Kennt jemand die DWS-Werbung, wo der Mann im Restaurant für sich das zweitbeste Steak und für seine Frau den zweitbesten Fisch bestellt? Ein solches oder ähnliches Gefühl mag einen beschleichen, wenn man sich das aktuelle Output „Red Flags“ der Schweden THE PROVENANCE zu Gemüte führt. Irgendwie meint man, dass da noch deutlich mehr drin gewesen wäre, die 1a-Qualität sozusagen. Da mir die Band bis hierher unbekannt war, hieß es zunächst, dem beiliegenden Info einige Substanz zu entlocken. Dies freilich fördert Interessantes zu Tage, begann die Band doch vor über zehn Jahren im Schmelztiegel Göteborg. Desweiteren fungierten sie häufiger als Supporter für Größen wie Tiamat oder Dark Tranquillity (drei PROVENANCEr arbeiten aktuell mit Niklas Sundin an einem Nebenprojekt). Schlechte Voraussetzungen sehen wahrlich anders aus.
Warum spreche ich dem Silberling aber die „Filet“-Qualität ab? Nun, auf das Album haben sich durchaus ein paar hörenswerte Nummern verirrt, gleich der Opener „At The Barricades“ rockt ganz ordentlich nach vorne, am Anfang erwartet man fast einen Göteborger-Hieb, wie man ihn von den angesprochenen Dark Tranquillity gewohnt ist. Um richtig zu zünden fehlt diesem (und auch weiteren) Liedern jedoch die letzte Entschlossenheit. Dass hauptsächlich auf weibliche Vocals gesetzt wird, muss prinzipiell nichts schlechtes bedeuten (vor allem, da Sängerin Emma immerhin für das bekannte Musical „Hair“ auf der Bühne stand), aber wenn man dann einen männlichen Gegenpart einsetzt, sollte sich dieser schon etwas vom Weiblein abheben. Beide agieren häufig in sehr ähnlichen Tonlagen und durchweg im gleichen Härtegrad; ein paar Growls wären meiner Meinung nach nicht nur passend, sondern auch wünschenswert gewesen. So bleibt einfach die Abwechselung auf der Strecke, Song für Song plätschert am Hörer vorbei und wenn man sich nach einer halben Stunde fragt, welches Lied gerade läuft, könnte es sowohl das erste, fünfte oder letzte sein. Dabei wären mit zwei unterschiedlich geschlechtlichen Vocalisten sowie dem Keyboard neben der üblichen Besetzung genügend Möglichkeiten da.
Bevor ich jetzt alles schlechter mache, als es ist, sei noch einmal gesagt, dass es auch feine Momente auf „Red Flags“ gibt. „Second And Last But Not Always“ und vor allem „Deadened“ sind etwas langsamer als der durchgehend im Midtempo bis maximal dezentem Uptempo gehaltene Rest und nach drei oder vier Durchläufen beschleicht einen auch das leichte Gefühl von Eingängigkeit. Auch der Ausklang von „Revelling Masses“ zeigt, warum es die Band bisher auf vier Alben gebracht hat. Leider folgen immer wieder Riffs, die man auch jeder dreimonatigen Schülerband zutrauen würde, zwar immer recht nett verpackt, aber eben nicht sonderlich spannend. Um auf das einleitende Beispiel zurückzukommen: es wird weder 1a-Qualität geboten, noch weiß man, ob man Fisch oder Fleisch im Player hat, denn irgendwie kann man auch nach vielmaligem Genuss nicht sagen, womit man es eigentlich zu tun hat. Das Bandinfo konnte sich da wohl auch nicht festlegen, heißt es dort doch „ein einzigartiger Stil von gothic-angehauchtem progressive Rock/Metal“.
Sicher, es mag sie geben, die Leute, denen diese leicht undifferenzierte Musik zusagt und umsonst werden die fünf Schweden sicher nicht beim renommierten Peaceville Label gelandet sein, ich kann „Red Flags“ allerdings nicht viel abgewinnen. Zwar bleiben die weißen Fahnen im Schrank, für eine höhere Wertung sollte beim nächsten Mal aber mehr Abwechselung und Entschlossenheit her.
Wertung: 5 / 10