Review Tankard – Pavlov’s Dawgs

  • Label: Reaper Entertainment
  • Veröffentlicht: 2022
  • Spielart: Thrash Metal

Metalheads saufen gerne – dieser simplen Wahrheit kann und muss man sich stellen. Man sehe sich nur einmal bei Metal-Festivals um, welche nicht ohne einen ganzen Haufen Alkoholleichen einhergehen, die bei Auftritten selbst der Headliner mitten in der Konzerthalle die Folgen ihrer Exzesse ausschlafen. Oder man denke an die ganzen Bands aus dem Pagan-Folk-Bereich wie zum Beispiel Korpiklaani, Ensiferum oder partiell auch Finntroll, deren Musik teilweise ganz deutlich darauf ausgerichtet ist, gemeinschaftliche, feucht-fröhliche Besäufnisse hervorzurufen… oder deren Musik man ohne einen gewissen Alkoholpegel schlicht gar nicht erst ertragen kann, wie dies etwa bei Korpiklaani der Fall ist. Eine weitere Band völlig anderen Zuschnitts, welche das Saufen ganz offen und mit humoristischem Augenzwinkern in ihren Texten zelebriert, sind TANKARD. Nur haben wir es bei den Frankfurtern nicht mit irgendeiner Schunkelkapelle zu tun. Vielmehr verbirgt sich hinter den spaßigen Lyrics über Alkoholkonsum seit 1986, dem Erscheinungsjahr des Debüt-Albums „Zombie Attack“, fetziger und wirklich gut geschriebener Thrash Metal.

Mit genau dieser Symbiose aus alkoholseliger Lyrik und traditionellem Thrash leiten TANKARD auch „Pavlov’s Dawgs“ ein, ihr immerhin achtzehntes Studioalbum. Für den eröffnenden Titelsong „Pavlov’s Dawg“ hat die Gruppe sich textlich dabei etwas wirklich Kreatives überlegt: Inspiriert ist der Song natürlich durch den titelgebenden und durch die Forschung des russischen Mediziners Iwan Pawlow bekannt gewordenen Pawlowschen Hund, der, vereinfacht gesagt, so lange einem eigentlich neutralen Reiz ausgesetzt wird, bis dieser eine bestimmte Reaktion hervorruft (im deutschen Sprachraum ist dieses Phänomen als klassische Konditionierung bekannt). Angelehnt daran geht es um einen Trinker, welcher infolge ausschweifenden und langen Alkoholkonsums schon alleine durch das Plopp-Geräusch einer aufgehenden Bierflasche betrunken wird. Das ist witzig, und ganz ehrlich: Auf diese Idee muss man als Texter erst einmal kommen. Zusätzlich ausgestattet mit wahren Killerriffs wie dem straigthen und unglaublich griffigen Hauptriff wird „Pavlov’s Dawg“, sieht man einmal vom eher redundant wirkenden Akustik-Intro ab, zu einem der vielleicht besten TANKARD-Songs überhaupt – und das noch nach fast 40 Jahren des musikalischen Schaffens! Chapeau, oder nein: Darauf trinken wir doch einen! Prost!

Nicht nur musikalisch, sondern tatsächlich auch lyrisch wissen TANKARD im Laufe von „Pavlov’s Dawgs“ noch öfter zu begeistern: Ernste Texte gesellschaftlicher oder politischer Ausrichtung gehören ebenfalls schon seit Anfangszeiten zur Bandbreite der Band (man denke nur etwa an die älteren Songs „Death Punishment“ über die Todesstrafe und „Traitor“, welcher Metal-Bands anprangert, die sich den Anfordernissen der Musikindustrie unterwerfen und auf massentaugliche Musik umschwenken. Da gibt es ja auch heute noch mehr als genügend Beispiele…). So setzt sich hier das auf den Titelsong folgende und ebenfalls mit absolut mächtigem Riffing aufwartende „Ex-Fluencer“ am Beispiel einer jungen Frau, welche nach Fame und Anerkennung strebt, mit den beeinflussenden und manipulierenden Gefahren sozialer Medien auseinander. In „Veins Of Terra“ geht es dann um den Klimawandel und die Leugnung desselben sowie die Ausbeutung der Wasservorräte unseres Planeten, und „Metal Cash Machine“ beschäftigt sich sarkastisch mit dem Ausverkauf und der Kommerzialisierung großer Metal-Bandnamen. Bisweilen wirkt es so, als wollten TANKARD, gleichwohl Oden an den Alkoholkonsum weiterhin nicht fehlen dürfen („Beerbarians“), sich ein wenig von ihrem Image lösen und sich tendenziell ernsteren Themen zuwenden. Das aber muss keineswegs schlecht sein.

All das klingt soweit nach einem rundum herausragenden Album. Leider aber hält der Alkoholpegel, pardon, gemeint ist natürlich die Euphorie, nicht durchgehend über die 54 Minuten Spielzeit der Platte an. Etwa bei der Hälfte von „Pavlov’s Dawgs“ entgleitet TANKARD der Bierkrug nämlich ein wenig, freilich ohne komplett auf den Boden zu fallen. „Memento“ etwa ertönt in Sachen Gitarrenarbeit und Refrain im Vergleich etwas uninspiriert. Das bereits erwähnte „Metal Cash Machine“ hat hier wieder mehr zu bieten, hätte aber gut und gerne um eine bis zwei Minuten gekürzt werden können, um besser zum Punkt zu kommen. Wirklich schwach ist aber kein Song der zweiten Albumhälfte. Und mindestens mit „Lockdown Forever“, einer herrlich bissig geschriebenen gesellschaftskritischen Satire über das Verhalten vieler Menschen während der Pandemie und der Lockdowns, ist sowohl musikalisch als auch textlich nochmal eine richtige Granate am Start.

„Pavlov’s Dawgs“ beginnt in jeder Hinsicht saustark und hält das Niveau auch über weite Strecken. Schade ist lediglich, dass sich in der zweiten Hälfte ein Abwärtstrend erkennen lässt, wodurch das Album zum Ende hin ein wenig langatmig wirkt. Über vieles von dem, was sonst so in der Metal-Landschaft erscheint, sind jedoch selbst die schwächeren Nummern der Platte noch weit erhaben. Und nach vier Dekaden noch immerhin gut und gerne drei bis vier treffsichere neue Hits auf einem Album zu vereinen, das kann TANKARD auch nicht jeder nachmachen. Insofern ergeht in Bezug auf „Pavlov’s Dawgs“ ganz klar die Anweisung: Platte auflegen, Bierkrug herrichten und eine Halbe dazu einschenken – denn lasst euch dies von einem waschechten Bayern gesagt sein: alles unter 0,5 Liter IST kein vollwertiges Bier. Ist es einfach nicht.

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Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

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