Manchmal weiß man schon nach wenigen Sekunden, dass einem ein Lied gefällt. Das kann einem auch im Underground passieren, und dann ist es ein umso wertvolleres Erlebnis. Es lohnt sich also, mit offenen Ohren durch die Welt zu gehen. Dann entdeckt man vielleicht Bands wie die deutschen Alternative Rocker THE NURI. Gerade mal zwei Minuten eines Unplugged-Videos brauchte es, bis ich mich entschloss, die Band anzuschreiben, um mir ihren ersten Silberling „Masquerade“ näher anzuhören und schließlich dies hier zu schreiben.
Was THE NURI auszeichnet? Sicherlich der stilvolle und hochemotionale Gesang von Frontfrau Sandra Pfeiffer, die eher nach Ex-The Gathering Sängerin Anneke von Giersbergen klingt, als nach der Within Temption-Sängerin Sharon Janny den Adel – und das ist als absolutes Lob zu verstehen. Ihr Gesang prägt die Musik der Band, drückt ihr einen oftmals nachdenklichen und tiefgehenden Grundtenor auf. Doch die Vier klingen weder nach billigem, kitschigem Opern-Metal, noch nach allzu verkopftem Atmo-Artrock. Sie spielen einen sehr runden und wohlklingenden modernen Rock, der sich gleichermaßen an Elementen des Alternative- und des Progressive Rock bedient.
Demzufolge gibt es alternatives bis metallisches Riffing, ruhige Licks, sphärische Keyboards und postrockig groovendes Schlagzeug. Griffige Arrangements und Melodien stehen dabei im Vordergrund, die Band schreibt wirklich Lieder, keine Riffssammlungen oder Gesangsfetzen.
Und das THE NURI wissen, wie man gute Lieder schreibt, wird schon beim Opener und Titeltrack „Masquerade“ klar, der die 50-minütige musikalische Reise äußerst druck- und kraftvoll einleitet. Hier trifft man gleich zu Beginn den richtigen Mix aus Anspruch, mitreißenden Riffs und gelungenen Melodien. Das bliebt im Ohr hängen, das rockt, dazu kann man mitgrooven! Die hier kurzzeitig aufkommenden Vergleiche mit Evanescence erweisen sich im weiteren Verlauf der Platte als absolut unbegründet. Dass die Band auch sehr ruhige, epische Nummern schreiben kann, beweist sie mit dem beinahe siebenminütigen „The Waiting“, das von der Stimmung und dem Sound her tatsächlich ziemlich nach The Gathering klingt. Die zwei kurzen Instrumentalstücke „Unshackled Waters“ und „Midsummer“ auf der Akustikgitarre bzw. dem Solopiano bieten dem Hörer einen Ruhepunkt zwischen den aufwühlenden Nummern mit Gesang, von denen vorallem das melodische, aber auch verspielt-groovende „Time Is Now“ mit sanfter Pianobegleitung, das irgendwie leicht an Dredg erinnernde „Ladder To The Stars“ und das verhalten progrockige „Reality Circus“ zu gefallen wissen. „Left Back In A Box“ zeigt die aggressivere Seite der Band auf.
Insgesamt ist THE NURI mit „Masquerade“ ein unheimlich dichtes, mitreißendes Album gelungen, das vorallem durch seine emotionalen Songs, die herausragende Produktion und das einfach tolle, stilvolle Artwork punkten kann. Das klingt nach einem richtig gut geschnürten Gesamtpaket? Ja, das ist es auch! Alle Freunde von atmosphärischer, aber melodischer und songdienlicher Musik sei dieses Werk daher wärmstens ans Herz gelegt. Wer Dredg, Porcupine Tree oder The Gathering mag, kann mit dem Album praktisch nichts falsch machen.
Kritikpunkte muss man mit der Lupe suchen: Hier fällt eigentlich nur auf, dass die Band noch etwas stärker variieren und experimentieren könnte – gerade im instrumentalen Bereich. Ich bin mir sicher, dass dort noch einiges mehr geht. Eine generelle Beobachtung in diesem Zusammenhang: Wirklich viel versprechende instrumentale Zwischenspiele wie bei „Reality Circus“ werden gerade dann abgebrochen, wenn sie interessant werden. Diese Parts sollte die Band noch ausbauen, um ihr Potential vollständig auszuschöpfen. Denn das sie melodische Songs und tolle Melodien schreiben können, dass beweisen die zwölf Nummern auf ihrem Erstling mehr als deutlich. Meine Favoriten habe ich oben genannt, als Anspieltipp eignet sich aber jeder Track mit Gesang, den echte Ausfälle gibt es hier nun mal nicht!
Wertung: 8 / 10