Review The Moon And The Nightspirit – Aether

Der Musik von THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT wohnte schon immer eine Aura der Spiritualität und eine bodenständige Urtümlichkeit inne. Mit der Zeit konnte man jedoch beobachten, dass das ungarische Pagan-Folk-Duo sich von Album zu Album vermehrt auf ersteren Aspekt konzentrierte. Den erdigen Charakter ihrer Frühwerke haben Ágnes Tóth und Mihály Szabó inzwischen zu großen Teilen hinter sich gelassen und zuletzt mit „Metanoia“ (2017) eine Platte vorgelegt, die vielmehr durch ihre elfenhafte Unnahbarkeit faszinierte. Gleichermaßen sphärisch präsentieren sich THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT nunmehr auch auf dem nachfolgenden, passend betitelten „Aether“ – dabei im Hinblick auf ihr bisheriges Wirken allerdings auch überraschend modern.

Futuristischen Space oder Progressive Rock hat man hier trotz des in diese Richtung deutenden, diesmal klar erkennbar nicht handgemachten Artworks zwar nicht zu erwarten, dennoch merkt man der gut 40 Minuten langen LP den einen oder anderen zeitgenössischen Einschlag an. Auf „A Szárny“ fügen THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT ihrem akustischen Instrumentalkanon beispielsweise aus heiterem Himmel verzerrte, bedeutungsschwere Gitarrenriffs und geradliniges, neumodisches Drumming hinzu.

„A Mindenség Hívása“ schwingt sich hingegen zum Ende hin mit im Tremolo-Stil gespielten, schwebenden E-Gitarren auf und im mysteriös-reduzierten „Logos“ wagt sich die Band an interessante Sound-Experimente heran. Dass „Aether“ trotz seines beseelten Wesens einen griffigeren Eindruck als sein Vorgänger macht, rührt auch daher, dass Ágnes‘ ätherischer Gesang hier öfter von Mihálys markiger Stimme konterkariert wird und die Songs vermehrt um einzelne, tragende Melodien kursieren. „Kaputlan Kapukon Át“ etwa basiert auf einem das ganze Stück hindurch wiederholten, geheimnisvoll anmutenden Zithermotiv, das sich dadurch umso deutlicher einprägt.

Dennoch sind THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT ihrem beinahe schon symphonischen, vorzeitlichen Folk-Stil treu geblieben. Insbesondere mit dem ausschweifenden Titeltrack und „A Mindenség Hívása“ finden sich auf „Aether“ zwei Stücke, die mit ihrer vielschichtigen Instrumentierung voll und ganz in der kompositorischen Tradition von THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT verwurzelt sind: Beschwörende Gesänge, ahnungsvolles Zither- und Akustikgitarrenspiel, ein warmer Bass, subtil beunruhigende Pianonoten, ominöse Maultrommeln und Flöten sowie natürliche Perkussionen verschmelzen hier zu einem wahrhaft magischen Ganzen. In formvollendeter Harmonie greifen die einzelnen Segmente hier untrennbar ineinander – ganz im Sinne des Textkonzepts um den Einklang der menschlichen Seele und des Kosmos.

Auf den ersten Blick mag die unverhohlene Modernisierung, der THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT ihre Optik und ihren Klang unterzogen haben, im Widerspruch zu ihrem vormals archaisch geprägten Schaffen stehen. Tatsächlich speist sich „Aether“ in seiner Substanz jedoch spürbar aus derselben zeitlosen Inspirationsquelle wie die bisherigen Veröffentlichungen des ungarischen Zweigespanns und strahlt daher dieselbe mystische Wirkung aus – bloß mitunter auf anderem Wege kanalisiert. Infolgedessen haben THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT mit ihrer siebenten Platte einmal mehr ein zutiefst wundersames Klangkunstwerk geschaffen, das seine Hörer nicht bloß auf oberflächlich ästhetischer, sondern auch auf geistiger Ebene zu berühren vermag.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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