Review The Lovecraft Sextet – In Memoriam

  • Label: Denovali
  • Veröffentlicht: 2021
  • Spielart: Entmetallisiert, Doom-Jazz, Neoklassik

Jazz ist üblicherweise nicht das Erste, womit man ein Begräbnis assoziiert. Doch Jason Köhnen, der mit Mansur, The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble und The Mount Fuji Doomjazz Corporation oft Bahnbrechendes geschaffen hat, ist ohnedies nicht für sein konventionelles Denken bekannt. Für „In Memoriam“, das Debütalbum seines neuen Soloprojekts THE LOVECRAFT SEXTET, ließ der Niederländer sich von Opern- und klassischer Musik, gregorianischen Chorälen sowie Mayhems Black-Metal-Meilenstein „De Mysteriis Dom Sathanas“ (1994) inspirieren. Mit dieser einzigartigen Klangmischung vertont THE LOVECRAFT SEXTET eine Trauerfeier, die am Ende einer von Köhnen erdachten Horror-Geschichte stattfindet.

Was sich vor diesem tragischen Ereignis zugetragen hat, schildert THE LOVECRAFT SEXTETT auf zweierlei Weise: zum einen in Form einer Kurzgeschichte, die dem Album als Hörspiel beiliegt, zum anderen durch die Musik per se, die das eindringliche Audiobook neben allerlei grotesken Geräuschen dezent untermalt. Menschliche Stimmen hört man im Zuge der 35 Minuten langen Platte zwar lediglich in zwei Tracks, die Instrumente sprechen jedoch eine ebenso deutliche Sprache.

Auch ohne den wehklagenden, unaufdringlichen Operngesang im ersten der drei „Funebre Macabre“-Stücke verstünde man die erste Hälfte des Albums als Ausdruck tief empfundener Trauer über einen schmerzlichen Verlust. Mit Orgel und Klavier, einem trüben Bass und langsam gestreichelten Drums sowie leisen Ambient-Klangflächen – allesamt mit derart viel Hall versehen, dass man sich davon ganz und gar eingehüllt fühlt – lässt THE LOVECRAFT SEXTET im Geist das Bild einer bedrückenden Totenmesse erscheinen. Dass die Stücke abgesehen von dem seidig weichen, verspielten Saxophon in „Funebre Macabre [Musicorum]“ minimalistisch arrangiert wurden, lässt sie keineswegs banal, sondern umso bedeutungsschwerer klingen.

Der darauffolgende Dreiteiler „De Mysteriis“ ist ähnlich strukturiert, enthüllt mit seiner unheimlicheren Grundstimmung jedoch den Horror-Aspekt der musikalischen Erzählung. Im ersten Abschnitt tun sich nun ominöse Chöre hervor und das fremdartig verführerische Saxophon im Mittelteil schlingt sich durch die Gehörgänge wie die Tentakel eines übernatürlichen Monstrums aus einem der Werke jenes Autors, nach dem THE LOVECRAFT SEXTET sich benannt hat. „De Mysteriis [Ambientum]“ schließt „In Memoriam“ auf stimmige Weise ab: Ein schemenhaft mäanderndes Piano, Glockenschläge und Regengeräusche suggerieren, dass der vertonte Albtraum vorerst durchgestanden, das darum schwelende Mysterium jedoch ungeklärt geblieben ist – und womöglich nur darauf wartet, erneut zu erwachen.

Mit „In Memoriam“ profiliert Jason Köhnen sich einmal mehr als Künstler mit einer Vision. Wie bereits in seinen anderen Projekten ist es dem Einzelmusiker mit THE LOVECRAFT SEXTETT gelungen, seinen charakteristischen Doom-Jazz-Sound schlüssig mit andersartigen Einflüssen zu verbinden und in ein ganzheitliches Konzept einzubetten. Gerade aufgrund Köhnens kompositorischer Zurückhaltung ist „In Memoriam“ ein Album, in dessen Atmosphäre man vollständig versinken kann – beinahe so, als wäre die Platte selbst eine Cosmic-Horror-Wesenheit, die sich des menschlichen Verstands bemächtigt.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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