Manche mögen Retrowave verächtlich als beliebigen elektronischen Klingklang, als zu leichte musikalische Kost bezeichnen. Als Musik, die seicht aus den Boxen brummt und deren Genrevertreter sich in ihrem Schaffen gleichen wie ein Ei dem anderen.
Richtig an dieser Aussage ist, dass Retrowave leichtfüßig sein kann, frei von rauen Kanten, an denen sich der Hörer stören könnte – Timecop1983, FM-84 und Gunship sind Paradebeispiele hierfür. Falsch hingegen ist, dass die verschiedenen Interpreten im Einheitsbrei untergehen; als Beweis dient die Aussage, dass GosT, Scandroid und Zombie Hyperdrive ein und demselben Genre zugeordnet werden. Wesentlich verwerflicher ist es zu behaupten, dass Retrowave keine Meilensteine setzen kann.
Einer dieser Meilensteine ist der warme, kristallklare Gesang des gebürtigen Dänen Tim Daniel McEwan, der gemeinsam mit Jamison Tyler Lylemit als THE MIDNIGHT so dermaßen smoothe Songs aufnimmt, dass kaum ein Oberkörper starr bleiben kann, sobald einer ihrer Songs beginnt.
Mit „Kids“ legt das in Amerika beheimatete Duo sein drittes Album vor, das mit dem darauf befindlichen Songnamensvetter „America 2“ einen der stärksten Hits der Combo hervorbringt. Während „Wave“ mit einem McEwan in gesanglicher Bestform aufwarten kann, frisst sich der Refrain des als Prelude- und Reprise-Variante vorliegende „Kids“ in Windeseile in die Gehörgänge, ehe THE MIDNIGHT mit „Explorers“ ihr Tempo sanft anziehen und einen Feel-Good-Song präsentieren, der eben nur noch von „America 2“ übertrumpft (Wortwitz gewollt) wird.
Im höchsten Maße ärgerlich ist genau eines an THE MIDNIGHTs aktuellem Album: die Länge bzw. die Kürze. Mit knapp 34 Minuten endet „Kids“ genau dann, wenn der Hörer sich nicht nur auf der gleichen Wellenlänge wie das Duo eingegroovt hat, sondern darüber hinaus auch nicht mehr genug von THE MIDNIGHT bekommen kann. Da tröstet es auch nicht, dass „Kids“ wie die beiden Alben zuvor ebenfalls als instrumentale Variante erhältlich ist.
Wertung: 7 / 10