Review The Black Dahlia Murder – Nightbringers

Spätestens seit dem Release ihrer Klassikerplatte „Nocturnal“ sind THE BLACK DAHLIA MURDER nicht mehr aus der amerikanischen Extremmusiklandschaft wegzudenken. Brutaler als Melodic Death, aber auch stets melodiöser als „normaler“ Death Metal, ist der grenzwertige Stil des Quintetts seit jeher unverkennbar. Nachdem die Band auf „Abysmal“ zwar durchaus ihre Momente hatte, aber sich insgesamt ein wenig zu sehr auf ihr übliches Schema zu verlassen schien, soll es nun wieder heiß hergehen. Pünktlich zum Zehnjahresjubiläum von „Nocturnal“ bringen die Todesmetaller mit „Nightbringers“ ein Album heraus, das strukturell und aufgrund des schaurigen, abermals von Necrolord kreierten Artworks auch optisch Erinnerungen an ebenjenen Melo-Death-Meilenstein wachruft.

Die bereits 2015 auf dem Vorgänger zu beobachtende Rückentwicklung in Sachen Songwriting scheinen THE BLACK DAHLIA MURDER nun gänzlich vollendet zu haben: Anstatt wie etwa auf „Ritual“ oder „Everblack“ Songlängen und Arrangements im Zuge des Albums zu variieren, gibt es nun wieder hauptsächlich drei- bis vierminütige Highspeed-Kracher. Nur das abschließende „The Lonely Deceased“ überschreitet die Fünf-Minuten-Grenze, was auch die insgesamt recht knapp bemessene Spielzeit von gerade mal einer guten halben Stunde erklärt. Dementsprechend bleibt auch weniger Raum für kleine Experimente. Da verwundert es kaum, dass die ersten drei Tracks nur wenig Aufsehen erregen.

Bezüglich Brutalität und Melodiegespür macht THE BLACK DAHLIA MURDER natürlich niemand so schnell etwas vor, das düstere Tremolo-Hauptriff des Openers „Widowmaker“ ist dafür das beste Beispiel. Ebenjenes sowie die geradezu unmenschliche Geschwindigkeit und Ausdauer, mit der Trevor Strnad seine blutrünstigen, aber durchdachten Texte auf „Of God And Serpent, Of Spectre And Snake“ intoniert, sind jedoch das einzig Bemerkenswerte im ersten Drittel von „Nightbringers“. Erst im groovenden Midtempo-Titeltrack nehmen THE BLACK DAHLIA MURDER etwas Abstand von ihren hektischen Brutalo-Riffs und halsbrecherischen Double-Bass- und Blasting-Exzessen. Von da an warten die Amerikaner doch noch mit dem einen oder anderen kreativen Leckerbissen auf.

Insbesondere die Leads und Soli machen in weiterer Folge mehr und mehr hellhörig. Auf dem kraftvoll treibenden, hymnischen „Kings Of The Nightworld“ klingen sie regelrecht episch, „Catacomb Hecatomb“ reißt den Hörer hingegen in einen Strudel der Hoffnungslosigkeit und die alarmierenden Melodien auf „As Good As Dead“ versetzt ihn danach wieder in Aufruhr. „The Lonely Deceased“ beinhaltet sogar ein kurzes, elegantes Akustik-Interlude und zeigt auf, dass sich THE BLACK DAHLIA MURDER ruhig wieder öfter an etwas ausgedehntere Kompositionen heranwagen sollten.

Dass THE BLACK DAHLIA MURDER sich auf „Nightbringers“ ein bisschen auf ihre Vergangenheit besinnen, hat schon einen gewissen Charme. Trevor screamt und growlt immer noch wie ein besessener Serienkiller, die Riffs sind perfekt zwischen Härte und Melodie ausbalanciert und das furiose Drumming gleicht einem kalten, präzisen Kugelhagel. Dennoch zeigt sich gerade zum Ende hin, dass die Melo-Deather besonders dann brillieren, wenn sie ihre Grundformel mit ein paar neuen Variablen füttern. Warum die Band selbst „Nightbringers“ für ihr bisher facettenreichstes Album hält, ist jedoch mehr als fraglich, wenn man etwa an „Everblack“ zurückdenkt. Die Klasse ebenjener Platte erreichen THE BLACK DAHLIA MURDER leider ein weiteres Mal nicht. Fans können trotzdem bedenkenlos zugreifen.

