Hocker zu reißen, gelingt das den Amerikanern mit eindringlichen Klargesang („Automated Twilight“).
Was genau typisch an den im Schnitt fünf Minuten lang Tracks ist, ist ihre Andersartigkeit im Vergleich zu anderen Tech-Death-Bands. Anders als manche Genrekollegen setzen THE ZENITH PASSAGE nicht auf Anerkennung durch abrupte Wechsel von Motiven, Rhythmus oder Tempo, sondern geben ihre Songs, allen voran dem Titeltrack, durchaus die Zeit, sich zu entwickeln, sodass die Übergänge harmonisch und fließend ineinander übergehen. Auch die Wiederholung von Kernmotiven wie in beiden „Divinertia“-Teilen lässt die grundsätzlich kantigen Songs zugänglicher werden, ohne dabei an Raffinesse oder kreative Spielwut einzubüßen.
Ist „Datalysium“ das ultimative Einstiegsalbum, um Tech-Death-Interessierte tiefer in den Kosmos von hochkomplexen Songstrukturen einzuführen? Womöglich schon. Verprellt man damit vielleicht die alteingesessenen Hasen, da ihnen das Album zu vorhersehbar ist? Eher nicht. Denn THE ZENITH PASSAGE haben auf „Datalysium“ den goldenen Mittelweg gefunden, der Komplexität und Wiedererkennungswert nicht gegenseitig ausschließt.
Wertung: 9 / 10