Ich würde dieses Review gerne mit dem Gedankenspiel „Stellt euch mal vor, My Dying Bride hätte es nie gegeben“ anfangen, aber schon während ich das tippe (oder eigentlich schon während ich auch nur darüber nachdenke) fällt mir auf, dass das nicht wirklich produktiv ist. Denn wenn es My Dying Bride nie gegeben hätte, dann hätte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Serben von TALES OF DARK… nie gegeben. Oder sie würden halt völlig anders klingen, als sie es jetzt tun. Denn wenn wir jetzt tatsächlich mal davon ausgehen würden, dass es My Dying Bride nie gegeben hätte und TALES OF DARK… aufgrund irgend eines kosmischen Unfalls doch, dann würde das Sextett mit angehängtem Gastgitarristen musikalisch betrachtet etwas ziemlich eindrucksvolles zusammenbasteln. So klingen sie halt letzten Endes größtenteils einfach wie eine Kopie der Meister aus Großbritannien.
Aber das muss ja jetzt per se nichts schlechtes bedeuten. Denn My Dying Bride sind – zumindest meiner Ansicht nach – eine großartige Band und wer sich dann stilistisch so dicht bei ihnen anlehnt, der kann gar nicht mal alles falsch machen, vorausgesetzt man hält die Gitarre halt noch richtigrum. TALES OF DARK… haben mit „Perdition Calls“ jedenfalls ein zwar nicht wirklich besonders eigenständiges aber dafür doch um so schöneres zweites Album aufgenommen, angefüllt mit über einer Stunde ergreifendem Gothic/Doom/Death Metal im Fahrwasser der sterbenden Bräute. Eine Geige vermisst man hier zwar und es gibt auch eine gar nicht so kleine Portion weiblichen Gesang auf die Ohren, aber erstaunlicherweise schafft Frontmann Arpad Takaè dem Kollegen Aaron Stainthorpe manchmal zum Verwechseln ähnlich zu klingen. Und sowieso ist der Mann stimmlich absolut fantastisch, egal ob er jetzt Klargesang zelebriert oder sich in guturaleren Sphären austobt.
Ansonsten alles wie gehabt, die neun Stücke auf „Perdition Calls“ bewegen sich quasi durchweg in den niedrigeren Tempoebenen und setzen auf große Gefühle, manchmal schleicht sich in den Kompott dann aber auch noch eine Spur Naturmystik mit rein, wie zum Beispiel am Anfang von „Hollow“, das mit seinen knarzigen Akustikgitarren hier und da gar nicht so wenig an Agalloch erinnert. TALES OF DARK… wissen ihr Material gut aufzulockern, langweilig wird hier nichts. Wenn ich jetzt aber Kritik anbringen wollen würde (und da ich ein Kritiker bin ist das so was ähnliches wie mein Job), dann muss ich doch anführen, dass die Serben hier und da etwas zu „heavy“ zu Werke gehen. Ich rede nicht von übersteigerten Death Metal Anleihen, davon dürfte es sogar hier und da noch ein paar mehr geben, aber gerade wenn die Saitenfraktion und Keyboardmensch Davor Menzildžic wieder wundervolle Melodien für die Ewigkeit aus ihren Instrumenten kitzeln, schaffen TALES OF DARK… es hin und wieder nicht die Zerbrechlichkeit ihrer eigenen Riffs einzufangen, die Atmosphäre weiter anzustacheln, weil die Rhythmusgitarre dann schon wieder anfängt stumpfe Epic Doom Palm Mute Powerchords zu schrubben. Wie gesagt, zu „heavy“ im Sinne von „zu viel Heavy Metal an Stellen, die’s nicht gebraucht hätten“.
Andererseits wird man dann aber auch alle Nase lang wieder mit saustarken Melodien belohnt, mit wirklich ergreifenden Gesangseinlagen des Vokalduos Takaè/Karajanov (die halt nur in den seltensten Fällen auf die alte „Beauty and the Beast“-Formel setzen, sondern sich wieder und immer wieder tolle klare Duette liefern) und alles in allem eben einfach einer kompletten CD, die sich zwar nicht ganz aus dem Schatten der großen Vorbilder lösen kann, in diesem Rahmen aber eigentlich fast alles so richtig macht, wie man es nur machen kann.
Wertung: 8 / 10