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Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

12 Kommentare zu “The Black Dahlia Murder – Nightbringers

  1. Und zu den Kategorien: Das gibt’s ja bei Musikkritik durchaus auch in dem Stil, wie du das beschrieben hast. Also es gibt ja auch Seiten, die einzelne Aspekte bepunkten und dann einen GEsamtscore ausrechnen. Davon halte ich persönlich aber nichts, weil sich meiner Meinung nach Musik nicht punktuell objektiv abarbeiten lässt. Zum einen ist da ja immer viel subjektives Empfinden dabei, zum anderen hast du mit solchen Kategorien ja immer irgendwo einen festen Rahmen, an dem du Sachen misst, wodurch vielleicht andere Qualitäten herausfallen, die nicht in diese Kategorien passen.

    1. Ganz genau, solche Kategorien schränken die schreiberische Freiheit stark ein. Ein Review soll sich ja auch gut lesen, das wäre bei einer so strikten Einteilung nicht so leicht. Außerdem sind solche Kategorien ja auch ein bewegliches System, das verschieden gewichtet werden kann. Wenn eine Band in einem bestimmten Aspekt brilliert, kann das etwaige Mängel in anderen Bereichen schon mal ausgleichen. Deswegen kann man etwa Dimmu Borgir auch toll finden, obwohl ihre Texte wohl niemanden vom Hocker hauen. Trotzdem ist ihre Musik vielleicht insgesamt doch beeindruckender als irgendeine unbekannte Band, die in allem solide, aber in nichts überragend ist.

      1. Erst einmal vielen Dank Simon, dass du dich mit in das Gespräch einschaltest!
        Ich finde es interessant zu erfahren, dass Texte häufig gar nicht labelseitig mitgeschickt werden und es auf der anderen Seite dann auch sehr fair von dir und euch, dass ihr sie dann mehr oder minder nicht in der Wertung berücksichtigt, weil ihr schlicht nichts dazu sagen könnt. Allerdings stellt sich mir hier die berühmte Frage nach der Henne dem Ei: schicken die Labels keine Lyrics (mehr) mit, weil sie wissen, dass Rezensenten keinen Wert darauf legen oder war es umgekehrt so, dass Redakteure irgendwann angefangen haben die Texte mehr und mehr aus dem Fokus nehmen zu müssen, weil Labels sich gegen das Mitsenden von Lyrics entschieden haben?! Also hat sich da aus eurer Erfahrung heraus ein Wandel vollzogen? Haben die Labels früher grundsätzlich Texte mitgeschickt und nur ausnahmsweise mal nicht (wie bei Bands, die partout keine Texte veröffentlichen wollen, wie z.B. GORGOROTH)?
        Könnte man aber andererseits, wenn man es darauf ankommen lassen wollen würde, die Labels nicht nachträglich um Texte bitten? Oder kann man als Metal-(Fan)-Zine schon froh sein, überhaupt Promos zu bekommen und sollte da lieber nicht noch Ansprüche stellen?

        @Stephan: Ich gebe dir recht, dass so eine Kategorisierung irgendwie formalisierend wirken würde aber meinst du wirklich, dass es dich in deiner schreiberischen Freiheit einschränken würde? Um bei den Videospielen zu bleiben: Ich bin zwar nicht mehr so in dem Thema drin aber ich finde nicht, dass die Kategorisierung der Lesbarkeit einer Review abträglich ist. Einige Videospieltests sind überaus kreativ geschrieben und schaffen es dennoch, sich an markanten Punkten abzuarbeiten.

        Aber mir fällt gerade auf, dass sich die ganze Thematik vielleicht eher mit Filmen vergleichen lässt. Da kann ich euren Punkt jedenfalls noch besser verstehen (vorausgesetzt, ich habe ihn richtig verstanden): Es gibt schließlich viele Filme, bei denen der Soundtrack durchaus vorhanden ist aber derart subtil, dass er die Stimmung des Films zwar unterstützt aber sich eben nicht in den Vordergrund drängt. Ein Soundtrack gehört (heutzutage) gewissermaßen einfach dazu (abgesehen von avantgardistischen Ausnahmen). So scheint es also Musiker/Bands zu geben, die Texte auf ähnliche Art und Weise behandeln.

        1. Hi W.W., stell deine „allgemeingültigen“ Fragen doch bitte in unserem „Leser fragen“-Special, vielleicht interessieren die Antworten auch andere, die nicht auf dieses Review klicken ;) Danke!

