THE PINEAPPLE THIEF sind in Progressive-Rock-Kreisen keine Unbekannten mehr: Die britische Band um den Sänger, Gitarristen und Keyboarder Bruce Soord ist seit gut 20 Jahren in der Musikszene unterwegs und veröffentlicht mit „Dissolution“ ihr inzwischen dreizehntes Album. Böse Zungen sehen die Band gerne als Porcupine-Tree-Dublette, aber diese Aussage wird ihnen nur bedingt gerecht: Denn THE PINEAPPLE THIEF haben sich vom klassischen Progressive Rock durchaus entfernt, indem sie auch immer wieder Alben mit kompakteren, direkt radiokompatiblen Stücken präsentieren.
Zugegeben: „Dissolution“ erinnert mehr als nur gelegentlich an die Progressive-Götter um Steven Wilson, gerade die „In Absentia“-Phase schimmert immer wieder mal durch. Soords Stimme ist daran nicht ganz unschuldig, klingt der gute Mann gesanglich doch sehr wie Mister Wilson himself. Allerdings kommen die neun Tracks, wie eingangs erwähnt, wesentlich kompakter und griffiger als Porcupine Tree auf vielen ihrer Alben daher: Man bewegt sich (vom fast elf Minuten langen, durchaus proggy anmutenden „White Mist“ einmal abgesehen) bei den Songlängen tendenziell im vier bis fünf Minuten Bereich. Das tut den Songs gut, denn nichts wirkt überladen oder unnötig breitgetreten. THE PINEAPPLE THIEFS neues Album ist somit eine recht kurzweilige Angelegenheit geworden, die auf den ersten Blick vielleicht etwas seicht wirkt, bei genauerer Betrachtung jedoch durch viele ausgefuchste Details und schöne Melodien besticht.
Im Vergleich zum Vorgänger „Your Wilderness“ wird auf musikalische Gäste verzichtet, dafür gehört Schlagzeug-Mastermind Gavin Harrison (King Crimson, Ex-Porcupine Tree) jetzt fest zur Besetzung – und ist ein echter Gewinn für die Band, denn der Ausnahme-Drummer groovt wie Hölle und bereichert jedes Arrangement durch sein durchdachtes und detailverliebtes Spiel. Aber auch die sonstige Instrumentalarbeit weiß zu überzeugen, sowohl Soords Gitarren- als auch John Sykes Bass- und Steve Kitchs Keyboardperformance tragen maßgeblich zum durch und durch positiven Eindruck von „Dissolution“ bei. Auf metallische Ausbrüche wird dabei verzichtet, was aber nicht bedeuten soll, dass der Zuhörer ausschließlich fade Fahrstuhlmusik auf die Ohren bekommt: so rockt beispielsweise das äußerst gitarrenlastige „Far Below“ richtig schön.
„Dissolution“ ist ein schönes Album geworden, auch die Produktion weiß zu gefallen: die Mischung ist transparent und ausgewogen. Aber THE PINEAPPLE THIEF werden auch diesmal mit den Porcupine-Tree-Vergleichen leben müssen: Die beiden Bands sind sich nach wie vor sehr (zu?) ähnlich und vielleicht ist gerade das auch der einzige Schwachpunkt an der ganzen Geschichte. Auf der anderen Seite: Wilsons ehemalige Hauptband liegt aktuell auf Eis, mit seinen Solo-Arbeiten ist „Dissolution“ nicht wirklich zu vergleichen (am ehesten noch mit dem aktuellen, recht poppigen „To The Bone“). So haben THE PINEAPPLE THIEF, obwohl sie das Rad nicht gerade neu erfinden, durchaus ihre Berechtigung und stellen mehr als nur eine bloße Kopie der genannten Progressive-Rock-Institution dar. Für die ruhigen Momente im Leben oder mit der Liebsten auf der Couch eine tolle und (nicht zuletzt durch Gavin Harrisons Drumming) musikalisch anspruchsvolle Platte.
Wertung: 6.5 / 10