Der Post Metal kann mit Fug und Recht als eines der extravagantesten Genres innerhalb der harten Gitarren -Musik beschrieben werden. In dieser speziellen Sparte gibt es keine wirklichen Konventionen. Die Bands lassen zumeist den kreativen Prozess allein entscheiden, wo die Reise hingeht. Bands wie Russian Circles, God Is An Astronaut, Naïve oder The Ocean (Collective) haben nach dieser Maßgabe agierend stilprägende Werke geschaffen. Die polnisch-englische Band TELEPATHY kann sich derweil als einen ebenso starken Genre-Vertreter bezeichnen und veröffentlicht mit „Transmissions“ ihr drittes reguläres Full-Length-Album. Gleichzeitig markieren TELEPATHY damit ihren Einstand beim Szene-Label Pelagic Records.
„Transmissions“ wurde inspiriert durch eine Reihe alter Fotografien, die von den Turek-Brüdern in ihrem Elternhaus ausgegraben wurden. Auch sind die Songs durch eine Radioansprache des polnischen Staatsmannes Józef Piłsudski beeinflusst, der als „Erfinder“ des modernen Polens gilt und dort auch lange Zeit Regierungsoberhaupt war. Fragt sich – wie klingt es denn, wenn Nostalgie das Zentrum von Musik bildet?
Gemessen am letzten Output von TELEPATHY, dem 2020 erschienenen „Burn Embrace“ macht der erste Song der neuen Platte direkt die wesentlichen Unterschiede zu seinem Vorgänger klar. „Oath“ steckt voll stampfender Wucht, wirkt aber von Beginn an defensiver. Das ist allerdings mitnichten als negativ aufzufassen.
Da es TELEPATHY aktuell nicht um Weltuntergangsschwelgerei geht, ist der lockere Gesamtklang nur folgerichtig. Schleppend und durchzogen von diversen stillen Spitzen, ist „Oath“ ein gelungener Opener. „Augury“ überzeugt durch den vermehrten Einsatz von Synthesizern und einer tollen, entrückten Stimmung. Der Titel könnte einen Tagtraum inszenieren, ein akustisches Schlaglicht auf beinahe vergessene Erinnerungen.
Was sich ebenfalls als ein markanter Unterschied erweist ist der Umstand, dass Stilmitteln wie Synthwave und Electronica im Vergleich zu „Burn Embrace“ viel mehr Platz eingeräumt wurde. So klingen Nummern wie „Knife Edge Effect“, „Home“ oder „A Silent Bridge“ wie eine Mischung aus aktuellen Manes und Ulver. Erfreulicherweise verweben TELEPATHY diese speziellen Momente sehr schlüssig miteinander, sodass ein Titel wie „Tears in Fibre“, mit all seinen Spannungswechseln, dramaturgisch vollends zur Geltung kommt. Als Bindeglied für den Facettenreichtum, auf „Transmissions“, steht „End Transmission“ mit fast 16 Minuten Laufzeit zwar noch nicht für das Finale, aber der Song stellt den modernen Post Metal genau so dar, wie er gesehen werden will – als absolute Kunstform.
Man kann beim besten Willen auch „End Transmission“ nicht als eingängig bezeichnen. Aber durchaus als einen schweren wie atmosphärischen Schnappschuss, der die schleppenden, dröhnenden Riffs auf „Transmissions“ mit elektronischem Eskapismus und fast poppiger Leichtigkeit verbindet. Der Haken:
Tatsächliche Highlights, also Songs, die trotz ihrer Komplexität im Ohr nachhallen, gibt es leider nicht. So gelungen „Transmissions“ innerhalb seines Genres auch sein mag, so sehr entspricht es auch den Normen, die dafür gelten. Das macht das neue Album von TELEPATHY zwar für Genre-Fans zu einem zweifelsfreien Erlebnis, als ein Einstiegsalbum entpuppt es sich jedoch nicht. Vielleicht wären vereinzelte Vocals ein geeignetes Mittel gewesen, um wenigstens etwas Auflockerung zu schaffen. So verbleibt „Transmissions“ ein Release, dass trotz des kleinen Kurswechsels, den die Band darauf vollzogen hat, zu jeder Zeit innerhalb seiner Komfortzone verweilt.
Wertung: 7 / 10