Atmospheric Black Metal – es gibt wohl kaum eine Variation extremer Gitarrenmusik, die einen gedanklich so weit der Realität entreißen, so tief berühren, aber auch, wenn schlecht ausgeführt, bis zur Schmerzgrenze langweilen kann. Sich an dieses schwarze Subgenre heranzuwagen, bedeutet, mit dem Feuer zu spielen, man kann es zu einem wild lodernden Flächenbrand schüren oder kläglich zum Ersticken bringen. Dass der Grat zwischen Faszination und Gleichgültigkeit hier so dünn wie in kaum einer anderen Spielart ist, zeigt sich etwa am Beispiel von TALV. „Entering A Timeless Winter“ ist bereits das dritte Album des italienischen Soloprojekts und, gelinde gesagt, eine nervliche Herausforderung.
Insgesamt fünf neue Songs hat TALV nun erstmals über A Sad Sadness Song, die bekanntlich ein Faible für stimmungsvollen Black Metal haben, veröffentlicht, die den Hörer eine Dreiviertelstunde lang in tiefste Winterkälte hüllen sollen. Für eine solch eisige Thematik sind die Stilmittel und die zumeist sehr ausgedehnten Songlängen des Atmospheric Black Metal natürlich wie geschaffen. Das verträumte, malerische Artwork scheint vorab nicht den geringsten Zweifel daran zuzulassen, dass TALV tatsächlich ein Stück der kalten Jahreszeit in seinen Musikstücken einzufangen vermag.
Es ist nicht zu leugnen: Die weit entfernt verhallenden, verzweifelten Screams, die monotonen, unterkühlten Gitarren und das schleichende Drumming, nicht zu vergessen die urige Low-Fi-Produktion vermitteln einem wahrhaftig das Gefühl, in einem erbarmungslosen Schneesturm zu erfrieren. Monoton ist indes das Stichwort, das TALV zum Verhängnis wird. Dies ist nämlich im wahrsten Sinn des Wortes zu verstehen: Bei allen vier Longtracks aus der Feder von A., dem Mann hinter TALV, hat man den Eindruck, lediglich ein und dieselbe Note immer und immer wieder zu hören. Die langgezogenen, durchaus recht sphärischen Gitarren lassen jede Form von Melodie vermissen und sowohl Rhythmus als auch Tempo des schleppenden Schlagzeugs werden nicht ein einziges Mal variiert.
Lustlos und ohne Nachwirkung rauschen die Songs vor sich hin und enden jedes Mal ebenso wahllos, wie sie angefangen haben. Genau so gut könnten sie halb oder doppelt so lang sein und es würde keinen erkennbaren Unterschied machen. Einzig auf dem Cover von Coldworlds „Winterreise“ vertont TALV die frostige, trostlose Atmosphäre, ohne lähmende Müdigkeit aufkommen zu lassen. Der Sinn dahinter, ein minimalistisches Keyboard-Instrumental ohne Veränderung einfach nachzuspielen, ist jedoch mehr als fraglich.
Abgesehen von dem besagten Cover-Song gibt es nahezu keinen Anreiz, um sich „Entering A Timeless Winter“ anzuhören – und selbst dessen Daseinsberechtigung steht auf äußerst wackeligen Beinen. Dass ausgerechnet „Winterreise“ das Highlight der Platte ist, obwohl TALV der Nummer keinerlei neue Facetten entlockt, zeugt von einer wirklich traurigen Bilanz. Selbst Low-Fi-Fanatiker werden sich von den ausschweifenden, buchstäblich eintönigen Arrangements (sofern man sie überhaupt als solche bezeichnen will) wohl kaum beeindrucken lassen. Wer winterlichen Atmospheric Black Metal sucht, sollte sich demnach lieber Mosaics „Old Man’s Wyntar“ zu Gemüte führen.
Wertung: 2.5 / 10