  2. Hey W. W., zu dem Thema melde ich mich auch mal aus dem Team für eine weitere Meinung.

    Ein wesentliches Problem, weshalb Texte in ganz vielen Reviews überhaupt keine Erwähnung finden, ist die traurige Tatsache, dass die meisten Labels keine Lyrics mitschicken in ihren Promokits. Wir bekommen ja fast alles als Download und anscheinend legt da kaum jemand wert drauf. Es gehört jedenfalls nicht standardmäßig dazu.
    Bei mir ist es so: Schreibe ich ein Review nach Veröffentlichung, dann kann ich die Texte oft im Internet nachlesen und miteinbeziehen. Muss es aber davor schon fertig sein, kann ich sie schlicht und ergreifend nicht erwähnen, denn es ist gerade bei gutturalem Gesang sehr mühselig und fehlerbehaftet, alles herauszuhören.
    Ansonsten stimme ich Stephan zu: Gute Lyrics können ein Album noch mal aufwerten, schlechte Lyrics auch mal was kaputtmachen (ich persönlich liebe Dimmu Borgirs und Dark Funerals Musik, aber die Lyrics sind eine Katastrophe…). Meist bekommt man aber Bands rein, die schlicht die Standard-Genre-Lyrics runterbeten. In dem Fall erwähne ich die dann auch meistens nicht.

  3. Zur Ergänzung und Unterstützung der Meinung des Autors, möchte ich jedem, der es bisher nicht getan hat, wirklich ans Herz legen, sich bei Zeit und Muße während des Hörens auch einmal mit den Texten auseinanderzusetzen. Die sind – entgegen der überwiegenden Masse in dem Genre – meines Empfindens nach nämlich wirklich sehr sehr gut und kreativ.

    Dazu habe ich eine grundsätzliche Frage (die ich vielleicht besser im Rahmen eures Frage-Specials an die Redaktion hätte stellen sollen): Welchen Stellenwert haben die Texte (sofern sie bei Review vorliegen) hinsichtlich der Bewertung eines Albums bei euch grundsätzlich?

    Viele Grüße!

    1. Hi, W. W.!
      Also da sich keiner der Kollegen berufen gefühlt zu haben scheint, hier stellvertretend für das Team auf deine Frage zu antworten, mache ich das mal, soweit ich es kann.
      Grundsätzlich ist es bei uns so, dass es keine konkrete Checkliste gibt, die bei jedem Album exakt abgearbeitet werden muss. Soll heißen: Die Punktewertung zum Schluss ist natürlich einheitlich zu verstehen, wie sich diese Wertung zusammensetzt, ist jedoch Sache des jeweiligen Rezensenten. Da es hier verschiedene Vorlieben gibt, werden verschiedene Aspekte auch verschieden gewichtet. Demnach kann ich eigentlich nur für mich selbst sprechen.
      Ich persönliche kann ein Album auch unabhängig von den Texten genießen, aber sie spielen für mich auf jeden Fall eine Rolle. Wenn eine Band besonders geistreiche, gut formulierte Texte schreibt und sich darin mit interessanten Themen befasst, ist das auf jeden Fall ein großer Pluspunkt und oft auch mit ein Grund dafür, dass sich gewisse Platten einen Platz in meiner Favoritenliste verdienen. Wenn eine Band schlichtweg Genre-typische Texte schreibt, finde ich das zwar nur wenig spannend, es wirkt sich jedoch normalerweise nicht negativ auf meine Beurteilung aus. Begnügt sich eine Band hingegen mit leeren Worthülsen und schon unzählige Male gehörten Redewendungen oder sind die Lyrics grammatikalisch oder in ihrem Ausdruck fehlerhaft, übertrieben kitschig oder inhaltlich stumpfsinnig, kann das schon mal dazu führen, dass ich Punkte abziehe. Schließlich will ich mich beim Hören nicht ständig fremdschämen müssen. ;)

      1. Hi Stephan,

        danke für deine ausführliche Stellungnahme. Ich hatte auch gar nicht erwartet, dass meine Frage in eurer Redaktion die Runde macht. Deine Antwort fand ich dahingehend aufschlussreich zu erfahren, dass es keinen common sense bei euch (und vielleicht auch bei anderen Redaktionen) zu geben scheint, welchen Einfluss die Texte im Endeffekt auf die Wertung nehmen. Dein Prozedere finde ich allerdings nachvollziehbar, weil irgendwie auch pragmatisch. Es erfordert schließlich viel Zeit, sich neben der Musik auch intensiv mit den Texten auseinanderzusetzen und die kann man leider nicht immer aufbringen. Allerdings boosten wirklich gut geschriebene Texte auch meinen Hörgenuss noch einmal immens. BEHEMOTH, BATHORY (nicht alle), EIS, MGLA und PRIMORDIAL sind da für mich besonders herausragend.

