„Hä? Neues Album von THE DOGMA namens ‚Black Widow‘? Haben die das nicht schon 2006 rausgebracht? Ach ne, das hieß ja ‚Black Roses’…“ Bei so ausschweifender Kreativität was die Namensgebung eines neuen Albums angeht ist ein gewisses Maß an Verwirrung ja schon mal mehr oder weniger vorprogrammiert, als die sich bei mir allerdings gelegt hatte, blieb hingegen eher vorsichtiges Interesse zurück. THE DOGMAs 2006er Debut kaufte ich damals nämlich schon relativ kurz nach Veröffentlichung, nachdem ich den Titeltrack auf Myspace entdeckt hatte. Und obwohl ich nie auf die Idee kommen würde, die fünf sympathischen Italiener in irgend eine Liste mit der Überschrift „Meine ewigen Lieblingsbands“ einzusortieren, mag ich die Musik des Quintetts aus Ancona doch ganz gerne, die Verbindung von symphonischem Power Metal mit ordentlich Eiern sowie düsterer Gothic-Atmosphäre bescherte mir doch schon die eine oder andere angenehme Stunde. Und da das Zweitwerk „A Good Day To Die“ irgendwie völlig an mir vorbeigezogen ist, dachte ich mir, wäre die Veröffentlichung der neuen Scheibe doch mal eine günstige Gelegenheit um zu schauen, was sich so im Hause THE DOGMA getan hat.
Der Opener „Dirty Dark Diane“ setzt dann auch gleich eher klassisch ein. Mächtig rockende Gitarren leiten das Stück und damit die CD ein, nur um nach wenigen Sekunden schon ein mächtiges Keyboard bei dem zu begleiten, was ich jetzt mal ganz dreist eine archetypische THE DOGMA-Hookline nennen würde. Nicht schlecht, nicht schlecht, aber so ganz will der Funke beim Opener noch nicht überspringen, das ist einerseits dem alten Material etwas zu ähnlich, andererseits war ich schon immer mehr Fan der epischen, symphonischen, düsteren Augenblicke der Band und weniger ihrer eher rotzigen. „Dirty Dark Diane“ ist für THE DOGMA-Verhältnisse wohl das, was man eine Rock’n’Roll-Partyhymne nennen könnte. Wem’s gefällt.
Danach langt das Quintett aber direkt in die Vollen. „Mindfreak“ wird erstaunlich heftig eingeleitet und bietet etwas, was ich so eher nicht erwartet hatte: Growls aus der Kehle von Daniele Santori. Die klingen zwar rein technisch nicht ganz astrein, beziehungsweise den mangelnden Druck wollte man wohl im Studio etwas kompensieren, indem man die Vocals kurzerhand lauter dreht, so hört es sich jedenfalls an, aber trotzdem ist das eine nette Überraschung und nach kurzer Eingewöhnung hören diese Gesangslagen sich zwar nicht vollends rund, aber gehen doch schwer in Ordnung. Auf jeden Fall zeigen sie eine neue Facette von THE DOGMA und zwar eine, auf der man problemlos aufbauen kann.
Sowieso erproben die Italiener sich auf ihrem dritten Album in allerlei verschiedene Richtungen. „Eternal Embrace“ könnte man rein stilistisch betrachtet bestimmt auch auf einem um die Jahrtausendwende herum entstandenen Paradise Lost-Album finden, der schmissige Orgeleinsatz bei „The Fate Of The Leaders“ gibt dem Track schon beinahe eine gewisse folkloristische, mittelalterliche Schlagseite, die mich mehr als einmal an Cumulo Nimbus denken ließ. Garniert wird das alles mit typisch ohrwurmigen, epischen und heftig symphonischen THE DOGMA-Refrains, die man so schnell nicht mehr aus den Gehörgängen verbannt bekommt, et voilà. Den Italienern dabei zuzuhören, wie sie ihren aufgemotzten Stil in diverse Richtungen zu erproben versuchen macht gar nicht so wenig Spaß.
Hier liegt aber letzten Endes auch der Hund begraben. „Black Widow“ ist eine CD, die aus wirklich gut hörbaren, zum Mitsummen, Kopfnicken oder Fußwippen einladenden Einzelstücken besteht, aber ach, das Zusammengehörigkeitsgefühl… Zwischen den rockigeren Nummern wie „Dirty Dark Diana“ und „The Bride Is Back“, dem herrlich fiesen Hershell Gordon Lewis Tribute-Song „Gore Gore Girls“, dem eher klassischen Titeltrack bzw. dem pathetischen „Lost Forevermore“ oder den etwas exaltierteren Ausflügen in – für Bandverhältnisse – experimentellere Gefilde, namentlich eben „Eternal Embrace“, „The Fate Of The Leaders“ oder das vielleicht schon etwas naturmystisch angehauchte „The Nature And The Leader“ bleibt irgendwo die Atmosphäre, der Spannungsbogen, der rote Faden auf der Strecke. Die Songs auf „Black Widow“ sind alle gut und machen alle Spaß (vielleicht mit Ausnahme von „The Bride Is Back“, mit dem ich noch nicht ganz warm geworden bin), aber wieso die jetzt gerade alle zusammen auf derselben CD zu finden sind und dann auch noch genau in dieser Reihenfolge…
Natürlich kann dieser Lapsus im Alleingang keine gute CD hinterrücks meucheln, der Konsens bleibt nämlich letzten Endes in etwa derselbe: THE DOGMAs drittes Album „Black Widow“ ist eine sehr starke Angelegenheit geworden, die durchweg für gute (oder vielleicht auch finstere und deswegen bei Genrefreunden gute) Laune sorgt und viel Spaß macht, außerdem eine wahre Fülle von Richtungen aufzeigt, in die die Band von hier aus gehen könnte. Ich jedenfalls freue mich darauf, auf dem vierten Album stilistisch etwas gefestigtere und spannungstechnisch im Großen und Ganzen besser durchdachte Musik kredenzt zu bekommen, die alle Stärken der jetzigen THE DOGMA mit im Handgepäck hat, das dürfte dann nämlich ein ziemlicher Knaller werden.
Wertung: 8.5 / 10