Whoa, wenn man so liest, was alles in „nOn“, dem „lang erwarteten“ zweiten Album der australischen Band THE AMENTA steckt, dann muss man schon mal eine Augenbraue hochziehen und ein beeindrucktes Pfeifen ausstoßen… Darf ich kurz mal den Promozettel zitieren? „The recording of the album spanned 3 different countries and 7 different studios. „nOn“ contains a myriad of different contributors and performers with no less than 2 drummers, 6 vocalists and 2 bass players recording on the album which features guest appearances from Jason Mendonca (Akercocke), Alice Daquet (Sir Alice), Alex Pope (Ruins) and more.“ (Dementsprechend muss ich mich für die Besetzungsliste oben entschuldigen, die ist weit davon entfernt vollständig zu sein, aber es wäre mal ganz nett gewesen, diese beeindruckende Anzahl an Kontributoren auch mal irgendwo näher aufzuführen und nicht nur mit bloßen Zahlen zu protzen, aber egal.) Aber irgendwie schleicht sich da ein ganz anderer Gedanke in mein Hinterstübchen ein… „Viele Köche verderben den Brei“ vielleicht?
Verschieben wir das mal auf später und fangen erst mal mit den bloßen Fakten an: THE AMENTA wurden 1997 unter dem Namen Crucible of Agony gegründet, spielten erst Black Metal und schwenkten dann nach einer Namensänderung um, verschrieben sich fortan dem Industrial-lastigen Todesmetall und trümmerten in diesem Genre und unter der Flagge des französischen Labels Listenable Records ihren ersten Langspieler „Occasus“ ein. Jetzt steht der Nachfolger in den Läden, 12 Tracks, knapp 50 Minuten und wenn ich noch mal den Promozettel bemühen darf, dann klingt das ganze so: „Rather than relying on the clichéd shit in which other bands are content wallow, The Amenta have constructed an album built on new ideas, new concepts, new sounds and new techniques.“ Cool, ganz was Innovatives haben wir hier also…
Pardon my french, aber: Bullshit. Okay, ich sehe ein, dass Promoschriebe das von ihnen begleitete Produkt eh immer als das Neuste vom Neuen und sowieso super innovativ und noch nie da gewesen bewerben müssen, aber selten traf das so wenig zu, wie im Falle von THE AMENTAs „nOn“. Alles, aber wirklich alles auf diesem Album klingt wie schon mal gehört und (wenn ich das mal vorweg nehmen darf) wie schon mal besser gehört. Fühlte ich mich beim Intro „On“ noch latent an die Exposition von Naglfars „Pariah“-Album erinnert, so spukte mir mit dem ersten richtigen Track gleich etwas ganz anderes durch den Kopf: „Hey, das ist ’ne Light-Version von Count Nosferatu Kommando.“ Ja, genau so klingen THE AMENTA, wie eine abgespeckte Kopie von dem, was die Franzosen auf ihrem „Ultraviolence Über Alles“-Album boten. Getriggertes Drumming, heftig verzerrtes Gitarrengebrate, ein wuchtiger Bass, tiefe Growl-Vocals… Nur niemals erreichen die Australier auch nur annähernd die Klasse von Hreidmarr und seinen Kollegen.
Dabei ist mir auch nach mehreren Hördurchläufen nicht ganz klar, woran das liegt. Es könnte wohl das Schlagzeug sein, das einfach nur extrem nervtötend ausgefallen ist, klingt es doch wie ein ganz besonders langweilig programmierter Drumcomputer (wozu die da zwei Drummer brauchten… kein Schimmer), der eigentlich nur abgehacktes Maschinengewehrfeuer eingetrichtert bekommen hat… Möglicherweise rührt es auch daher, dass das Material der Band einfach nur furchtbar monoton ist und zwar nicht „hypnotisch monoton“, sondern einfach nur „stinklangweilig monoton“. Vielleicht ist es auch die schlechte Produktion, die zwar hinter der Rhythmusfraktion gut Druck hat, aber zum einen sehr breiig und zum anderen total glatt gebügelt rüberkommt. Maschinell irgendwie… steril… okay, wir haben es (zumindest teilweise) mit Industrial zu tun, da kann das schon passen, aber da liegt ein weiteres Mal der Hund begraben… Denn irgendwie fühlt sich das Material nicht an, wie etwas, was danach schreit, Industrial zu sein. Versteht mich nicht falsch, von mir aus kann jeder machen was er will, aber wirklich guter Industrial wurde in meinen Ohren immer mit einem bestimmten Grund ausgewählt. Nine Inch Nails beispielsweise inkorporieren diesen Stil, um mächtig zu grooven. Count Nosferatu Kommando verwendeten ihn, um ihre Angepisstheit herauszulassen. The Axis Of Perdition verbinden ihn mit allzu organischen Samples und erzeugen so ein geradezu bizarres Gegenspiel. Was machen THE AMENTA? Sie preschen mit ihrem industriellen Death Metal irgendwo durch die Landschaft, was ganz genau so gut (wenn nicht sogar besser) von wirklich fettem, menschlichen Todesblei hätte bewerkstelligt werden können.
The Axis Of Perdition sind schon gefallen, bei denen haben die Australier sich auch noch leicht bedient. Der Anfang von „Skin“, eine weibliche Erzählstimme unterlegt mit heftigem Bass und ein wenig Distortion, erinnert mich sehr stark an die „Ichneumon Method“ der Briten. Und ein weiteres Mal: ohne deren Klasse zu erreichen. Hier werden Ideen dreist geklaut und eher mangelhaft umgesetzt, so dass im Endeffekt absolut nichts bei rumkommt. So kann ich den Aussies nicht mal ein „Wenigstens gut geklaut“ mit auf den Weg geben, das ist einfach gar nichts.
Okay, diese Wertung mag ein bisschen zu hart sein, ein paar gefällige Momente und ein paar ordentliche Nackenbrecher haben THE AMENTA noch auf ihrer Scheibe zu bieten, aber „nOn“ ist einfach ein 50-minütiges Werk ohne Sinn und Verstand, ohne ordentliche Marschrichtung, ohne eigene Ideen, ohne einen tatsächlichen Grund für die geklauten Stellen, ohne Seele, ohne musikalischen Wert. Und nur weil Anorexia Nervosa auf Eis liegen braucht man ihnen nicht gleich das Bandlogo zu klauen.
Wertung: 3 / 10