        1. Hey W. W.,
          natürlich war es naheliegend, dass ich selbst auf deinen Kommentar antworte, da er ja unter meinem Review steht. Trotzdem wollte ich erst mal abwarten, ob da vielleicht unser Chefredakteur etwas dazu sagen wollte. Wie ich ja schon schrieb, konnte ich die Frage ja leider nur aus meinem persönlichen Blickwinkel beantworten.
          Und ja, um es nochmal zu verdeutlichen, bei uns im Team wird auch hin und wieder über Songtexte im Allgemeinen debattiert und es ist tatsächlich so, dass hier die Meinungen auseinandergehen. Ein gewisser gemeinsamer Nenner dürfte allerdings sein, dass die Musik selbst tendenziell noch eher Vorrang genießt.
          Natürlich sind unsere zeitlichen Ressourcen begrenzt, aber ich versuche dennoch, mich auch mit den lyrischen Aspekten der Alben, die ich bewerte, zu befassen. Das geht aus meinen Texten vielleicht nicht immer hervor, da ein Review ja auch nicht zu ausschweifend werden sollte, aber wie gesagt, wenn die Lyrics besonders gut oder schlecht sind, spielt das im Fazit eindeutig eine Rolle.
          Bezüglich Behemoth und Primordial stimme ich dir bedenkenlos zu, die Texte sind hier eindeutig Teil des Gesamtkunstwerks. Die Bands, die mich persönlich lyrisch am meisten faszinieren, kommen jedoch eher aus der avantgardistischen Ecke, also zum Beispiel Dornenreich, Angizia, Autumnblaze, Todtgelichter, Empyrium, Nocte Obducta, aber auch einige ausgewählte Gothic-Gruppen wie Goethes Erben, Samsas Traum oder ASP. Und das sind nur die deutschsprachigen Bands, international gibts da noch viel mehr. :D

          1. Hi Stephan,
            ich komme auf das Thema, weil mir tatsächlich hin und wieder auffällt, dass in einigen Reviews (nicht explizit in deinen) hin und wieder die Texte wohlwollend oder abwertend erwähnt werden und in anderen Reviews wiederum gar keine Erwähnung finden. Mir schien das bisher immer recht willkürlich zu sein. Ich frage mich schon länger, warum Musik-Reviews nicht ähnlich gestrickt sind, wie bspw. Videospiel-Tests, bei denen auch verschiedene Kategorien – für den Leser nachvollziehbar – einzeln bewertet werden (Grafik, Story, Sound oder so) und sich dies schließlich in der Gesamtwertung niederschlägt. Ich dachte, dass es ähnlich auch für CD’s mit entsprechenden Kategorien (Cover, Texte, Sound (Musik an sich)) funktionieren könnte.
            Aber durch deine Perspektive und jetzt, wo ich noch einmal genauer darüber nachdenke, scheint es mir doch nicht ganz passend zu sein. Deine Aussage „[…] sind hier eindeutig Teil des Gesamtkunstwerks.“ hat mir da die Augen geöffnet. Es gibt schließlich einige Bands, die nichts mehr von ihrer Musik erwarten, als das sie knallt, andere wiederum legen Wert auf das künstlerische Gesamtwerk und das konsistente Konzept dahinter. Dennoch kann man der erstgenannten Band wohl schwerlich mangelndes Herzblut per se vorwerfen. Es würde mir da auch total schwer fallen, so etwas in Zahlen ausgedrückt zu bewerten. Aber ich mich das zum Glück ja auch nicht :)

    1. Hoppla, da bin ich beim Schreiben wohl gedanklich zu der gleichnamigen österreichischen Black-Metal-Band abgedriftet, haha. Die ist übrigens auch sehr zu empfehlen. ;)
      Danke jedenfalls für den Hinweis, Alex, ich habe es schon korrigiert.

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