„Deathcore ist tot!“ Das zumindest behaupten selbsternannte Szenewächter seit Jahren und ebenso lange liegen sie mit dieser gehaltlosen Provokation daneben. Allein das US-amerikanische Label Unique Leader Records hat in den letzten Monaten mit Veröffentlichungen von Signs Of The Swarm, Worm Shepard, Ingested oder Bound In Fear eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen. Combos wie Fit For An Autopsy, Lorna Shore oder Shadow Of Intent sind darüber hinaus auch außerhalb der Genregrenzen ganz heiße Nummern.
Im Deathcore gibt es jedoch, wie in jedem anderen modernen oder angesagten Genre, eine große Masse an Bands und Veröffentlichungen. Während herausragende Genrevertreter, wie alle oben erwähnten, ihren Deathcore mit spannendem Songwriting, kreativen Ideen und Begeisterung spielen, gibt es aber eben auch die andere Seite. THE LAST TEN SECONDS OF LIFE aus Pennsylvania gehören mit ihrem sechsten, selbstbetitelten Album eher zur zweiten Kategorie und füttern Deathcore-Gegner mit Argumenten gegen das Genre.
„The Last Ten Seconds Of Life” beginnt dabei vielversprechend. „Invictus Unto Fire“ heißt mit den Worten „Welcome to the worst day of your life” zur 50-minütigen Tour de Force willkommen. Die Amerikaner haben das Einmaleins des Deathcore verinnerlicht und vermischen die typischen Elemente zu einer bitterbösen Mixtur aus Hardcore und schleppendem Death Metal. Die tonnenschweren und tiefen Riffs, das zwischen zäher Lava und Raserei agierende Schlagzeug und der drückende Bass erzeugen von Beginn an ein Gefühl des Unwohlseins und der unmittelbaren, akustischen Bedrohung. „Invictus Unto Fire“ ist so ein Track, der sich anfühlt, als würden kleine, aber umso kraftvollere Hämmer durch die Gehörgänge ins Gehirn eindringen, um dort direkt auf die Synapsen einzudreschen. Nein, THE LAST TEN SECONDS OF LIFE scheren sich nichts um positive Gefühle, angenehme Momente oder einschmeichelnde Melodien – nichts davon findet sich auf diesem Album.
Das an sich ist ja kein Problem – Musik, vor allem aggressive Musik wie Deathcore, will und muss ja nicht angenehm oder melodisch sein. Während der Opener in seiner unbarmherzigen Brutalität mit einer nachvollziehbaren Songstruktur aufwartet, geht den meisten restlichen „The Last Ten Seconds Of Life”-Tracks ebenjene Struktur ab. TLTSOL haben immer wieder gute, sogar überzeugende Momente: Ein fettes Riff, ein saftiger Breakdown, ein fieser Groove, ab und zu sogar mal ein packender Refrain. Aber das sind eben alles nur Momente, einzelne Versatzstücke in einer großen Menge an Elementen, die alle nicht so wirklich als zusammenhängende Songs funktionieren wollen. Ab und an probieren es die Amerikaner mit Pantera-artigen Thrash-Leads oder Spoken-Word-Passagen à la Slipknot, einen lahmen Track wie „Vampire (A Blood Ballad)“ rettet aber auch das nicht vor der Belanglosigkeit.
Brutalität um der Brutalität willen ist das, was THE LAST TEN SECONDS OF LIFE hier zelebrieren. Die kleinen Hämmerchen, die wie wild unter der Hirnrinde kreisen, prügeln oft wahllos auf die Synapsen ein und treffen dabei nicht immer den richtigen Nerv. Somit wird die Scheibe auf Dauer zu Tortur, zu anstrengend, um sie komplett am Stück rotieren zu lassen. Neben dem Stückwerk-Songwriting sorgen dafür vor allem die oft ohne Sinn und Verstand eingebauten Break- und Beatdowns, die so heftig das Tempo rausnehmen, dass die eh schon so mäßig vorhandene Dynamik gleich ganz raus ist.
THE LAST TEN SECONDS OF LIFE sind technisch fein beschlagen, haben massig Wut im Bauch und wollen in puncto Brutalität keine Kompromisse eingehen. Ja, ganz schön harte Jungs mit dicken Eiern sind die Vier, haben dabei aber anscheinend vergessen, dass sie eigentlich Musik machen wollen. „The Last Ten Seconds Of Life“ hat ein paar starke Momente, aber keine schlüssigen Tracks und fühlt sich am Ende nur wie eine quälend anstrengende, seelenlose Sammlung an möglichst harten Momenten an.
Wertung: 4.5 / 10